Wilfried Bommert, Christina Sartori: "Stille Killer. Wie Big Food unsere Gesundheit gefährdet"
S. Hirzel Verlag, 2022
240 Seiten, 20 Euro
Krankmachende Ernährung
Zucker, Fett, Salz - die Tiefkühlpizza rangiert unter den Dickmachern ganz oben. © picture alliance / FotoMedienService / Ulrich Zillmann
Wie in Lebensmittellaboren "Stille Killer" entstehen
07:53 Minuten
Die Weltbevölkerung wird immer dicker – und dadurch immer kränker. Schuld sei die Lebensmittelindustrie: Deren Fertiggerichte seien voller Dickmacher mit hohem Suchtpotenzial, sagt die Journalistin Christina Sartori, die auch Co-Autorin eines Buchs darüber ist.
Die Coronapandemie lässt vergessen, dass im Hintergrund eine andere, weltweite Krankheit lauert, die ebenfalls schwere Schäden verursachen, körperlich wie finanziell: Adipositas – Fettleibigkeit.
Zahlreiche Studien beschäftigten sich in den zurückliegenden Jahren mit Übergewicht und ungesunder Ernährung. 2030 wird es auf dem Globus an die 3,3 Milliarden adipöse Menschen geben, haben etwa Forscherinnen und Forscher der Tulane University in New Orleans errechnet.
Zeitbomben mit Suchtpotenzial
Sehr viele dieser Fälle sind auf sogenanntes ultra-processed food – deutsch: stark verarbeitete Lebensmittel – zurückzuführen. Dazu gehören Fertiggerichte, alle Arten von Süßigkeiten und Deftig-Fettiges wie Burger, Fritten oder Chips.
Das Fiese an diesen Nahrungsmitteln ist: Sie werden durch eine ausgeklügelte Zusetzung von Zucker, Salz und Fetten in Lebensmittellaboren „scharf“ gemacht, entwickeln ein hohes Suchtpotenzial und werden so zur Zeitbombe für die Gesundheit. Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen gehören zu den Folgeerkrankungen jahrelangen Junkfoodkonsums.
Im Labor nimmt die Verführung ihren Anfang
Das Argument „Iss doch einfach weniger“ gehe am eigentlichen Problem vorbei, wenn Nahrung so verarbeitet werde, dass sie mehr oder weniger süchtig mache, sagt Christina Sartori. Die studierte Biologin und Wissenschaftsjournalistin ist Co-Autorin des Buches „Stille Killer. Wie Big Food unsere Gesundheit gefährdet“ und hat über die raffinierten Praktiken der Lebensmittelindustrie recherchiert.
Demnach nimmt die Verführung zum gesundheitsgefährdenden Essen in den Laboren ihren Anfang, vollendet wird sie durch eine ausgeklügelte Marketingstrategie. Diese suggeriere den Konsumenten oftmals, sie nähmen etwas Gesundes/Fettarmes/Zuckerarmes zu sich. Diese Strategie beginne schon bei der Nahrung für Kinder, die so gezielt an zuckerreiches Essen gewöhnt würden, kritisiert Sartori.
Aber haben Verbraucher nicht auch ein Stück Selbstverantwortung, wenn es um die Entscheidung geht, was in ihrem Einkaufskorb landet? „Aber sie werden ja so fies beeinflusst. Man darf die Werbung nicht unterschätzen“, sagt die Journalistin. Eine gezielte, gut sichtbare Information über Risiken und Nebenwirkungen suche man dagegen meistens vergebens.
Vorbildliche Informationen in Chile
Doch es gebe gute Beispiele aus anderen Ländern, wie dort versucht werde, Verbraucherinnen und Verbraucher auf die Dickmacher aufmerksam zu machen, die sie zu sich nehmen, zum Beispiel in Chile:
„Die hatten auf Produkten, in denen zu viel Zucker war, ein großes, schwarzes Symbol vorne auf der Packung. Und dort steht drauf: ‚Zu viel Zucker‘. Und auf einer anderen Packung steht drauf: ‚Zu viel Fett‘. Das ist groß, das ist schwarz, das sieht man – da weiß man, was man kauft.“
Daran könnte sich Deutschland, ihrer Meinung nach, ein Beispiel nehmen. Aus ihrer Sicht sollte die Politik beziehungsweise der Staat eine Mitverantwortung tragen und strengere Vorgaben machen. Dass das letztlich etwas bewirke, zeigten die Einschränkungen und Verbote bei Tabakwerbung.
Adipositas kostet die Gesundheitssysteme Milliarden
Denn: „Selbst die Weltgesundheitsorganisation sagt: Das ist eine Epidemie … Diese Adipositas, dieses schwere Übergewicht, das wird uns alle erdrücken.“ Die Menschen, die dann darunter leiden werden. Aber auch das Gesundheitssystem durch die Kosten, die dadurch entstehen. „Wissenschaftler haben festgestellt, das wird demnächst Milliarden von Euro kosten.“
(mkn)