Muskeln für ein längeres Leben
23:24 Minuten
Die Zeiten, in denen älteren Menschen ausschließlich zu lockerer Ausdauerbelastung geraten wurde, sind vorbei. Stattdessen empfehlen Experten regelmäßiges Training: Wer dem Pflegeheim entrinnen möchte, sollte sich ins Fitnessstudio begeben.
Dieses Feature ist eine Wiederholung vom 22.05.2016
Der Sportgesundheitspark in Berlin. Auf den ersten Blick ein gut ausgestattetes Fitnessstudio mit großer Sporthalle, Schwimmbad und Sauna. Im Kraftraum: Maschinen zum Training der Bauch- und Rückenmuskulatur, der Beine und Arme. Therabänder, Geräte für Vibrationstraining, Schlingentrainer – alles was sich auch junge Fitnessbegeisterte wünschen.
An diesem Abend sind rund 15 Frauen und Männer gekommen, teils in modischer Funktionskleidung, teils in Baumwolljogginganzügen. Sie machen sich warm für ihr Training.
"Wir fahren alle Rad also auf einem Ergometer und unterhalten uns kräftig", sabt Barbara Bahls. "Wir machen uns sozusagen warm für Dr. Feldt, damit es hinterher richtig losgeht – Sie sehen ja, es ist eine fröhliche Runde."
Hier geht es nicht um den Waschbrettbauch oder imposante Oberarme, nicht um Sehen und Gesehen werden, sondern um Bewegungs- und Krafterhalt - es geht um die Gesundheit. Barbara Bahls ist Anfang 70 und damit vom Alter her im Mittelfeld einer hochmotivierten Gruppe, wie ihr Trainer Volkmar Feldt sagt. "Es ist eine sehr leistungsbezogene, belastbare, gute Gruppe. Diszipliniert, wenn sie auch nicht immer machen, was der Turnlehrer sagt". Damit sorgt er für Lachen im Hintergrund. Und er fügt hinzu: "Aber damit kann man auch nicht rechnen."
Ab 60 beschleunigt sich der Verlust der Kraft
Volkmar Feldt ist Sportwissenschaftler und seit Jahrzehnten ein "Missionar" des Gesundheitstrainings. Die Zeiten, in denen Senioren ausschließlich zu leichter Ausdauerbelastung geraten wurde, wenn überhaupt zu Sport, sind längst vorbei, sagt er. Auch die oft gehörte Ausrede, man habe sich doch in seinem Leben genug bewegt, lässt er nicht gelten.
"Dies ist ein elementarer Fehler, weil im Alternsgang wird nicht die Muskulatur per se von sich heraus schwächer, sondern weil sie nicht benutzt wird, das heißt, der Mensch ist bis zu letzten Lebenstag trainierbar, sollte dies tun, damit er aktiv bleibt, damit er alle Körperfunktionen erhält und letztendlich jung bleibt. Es gibt einen ganz wesentlichen Satz, den auch die Architekten kennen: 'Die Form folgt der Funktion', das bedeutet: Natürlich geht die Form bergab, wenn ich das so sagen darf, wenn die Funktion fehlt, das heißt, wenn sie kein Krafttraining, keine Übungen machen, dann wird der Muskel schwächer."
Studien belegen, dass bereits nach dem dritten Lebensjahrzehnt die Muskulatur des Körpers schwächer wird. Ab 60 wird von einem beschleunigten Kraftverlust von gut einem Prozent im Jahr gesprochen. Dem kann aber durch gezieltes Training entgegengewirkt werden. Doch damit fangen die meisten, wenn überhaupt, erst dann an, wenn gesundheitliche Probleme auftreten.
Keine Muskelberge aufbauen
So ähnlich war es auch bei Jürgen Bahls: "Ich war Verkaufsleiter in der Automobilbranche und hatte überwiegend sitzend – aber naja, war schon ein anstrengender Beruf. Da habe ich Tennis gespielt, einmal in der Woche abends und ein bisschen Golf, aber das ist alles eingeschlafen, weil die Gelenke nicht mehr mitmachen, die Handgelenke."
Der 73-Jährige kommt regelmäßig gemeinsam mit seiner Frau zum Training. Sie sagt: "Es geht darum, die ganze Muskulatur in Stand zu halten und jederzeit etwas kräftig zu sein und nicht irgendetwas zu vernachlässigen und wir bleiben dabei und motivieren uns gegenseitig."
