Geniale Ideen in schwierigen Zeiten
30:14 Minuten
Ein Spargelbauer vermietet Felder an Privatleute. Fußballfans kommen als Pappkameraden ins Stadion. Starköche kochen für Kassiererinnen und Kulturschaffende gründen Guerillas. Not macht erfinderisch. Vier kreative Ideen in Krisenzeiten.
Spargelbauer Arvid Schmidt-Heck hat wie viele Unternehmer in diesen Wochen ein Problem. Er will irgendwie überleben und nicht Insolvenz anmelden müssen wie der Spargelhof ein paar Dörfer weiter. Doch es sind viel zu wenig Erntehelfer da. Was also tun? Der Thüringer vermietet seine Spargeldämme einfach.
Bei 75 Cent pro Meter Spargel kommen beide Seiten auf ihre Kosten. Die Genossenschaft, aber auch die Mieter. Und das sind Leute wie du und ich. Rentner mit Enkeln, Familien. Sie alle finden in erster Linie die Idee gut und wollen helfen. Dafür nehmen sie die Rückenschmerzen in Kauf.
Not macht erfinderisch, dieses Sprichwort bewahrheitet sich gerade. Nicht nur in Thüringen, überall in Deutschland sprießen kreative Ideen. Ingo Müller, Filmemacher aus Berlin hatte auch so eine. Die kam ihm Mitte März, kurz bevor die Bundesliga abgebrochen wurde.
11.000 Pappkameraden in Wartestellung
"Da saß ich mit meiner Frau in Quarantäne in der Küche, und ich habe mich wie ein Rohrspatz darüber aufgeregt, dass ich nicht zum Borussia-Spiel gegen Frankfurt fahren konnte", erinnert er sich. "Ich war wirklich richtig sauer, und irgendwann hat meine Frau dann einfach zu mir gesagt: Wenn das jetzt so weitergeht, dann machst du einfach ein Foto von dir, druckst es aus und dann hängst du dich irgendwie ins Stadion und dann bist du irgendwie dabei."
Daraus entstand die Idee mit den Pappkameraden. Statt leerer Ränge wollen die Fans hier dabei sein: Als Pappgesicht in der Kurve. Und das Ganze noch für einen guten Zweck. Die Hälfte des Erlöses wird gespendet. Innerhalb von 24 Stunden gingen die ersten tausend Bestellungen bei Müller ein, mittlerweile sitzen 11.000 Pappkameradinnen und Pappkameraden im Stadion in Mönchengladbach und warten auf ihr erstes Geisterspiel. Das Verrückte dabei: Die meisten Fans wollen diese gar nicht.
"Es ist wirklich ein Paradoxon, dass wir gegen Geisterspiele sind, weil wir nicht daran glauben, dass es so funktioniert wie ein normales Fußballspiel. Und das soll ein klein wenig daran erinnern, dass Fußball ohne Fans nicht funktioniert", erklärt Ingo Müller.
Wurstgulasch statt Entrecôte
Extrem gebeutelt von der Krise sind auch die Gastronomen. Aber dennoch kochen einige von ihnen weiter, auch wenn weder Gäste kommen, noch Umsatz zu erwarten ist. So verwendet ein Berliner Starkoch seine edlen Zutaten jetzt eben für Wurstgulasch statt Entrecôte und serviert das Ergebnis nicht einem erlesenen Publikum, sondern den Heldinnen und Helden des Alltags in der Coronakrise. Und denen schmeckst´s.
Zu solchen Alltageshelden gehören auch Müllmänner. Und als die am vergangenen Donnerstag in München nichtsahnend pünktlich um acht die Mülltonnen holen wollten, da jubelte ihnen die ganze Straße aus den Fenstern und auf dem Bürgersteig zu. Max und Kevin, zwei riesige Kerle in den orangefarbenen Kitteln der Müllabfuhr, waren den Tränen nahe.
"Das berührt mich jetzt schon sehr", sagt einer der beiden. "Wir haben Schokolade und Blumen bekommen! Bin jetzt seit vier Jahren dabei. Sowas habe ich auch noch nicht erlebt!"
Unvergessliche Momente - auch nach Corona
Unten auf der Straße tanzen derweil drei Hasen mit einer blauen, einer gelben und einer orangenen Maske. Markus, Vreni und Chris. Sie stecken hinter der Aktion, sind das Künstlerkollektiv "Rabbits in Movement". Und weil viele Ordnungsämter und andere Behörden gerade ein Auge zudrücken, entfaltet sich vielerorts Kreativität wie bei solchen Guerilla-Aktionen.
In München jedenfalls wurde eine Stunde getanzt und gefeiert – coronakonform mit dem gebührenden Abstand. Eine Stunde später war die Party dann vorbei. Aber niemand, der sie erlebt hat, wird sie vergessen. Auch nach Corona nicht.