Uns ist der Bauherr abhanden gekommen
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Wo gebaut wird, explodieren oft die Kosten. In Paris wird nun der Architekt der Neuen Philharmonie zur Kasse gebeten. Aber Jean Nouvel wehrt sich und klagt seinerseits. Andreas Becher vom Bund Deutscher Architekten sieht auch hierzulande Grundsätzliches im Argen.
Seit Januar 2015 steht die neue Philharmonie im Osten von Paris. Ein 23.000 Quadratmeter großer, mehrstöckiger Musikkomplex mit glitzernder Alufassade. Entworfen hat den spektakulären Bau Frankreichs Stararchitekt Jean Nouvel. Leider ist das ganze etwas teurer geworden als geplant – statt 173 Millionen Euro wurden 386 Millionen Euro verbaut.
Die Betreiberfirma will sich nun vom Architekten Jean Nouvel 170 Millionen Euro zurückholen. Ihre Begründung: Nouvel habe ständig Veränderungen vorgenommen und die Kosten unterschätzt. Aber Nouvel will sich nicht zum Sündenbock machen lassen und verklagt seinerseits die Betreibergesellschaft wegen Rufschädigung.
"Bauherr abhanden gekommen"
Andreas Becher, bis vor kurzem Vorsitzender des Landesverbandes Berlin des Bundes Deutscher Architekten, sieht auch in Deutschland Diskussionsbedarf: Es gehe um die Mitwirkungspflicht des Bauherren, um die Frage, was Baukultur kosten dürfe, und darum, wie Verantwortung geteilt werde.
Bei großen Bauvorhaben fehle zu oft der Bauherr im traditionellen Sinne, bemängelt Becher: "Wir beklagen seit vielen Jahren auch in Deutschland eine Entwicklung, innerhalb der uns der eigentliche Bauherr abhanden gekommen ist: Der Bauherr, der mit eigenem Geld das eigene Projekt mit eigener Verantwortung und mit seinem Architekten planen und bauen will."
Die Verantwortung wird verteilt
Stattdessen gebe es, wie auch in dem Fall von Jean Nouvel in Paris, Betreibergesellschaften "mit Geschäftsführern, eigentlich Legionären, die anderer Leute Geld verwalten", bemängelt Becher. Die hätten nur eins im Sinn: "Bloß keinen Fehler machen, bloß die Kosten nicht überschreiten." So würden Bauprojekte zu Hochbau degradiert. "Das hat mit Architektur und Baukultur nichts mehr zu tun, weil es nur noch darum geht, die Zahlen zu optimieren."
Liefen die Zahlen dann aber einmal aus dem Ruder, werde gern der Architekt verantwortlich gemacht, kritisiert Becher: "Auch wenn der im Verlauf des Projektes regelmäßig Vorschläge macht, wie Kosten eingespart werden können."
Becher ist insbesondere verärgert, wenn das, wie in Paris, ganz zum Schluss, angeprangert wird: "Man guckt aufs fertige Projekt und sagt: 'Uups, das ist jetzt doppelt so teuer geworden.'" Und dabei gehe es im Fall der Neuen Philharmonie in Paris nicht um Kleingeld, sondern um fast 200 Millionen Euro. "Ja, wann sind die denn ausgegeben worden und wer war denn beteiligt?", fragt Becher.
Alternativen existieren
Dabei müsste heutzutage kein Bauprojekt mehr mit explodieren Kosten kämpfen, glaubt Becher. Es gebe Computerprogramme, mit denen sich die finanziellen Belastungen exakt durchrechnen ließen. So könne man zu einem sehr frühen Zeitpunkt wissen, was ein Bauwerk koste und wie lange es dauere, es fertigzustellen.
Das Problem sei, dass die Politik die Information gar nicht abrufe und auch nicht zuerst alles komplett durchplanen lasse. Andreas Becher verweist auf den Leitspruch, den man auch schon für den Berliner Flughafen BER propagiert habe: "Erst die Pläne, dann die Kräne." Für Architekten gelte: "Wir wollen erst unsere Planung abschließen, bevor wir echtes Geld in die Hand nehmen und anfangen zu bauen." In der Realität werde das Prinzip allerdings nicht immer beherzigt.
Becher plädiert dafür, dass Architekten und Bauherr für die Kosten Verantwortung übernehmen. Es könne nicht sein, dass die Architekten einseitig haften, wenn ein Bau teurer werde. Wer als Architekt Festpreisklauseln unterschreibe, "der ist nicht mehr zu retten", sagt Becher. Genauso wenig sollte sich ein Architekt dafür unzuständig erklären und nur den Entwurf verantworten. Wenn es darum gehe, auch auf die Kasse aufzupassen, trenne sich schon seit Jahren die Spreu vom Weizen. "Wir als Architekten müssen die Verantwortung übernehmen, auch für die Kosten. Aber das muss in einem fairen Miteinander passieren."
(beb/mfu)