Muskelberge aufbauen wollen sie nicht, aber die Kraft erhalten und vor allem auch die Beweglichkeit. Jürgen Bahls: "Ich bin ähnlich beweglich wie vor zehn Jahren. Ich bin vielleicht leistungsfähiger als andere Menschen in dem Alter, die nichts machen und ich mache das, um beweglicher und nicht steif zu werden. Also ich schleppe mich überhaupt nicht hin, ich freue mich jeden Mittwoch drauf und jetzt habe ich ja Zeit und überlege, ob ich zweimal her gehe."
Die Sportwissenschaftler sind sich einig: Zwei bis drei Trainingseinheiten in der Woche sind optimal, um den Körper fit zu halten.
Was nicht genutzt wird, verkümmert
Professor Ingo Froböse, der Leiter des "Zentrums für Gesundheit durch Sport und Bewegung" der Sporthochschule Köln, hat etliche Bücher zum Thema geschrieben. Er ist überzeugt davon, dass Training, um dem Kraftverlust entgegenzuwirken, für jeden Menschen wichtig ist.
"Aber das hängt nicht mit dem Alter zusammen, muss man ganz klar sagen, es ist ausschließlich dadurch bedingt, dass der Organismus nicht mehr ausreichend stimuliert wird, denn die Muskeln haben ein Problem: 'Use it or lose it' – nur was genutzt wird, entwickelt sich. Was ungenutzt wird, verkümmert. Das bedeutet, dass es keine normale Entwicklung ist, dass wir immer schlechter in der Leistungsfähigkeit werden im Alter – Nein, das hängt nur mit der Nutzung zusammen – außer bei der sogenannten Sarkopenie."
Sarkopenie ist ein Syndrom altersbedingten Muskelschwunds bei dem der Verlust von Muskelmasse und Muskelfunktion beschleunigt von statten geht und das der Wissenschaft noch einige Rätsel aufgibt.
"Bei der sogenannten Sarkopenie wissen wir, dass ab dem 60. Lebensjahr es zu morphologischen Veränderungen an der Übertragung an der Fläche der Übertragung an der motorischen Endplatte – so nennen wir das - zwischen Nerv und Muskeln kommt. Dort, wo der Nerv auf dem Muskel trifft, dort gibt es mit dem Alter Veränderungen und diese gilt es in den Griff zu bekommen. Wir wissen noch immer nicht 100 Prozent, warum das so ist, wir wissen aber, dass 'Nutzung' dieses Phänomen der Sarkopenie und damit der Veränderung an der motorischen Endplatte deutlich reduziert."
Genügend Gründe für Krafttraining im Alter
Auch wenn noch viele Fragen ungeklärt sind, dem Krankheitsbild sollte auch mit Krafttraining begegnet bzw. vorgebeugt werden. Ohnehin steht auch bei vielen anderen altersbedingten Problemen der Nutzen eines entsprechenden Krafttrainings außer Frage.
"Einmal wird die Muskulatur kräftiger, das heißt die Muskelzelle bekommt mehr Eiweißmoleküle eingelagert, ihr Quark wandert also in die Muskelzelle und dadurch ist mehr Masse da, um die Muskelkontraktion durchzuführen", erklärt Sportwissenschaftler Feldt. "Das ist das eine, das zweite ist das die Sehne, die den Muskel mit dem Knochen verbinden, kräftiger wird, und das dritte ist, dass der Knochenansatz besser wird, also wenn sie Osteoporose haben, ist Krafttraining die Methode der Wahl, aber man darf es nicht übertreiben. Und natürlich wird auch das Blutsystem positiv beeinflusst, durch moderates Krafttraining erweitern sich die Blutgefäße, wenn man das Krafttraining richtig durchführt und dann ist der Blutfluss verbessert."
So kann auch Arteriosklerose vorgebeugt werden. Es gibt also genügend Gründe, auch im Alter noch mit dem Krafttraining anzufangen.
"Wichtig ist, dass die Menschen sich dort abholen, wo sie sind, also keine Zentnerlasten stemmen und meinen, sie werden nun noch mal Herkules, das ist auch gar nicht erforderlich, sondern mit ganz moderaten Übungen, da gibt es viel Literatur, ganz einfache Übungen, die allerdings regelmäßig durchführen: 2-3 Mal die Woche zur Muskelkräftigung, bei Männern auch zur Muskeldehnung. Es ist außerordentlich wirkungsvoll und hält letztendlich den gesamten Körper incl. des Gehirns jung."
