Das Bedürfnis nach Kunst und Kultur wächst
Trotz Krise gibt es in Griechenland nach wie vor Kunst- und Kulturprojekte. Oder vielleicht gerade deshalb: "Der Schmerz in der Gesellschaft hat den Weg für die Kunst frei gemacht", sagt der Schauspieler Alexander Moukanos.
Ein ungewöhnlicher Abend für die Insassen des "Diabata"-Gefängnisses in Thessaloniki. Geschichten rund um und über Thessaloniki aus den vergangenen fünf Jahrzehnten. Drei Schauspieler des Königlichen Theaters von Thessaloniki lesen vor und singen Lieder. Sie erzählen von Menschen, die in ihrer Stadt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gelebt haben. Oder auch wie impulsiv und lebendig das Stadtleben noch kurz vor Ausbruch der Krise im Jahr 2008 gewesen ist. Geschichten, die von einer überwältigenden Aufbruchsstimmung handeln. Und Hoffnung machen auf ein besseres Morgen.
Wenn die Menschen nicht mehr zur Kunst kommen, muss die Kunst zu den Menschen
Die Schauspielerin und stellvertretende Leiterin des Nationaltheaters Eleni Tsima, beschreibt die Idee, hinter der das Projekt gestanden hat.
"Wir suchen uns spezielle Räume aus, die etwas symbolisieren. Die Gefängnisse stehen für das Ausgeschlossen sein. Sinnbildlich repräsentieren sie etwas, in dem wir alle im Augenblick stecken.
Wenn dir als Bürger jeglicher Zugang zur Bildung verwehrt wird, weil die Gelder ständig gekürzt werden, oder wenn du keine Möglichkeit hast an der Kultur deines Landes teilzunehmen, weil du keine Eintrittskarte mehr kaufen kannst, dann fühlt du dich, wie im Gefängnis.
Wir sind als Künstler der Ansicht, wenn du nicht mehr zur Kunst gehen kannst, dann muss die Kunst eben zu dir kommen. Ich glaube fest daran, dass man durch die Kunst wieder Trost finden kann."
"Wenn es Reichtum gibt, verarmt die Kunst"
Einer, der noch einen Schritt darüber hinaus geht, ist Schauspieler Alexander Moukanos. Er beschreibt sich selbst und seine Kollegen als Kamikazen, weil sie in den vergangenen fünf Jahren unter extremen finanziellen Engpässen versucht haben, weiter Kunst zu machen:
"Wenn es Reichtum gibt, dann verarmt die Kunst. Damit es mit der Kunst aufwärts geht, muss es eine Sehnsucht, einen Schmerz geben. Deshalb haben wir in der Krise eigentlich besser gespielt. Wir sind aktiver geworden, weil wir das Bedürfnis hatten uns noch intensiver über die Kunst auszudrücken. Die Zuschauer hatten ebenso ein größeres Bedürfnis danach, weil die Kunst auf einmal ihren Alltag wiederspiegelte. So hat der Schmerz in der Gesellschaft den Weg für die Kunst erst frei gemacht."
Die Künstler stehen vor extremen finanziellen Hürden
"Ich glaube es ist meine beste Ausstellung, weil ich noch nie so viel Freude dabei empfunden habe", behauptet Künstelerin Eleni Theofillaktou über ihre Ausstellung in Athen. Zu sehen sind Werke, die sich mit Emily Dickinsons Gedichten und Tagebuchaufzeichnungen auseinandersetzen, anlässlich des 185. Geburtstags der Schriftstellerin. Organisiert vom griechisch-amerikanischen Verein und dem Hellenic American College in Athen. Bei dieser, wie sie selbst sagt, "Ausstellung der Krise", überwand Künstlerin Eleni Theofillaktou wieder einmal finanzielle Hürden. Denn Geld hat sie auch dieses Mal, wie so oft in den letzten Jahren, nicht bekommen.
"Wenn Sie mich fragen, ob sich das lohnt? Der Ausdruck 'es lohnt sich' bedeutet im Griechischen 'sinferi', was aus den Altgriechischen stammt und eben 'das was Freude bringt' bedeutet. Ergo: Das Ganze lohnt sich für mich, weil es mir Freude bringt."
Puppen basteln für Flüchtlingskinder in Idomeni
Von einer ganz anderen Freude berichtet in diesen Tagen eine andere junge Schauspielerin aus Thessaloniki. Stavroula Arabatzoglou spielt die Woche über Theater, aber an den Wochenenden fährt sie gemeinsam mit einigen Kollegen nach Idomeni, an der Grenze zu Mazedonien. Bei großer Kälte bastelt sie mit Flüchtlingskindern in einem Zelt kleine bunte Puppen aus Pappe, Wolle, Stoff und Holz. Für die Kinder ist es ein kurzer Moment von Glück auf ihrem langen Weg in die Freiheit. Für die junge Schauspielerin eine unvergessliche Erfahrung:
"Ich bin mir ganz sicher, dass alle Menschen, die nur annähernd etwas mit den geistigen oder künstlerischen Dingen im Leben zu tun haben, immer helfen würden. Aber es ist eben die Krise, die uns alle momentan dabei unterstützt zu ertragen oder Grenzsituationen auszuhalten. Und wenn sich später auch nur ein einziges Kind daran erinnern sollte, dass es mal Menschen gegeben hat, die mit ihm gefühlt haben, hat sich diese Aktion gelohnt."