Keimzelle der Tumorbekämpfung
Mit vielen klugen Köpfen an einem wichtigen Problem arbeiten – das war die Idee, die vor 50 Jahren zum Deutschen Krebsforschungszentrum führte. Inzwischen sind zwei Nobelpreise nach Heidelberg gegangen. Und die Pläne für die Zukunft bleiben ambitioniert.
In den 60er-Jahren war Krebs noch eine rätselhafte Krankheit. Warum werden aus gesunden Zellen bösartige, die sich ungebremst teilen? Die Wissenschaft wusste darauf keine Antwort.
"Das war eine Zeit, wo man natürlich noch relativ wenig über Krebs verstanden hat."
Ein Motiv für die Gründung des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg, so der heutige Leiter des DKFZ Otmar Wiestler, war die Erkenntnis:
"Da kommt ein immer größeres Problem mit Krebserkrankungen auf uns zu."
Immer mehr Menschen erkrankten an Krebs. Und die Heilungsaussichten waren schlecht. Mediziner konnten gerade einmal etwa jeden fünften Patienten dauerhaft heilen. Eine Großforschungseinrichtung nach dem Modell der US-amerikanischen "Cancer Centers" sollte helfen, Krebs besser zu verstehen.
"Wie kann man ihn besser erkennen? Wie kann man ihm vorbeugen? Und das sind auch die beiden großen Aufträge, die das DKFZ bis heute hat."
Nach seiner Einweihung am 31. Oktober 1964 wuchs das Deutsche Krebsforschungszentrum schnell an, inzwischen arbeiten fast 3.000 Menschen aus 60 Nationen in Heidelberg. 1977 trat das DKFZ der Deutschen Forschungsgemeinschaft bei, seit 2001 ist es Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
Wie wirken sich giftige Stoffe auf das Verhalten von Zellen aus? Warum beginnen Krebszellen zu wandern und Tochtergeschwülste zu bilden? Lässt sich eine Krebszelle wieder in eine normale sterbliche Zelle verwandeln? Das DKFZ erforschte vor allem grundlegende Probleme der Tumorbiologie. Sehr schnell wurde aber wurde ein Geburtsfehler der Großforschungseinrichtung deutlich: Das DKFZ besitzt keine eigene Klinik.
"Das Deutsche Krebsforschungszentrum arbeitet bisher in der Krebsgrundlagenforschung. Und wir haben auch in der ganzen Welt und hier schon sehr viele Ergebnisse, die wir im Experiment am Versuchstier gewonnen haben."
Krebsbehandlung mit Ärzten unterschiedlicher Disziplinen
So fordert Klaus Munk vom DKFZ schon Anfang der 70er-Jahre in einer Radiosendung:
"Und jetzt müssen wir diese Ergebnisse in die klinische Forschung umsetzen zugunsten des krebskranken Patienten. Und hierzu ist eine sehr enge Zusammenarbeit mit den Kliniken und mit den Klinikern notwendig."
Diese Zusammenarbeit nimmt seit einigen Jahren Konturen an: So hat das DKFZ 2004 gemeinsam mit der Universitätsklinik Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe das "Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg" gegründet. Hier werden Patienten nach dem neuesten Stand der Medizin und von Ärzten der verschiedenen Fachgebiete gemeinsam behandelt. Und – neuerdings – gibt es eine enge Zusammenarbeit mit sieben deutschen Universitätskliniken: Auch das "Deutsche Konsortium für transnationale Krebsforschung" hat das Ziel, Behandlung und Forschung besser miteinander zu verzahnen. Der Erfolg allerdings ist nicht garantiert. Oft dauert es Jahrzehnte, bis eine wissenschaftliche Entdeckung sich als richtig und nützlich erweist.
Oktober 2008. Die Mitarbeiter am DKFZ feiern ihren damaligen Chef Harald zur Hausen. Gerade war bekannt geworden, dass er den Nobelpreis für Medizin erhält. Für die Entdeckung, dass Warzenviren Krebs verursachen können: Gebärmutterhalskrebs.
"Die Nachricht kam für mich überraschend heute um Viertel vor Elf per Telefon. Und ich bin immer wieder gefragt worden, wie ich mich gefühlt habe. Ich kann Ihnen nur sagen, ich habe mich gefreut."
Anfang der 70er Jahre bereits hatte zur Hausen begonnen, Beweise zusammenzutragen, für seine Hypothese, dass bestimmte, sexuell übertragbare Warzen-Viren gefährlich sind - auch gegen Widerstände in der Wissenschaft.
"Sie hat sich Gott sei Dank als richtig erwiesen. Aber in der Zeit sagen wir zwischen 1972 und 1982 wurden diese Arbeiten eher mit großer Skepsis beobachtet."
Inzwischen gibt es Impfstoffe, mit denen sich Mädchen und junge Frauen vor einer Ansteckung mit besonders risikoreichen Warzen-Viren schützen können.
Auch ein frisch gekürter Nobelpreisträger forscht am DKFZ. Der Physiker Stefan Hell erprobt hier die von ihm entwickelten und mit dem Chemienobelpreis 2014 prämierten Mikroskopiertechniken.
Krebs zu verstehen und neue Behandlungsansätze zu entwickeln – hier hat es in den letzten Jahren Fortschritte gegeben. Ein Problem ist weiterhin ungelöst, sagt der Leiter des DKFZ Otmar Wiestler:
"Von den 500.000 Menschen, die jedes Jahr in Deutschland neu an Krebs erkranken, erkennt jeder zweite die Krankheit erst, wenn sie schon relativ weit fortgeschritten ist."
Deshalb wirbt das Krebsforschungszentrum für Früherkennungsuntersuchungen. Denn nach wie vor gilt: Je früher ein Tumor erkannt wird, umso besser sind die Heilungschancen.