Muskeltrainig hilft auch bei der Sturzprophylaxe
Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Muskelfasern: Rote Muskelfasern die für langsame und statische Bewegungen gebraucht werden, also zum Beispiel auch beim aufrechten Sitzen oder beim Halten von leichten Gegenständen. Und weiße Muskelfasern, die für schnelle explosive Bewegungen mit hohen Belastungen gebraucht werden. Diese kommen auch zum Einsatz, wenn man stolpert, einen schnellen Ausfallschritt macht und mit einen Bein den Körper abfangen muss.
"Das setzt aber voraus, dass ich eben Schnelligkeit und höhere Lasten auch schon mal im Training geübt habe", betont Ingo Froböse. "Das kommt nicht von alleine. Und dann habe ich eine Sturzprophylaxe eben nicht nur in Situationen, die ich kontrollieren kann, sondern gerade in den unvorhergesehenen Situationen. Dafür brauche ich diese Muskulatur. Die hilft mir dann, sicher durch die Umwelt zu kommen."
Dieser reflexartige Einsatz der Muskulatur hat natürlich auch viel mit einem guten Gleichgewichts- und Körpergefühl zu tun. Um dieses zu trainieren, gibt es einige Möglichkeiten zusammen mit einem Partner oder auch allein zu Hause.
Auf einem wackligen Brett
"Also wenn sie beispielsweise einen Tennisball unter einen Fuß legen, beide Fersen anheben, in Schrittstellung sind und ihr Körpergewicht auf den Tennisball verlagern, dann fängt das ganz fürchterlich an zu wackeln, " so Sportwissenschaftler Feldt. "Wenn sie das zehn Mal 30 Sekunden machen, dann wackelt es nicht mehr. Dann haben sich die Reflexe im Körper, das Zentral-Nervensystem angepasst und das Gehirn spielt immer mit und bleibt jung, weil es aktiv ist dabei."
Das Stehen auf wackeligen Untergründen oder auf einem Bein wird auch als sensomotorisches Training bezeichnet. Studien belegen den Nutzen. Einmal zum Kraftaufbau, aber auch zur Verbesserung des Zusammenspiels von Nerven, Muskulatur und dem Gehirn. Im Sportgesundheitspark ist das ein wichtiger Bestandteil des Trainings.
"Sie nehmen sich bitte zu zweit eine Matte, ein Pad, und ein Brett…"
Jeweils ein Partner stellt sich auf das wackelige Brett und hält sich an den Schultern des anderen fest. Nun wird versucht, kontrolliert das Gewicht hin und her zu verlagern – das hat etwas von Ski oder Skateboardfahren und macht der Gruppe sichtlich Spaß. Bei dieser Übung geht es um Gleichgewicht und Koordination und die Kräftigung der Beine.
"Sie nehmen die Hände, gehen in die Kniebeuge, machen die Augen zu, dann einhändig, dann kein händig und balancieren…"
Muskelgewebe verbrennt dauerhaft Kalorien
"Und jetzt sind sie dran: Übungen für sofort und überall von Sportwissenschaftler Ingo Froböse."
Der Professor erklärt: "Meine Lieblingsübung ist die klassische alte Kniebeuge. Squat wird die heute modern genannt. Also, was macht man? Am besten vielleicht einen Stuhl als Orientierung und dann, Beine schulterbreit und dann steht man auf, geht in den Stand hoch, geht wieder runter, berührt ganz kurz mit dem Popo die Sitzfläche und geht wieder hoch und macht das ganz kontinuierlich auf und ab. So lange, bis die Oberschenkelmuskulatur langsam anfängt zu brennen, also müde zu werden, das spürt man. Was trainiert man hier? Man trainiert quasi die gesamte Beinmuskulatur. Die Wade, die Oberschenkel und das Gesäß und genau das müssen wir tun. In der Anfangsphase müssen wir alle Muskelgruppen trainieren und je größer sie sind umso besser ist das. Also Übung Nummer eins die Kniebeuge."
Wer Kraft trainiert und Muskulatur aufbaut, der verbraucht mehr Energie und steigert auch den Grundumsatz seines Körpers. Denn anders als Fettgewebe verbrennt Muskulatur ständig Kalorien. Nicht nur bei körperlicher Arbeit und Sport, sondern auch in Ruhe und im Schlaf. Ein Effekt, der auch für Diabetiker interessant ist, wie Sportwissenschaftler Volkmar Feldt erklärt:
"Das ist das elementare Mittel, denn der Skelettmuskel verbraucht im wesentlichen initial Zucker, wenn Sie Kraftübungen durchführen. Und die Menschen, die Diabetes Mellitus Typ 2 haben, die haben ja einen gestörten Zuckerstoffwechsel und die Muskelzelle fängt dann sofort mit jeder Kontraktion an, Zucker zu verbrauchen. Und auch der Gegenspieler dieses Zuckerspiegels, wenn man das so sagen darf, das Insulin, die Sensibilität des Muskels für Insulin nimmt zu – also die Gesundheitsmaßnahme schlechthin."
Ästhetische Gründe sollten keine Rolle spielen
Beim Krafttraining im Alter geht es in erster Linie darum, das Wohlbefinden des Körpers zu steigern und seine Mobilität zu erhalten. Ästhetische Gründe und ein athletischer Körper der für viele junge Menschen Hauptmotivation ist, sollte hier keine Rolle spielen.
"Man richtet sich nach seinem persönlichen Empfinden und wenn man meint, ich könnte ja noch ein paar Wiederholungen machen, dann reicht das völlig aus."
"Und jetzt sind sie dran: Übungen für sofort und überall von Sportwissenschaftler Ingo Froböse."
Der Professor: "Übung Nummer zwei: Das Pendel. Ich bleibe wieder sitzen, setze mich vorne auf die Stuhlkante und trainiere jetzt Bauch- und Rückenmuskulatur. Was mache ich? Ich beuge mich mit dem Oberkörper aus dem Sitz einfach nach vorne, soweit, dass ich fast meinen Oberkörper auf den Oberschenkeln ablegen kann, halte kurz, gehe wieder hoch und lehne mich so weit wie es geht zurück, ohne die Lehne zu berühren – wie ein Pendel vorwärts und rückwärts."
Besser Muskelketten trainieren
Derzeit setzten immer mehr Sportler und Therapeuten auf sogenanntes funktionelles Training, also Kraftübungen mit dem eigenen Köpergewicht: Kniebeugen oder Liegestütz.
So werden Bewegungen und Muskelketten trainiert und nicht isoliert einzelne Muskeln. Das kommt alltäglichen Belastungen am nächsten. Wer einen Getränkekasten hebt, der beansprucht nicht nur die Oberarme, sondern ebenfalls die Beine, den Rücken oder die Schultern. So ist das auch im funktionellen Training.
"Und jetzt sind sie dran: Übungen für sofort und überall von Sportwissenschaftler Ingo Froböse."
Professor Froböse: "Übung Nummer drei: Und zwar bleibe ich wieder auf dem Stuhl sitzen und nehme die Arme ganz weit nach oben und lehne mich ganz weit hinten über die Lehne um den Bauch zu dehnen – das braucht der Bauch, um nicht so zusammengekauert, so sitzen wir ja oft, wieder in die Länge zu ziehen. Das hilft auch gegen Rückenschmerz – also ganz weit nach hinten lehnen, ziehen in der Bauchmuskulatur verspüren und das Ganze zwei bis dreimal wiederholen."
Egal ob im Fitnessstudio an Maschinen oder beim Training zu Hause oder in einem Kurs: Wichtig ist, dass man sich auf die Bewegung konzentriert und sie sauber und kontrolliert ausführt.
Vor dem Training zum Arzt
Wer lange keinen Sport getrieben hat, sollte sich vor dem Training von einem Arzt untersuchen und sich von einem Trainer oder Physiotherapeuten beraten und saubere Bewegungen zeigen lassen. Und: Man sollte es langsam angehen. Sportwissenschaftler Ingo Froböse spricht von fünf Stufen des Krafttrainings und empfiehlt als Einstieg leichte Übungen mit wenig Gewicht.
"Hier geht es darum, Bewegungen korrekt auszuführen, zu lernen, wie mache ich eigentlich die richtige Muskeltrainingsübung. Das ist die erste Stufe. Die zweite Stufe ist, in dem ich dann meine Kraftausdauer veroptimiere, also: Viele Wiederholungen, geringe Lasten um lokal positive Entwicklungen in der Muskulatur zu entwickeln. Mehr Durchblutung, die biochemischen Prozesse laufen ab."
Ist der Körper an die Bewegungen und die Belastungen gewöhnt, kann gezielt angefangen werden, Muskulatur aufzubauen.
"Dann betreibe ich im ersten Schritt ein Muskelwachstum, einige Wiederholungen, nicht zu viele, 15 bis 20 Stück, aber immer so, dass der Muskel brennt. Und erst die vierte Stufe ist dann hohe Lasten wenig Wiederholungen, viel Gewicht, weil erst dann ist der Körper vorbereitet, diese hohen Lasten zu tolerieren. Und dann in der fünften Phase, da nutze ich diese hohe Kraft diese neue Kraft in den verschiedensten koordinativen Situationen, indem ich dem Körper viele neue Situationen dem Körper aufbürde."
Die verschiedenen Muskelfasertypen anregen
Im funktionellen Training könnte das bedeuten: Erst Liegestütze an einer Wand oder am Tisch, dann auf dem Boden und am Ende sogar mit den Füßen auf einem Stuhl oder einarmig. Der Körper wird so immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt und passt sich an.
Im Sportgesundheitspark stehen Abwechslung und neue Herausforderungen ganz oben auf dem Trainingsplan. So werden auch die verschiedenen Muskelfasertypen angeregt und vor allem wird es nie langweilig und: Wer regelmäßig trainiert, der merkt, wie sich der Körper daran gewöhnt und will irgendwann auch die Bewegung.
"Wenn ich jetzt mal im Urlaub bin und das nicht mache, dann merke ich, dass mir was fehlt", sagt Barbara Bahls. "Das mir das schwer fällt, mich hinzuhocken und wieder hoch zu kommen, also diese Kleinigkeiten eigentlich. Ich finde, das muss eigentlich auch sein, dass man sich bewegt und sich kümmert. Und gerade etwas, das so vielfältig ist wie hier und nicht so, dass man eine spezielle Sache macht und anderes dann wiederum vernachlässigt."
Viele der Trainingsteilnehmer haben ihr Leben lang im Sitzen gearbeitet. Der Sport ist meist zu kurz gekommen. Als Rentner haben sie nun Zeit für das Training und Lust auf Aktivitäten in der Gruppe.
Einige Übungen kommen von Yoga und Pilates
Frau Stange kommt gemeinsam mit ihrem Mann zum Training. Sie hat lange nach etwas gesucht, das beide als sinnvoll empfinden:
"Ich mache Bauchtanz, das ist für den deutschen Mann eher lächerlich. Fahrradfahren mach ich ungern, er fährt gerne Fahrrad und dann wollten wir schwimmen – Aquafitness war auch nicht das Richtige. Und dann haben wir über Freunde, die hier seit 19 Jahren sind, haben wir den Tipp bekommen: Wenn ihr was zusammen machen wollt, dann kommt doch her und dann haben wir es angefangen vor einem Jahr und ich bin ganz glücklich."
Die Gruppe wechselt vom Kraftraum in die Turnhalle. Nach einigen Koordinationsspielen mit Tennisbällen, werden Gymnastikmatten ausgerollt und es geht an Kraft- und Dehnübungen mit dem eigenen Körpergewicht. Die Männer und Frauen liegen auf dem Rücken, ziehen die Beine an und stellen die Füße auf die Matte.
"Dann heben Sie bitte das Gesäß an, federn mit dem Gesäß, federn mit dem Gesäß…", erklärt Volkmar Feldt. "Sie Können das präventive Stöhnen schon einbringen, die linke Fußspitze geht hoch tief und Sie müssten jetzt bereits eine Ermüdung spüren – wäre der Po angehoben (lachen) dann wäre die Ermüdung noch größer…"
Einige dieser Übungen sind dem Yoga und dem Pilates entlehnt und typische funktionelle Übungen, die nicht zuletzt für eine gute Körperspannung sorgen, Bauch- und Rückenmuskeln stabilisieren und so auch dabei helfen Rückenschmerzen vorzubeugen.
Nach den Mattan an die Eisen
"Jawohl, behalten aber die Kontrolle über die Bewegung..."
Auch wenn das Training der Bauch- und Rückenmuskulatur besonders wichtig ist, wird im Sportgesundheitspark darauf geachtet, dass keine Muskelgruppe ausgelassen wird. Das sollte auch für das selbständige Training berücksichtigt werden. Sinnvolles Krafttraining - das bedeutet ein harmonisches muskuläres Gleichgewicht im ganzen Körper.
"Übungen für jetzt und überall von Sportwissenschaftler Ingo Froböse."
Und weiter: "Übung Nummer vier dient den Armen. Wenn man einen Stuhl mit Lehnen hat, stellt man beide Arme auf die Lehnen und stützt sich hoch und geht langsam wieder runter, bis man so gerade Kontakt zur Sitzfläche hat und stützt sich wieder auf und ab. Das ist gerade auch für den hinteren Bereich des Armes, also für die Stützfunktion eine sehr wichtige Übung, weil dann komme ich aus jeder Situation, also auch gerade, wenn ich aus einem tiefen Sessel wieder aufsteigen möchte, komme ich sehr schön wieder raus. Heißt also: Ein Stuhl mit Lehne, ein sicherer Stuhl aber auch ein Sessel hilft und trainiert sehr schön die hintere Seite der Oberarme."
"Matten weg und wir gehen dann rüber an die Eisen."
Sich kraftvoller fühlen
In der letzten Station des Trainingstages geht die Seniorengruppe in den Kraftraum und an die Maschinen. Mit ihren Trainer haben sie genau besprochen, wer welche Übungen und mit welchem Gewicht durchführt. Einige setzen sich in die Geräte für die Beinmuskeln, andere in die Schulterpresse, die Arm-, Bauch- oder Rückengeräte. Jürgen Bahls und auch der 78-jährige Ingolf Schmoll sind wie all die Anderen voll konzentriert und sehr ehrgeizig dabei:
"Es macht grundsätzlich Spaß, die Geräte zu beherrschen und zu benutzen und zu spüren, dass der Körper sich dabei bewegt, das ist schon eine Befriedigung", sagt Jürgen Bahls. "Ich glaube, dass bei so einem Krafttraining die Kondition gestärkt wird und vor allen Dingen die gesamten Muskeln, von den Fußmuskeln, bis zu den Armmuskeln, bis zu den Nackenmuskeln und schlussendlich sind das dann doch die Muskeln, die das Skelett aufrecht erhalten, womit man sich dann insgesamt etwas kraftvoller fühlt und diese körperlichen Übungen, die sind natürlich auch gut nicht nur für den Körper, sondern auch für den Geist."
"Und jetzt sind sie dran: Übungen für sofort und überall von Sportwissenschaftler Ingo Froböse."
Und weiter: "Und die letzte Übung, das kann man auch ganz einfach machen, man steht auf, geht zu einem Tisch, stellt beide Hände auf die Tischkante auf geht ungefähr mit den Füßen einen Schritt zurück und dann macht man einen aufrechten Liegestütz, Push-up heißt das ja heutzutage, und kräftigt damit die Brustmuskulatur, Armmuskulatur und teilweise auch die Rückenmuskulatur im oberen Bereich."
Deutliche Trendwende im Seniorensport
Im Seniorensport ist in den letzten Jahren eine deutliche Trendwende festzustellen. Das Krafttraining nimmt einen immer wichtigeren Stellenwert ein. Sportmediziner, Wissenschaftler und aktive Senioren sind überzeugt von seinem gesundheitlichen Nutzen.
"Also, weil ich einfach merke, dass es toll ist, dass es mir gefällt und das es mir gut tut", sagt Barbara Bahls. "Es ist einfach schon gut, den Körper oder die Muskeln des Körpers fit zu halten und zu stärken."
"Doch wie bei jedem Sport beginnt die Bewegung im Kopf", meint Ingolf Schmoll. "Zunächst muss nämlich erst mal der innere Schweinehund überwunden werden."
Aber dieser Schritt der Selbstüberwindung ist möglich und sinnvoll.
"Und der wichtigste Garant, vor dem Pflegeheim davonzulaufen, ist das Training der Muskulatur", so Ingo Froböse. "Weil es sie selbstständig hält und mobil hält und das kann man den Menschen glaube ich relativ schnell präsent machen."
Volkmar Feldt ergänzt: "Der Mensch ist bis zum letzten Lebenstag trainierbar und sollte dies auch tun."