Krebsvorsorge

Die künstliche Hundenase

Rembert Koczulla im Gespräch mit Ute Welty · 20.11.2013
Hunde können mit ihrer feinen Nase Krebs erschnüffeln. Ähnliches wollen Mediziner jetzt mit einer künstlichen Hundenase erreichen, sagt Lungenfacharzt Rembert Koczulla.
Ute Welty: So eine Hundenase ist eine feine Sache. Hunde können etwa eine Million Mal besser riechen als Menschen. Sie können sogar stereo riechen und Gerüche schmecken. Und all das befähigt sie dazu, auch Krebs beispielsweise zu erschnüffeln. Blöd nur, dass an einer Hundenase meistens noch ein Hund dranhängt. Bei Allergikern beispielsweise ist das gar keine gute Idee, und so hat sich der Lungenfacharzt Rembert Koczulla daran gemacht, quasi mit einer künstlichen Hundenase ohne Hund zu arbeiten. Guten Morgen!
Rembert Koczulla: Guten Morgen.
Welty: Die hat ja dann vor allen Dingen beziehungsweise das Gerät hat vor allen Dingen den Vorteil, man muss morgens nicht Gassi gehen.
Koczulla: Das stimmt. Aber es hat auch eine ganze Reihe von Nachteilen, zum Beispiel einen nicht ganz unwesentlichen Anschaffungspreis. Natürlich gibt es sicherlich auch teure Hunde, aber bei den Geräten liegen wir dann schon bei 10.000 Euro bis hoch zu 300-, 400.000 Euro. Da kommen wir mit dem Hund doch billiger.
Welty: Und es sieht wahrscheinlich auch nicht so niedlich aus wie ein Labrador oder ein Beagle. Wie sieht dieses Gerät denn überhaupt aus?
Koczulla: Es gibt unterschiedliche Anbieter, unterschiedliche Geräte demzufolge, von dem kleinen Handhelp-Gerät, was die Form eines überdimensionalen Handys hat, was man beispielsweise am Gürtel tragen kann, was auch für militärische Einsätze genutzt wird, um dort biologische Kampfstoffe zu erschnüffeln oder Biowaffen zu erschnüffeln, bis zu Geräten, die am Flughafen stehen, die groß sind, die unförmig sind, 1,5 Meter lang, 90 Zentimeter hoch, die einfach schlecht zu transportieren sind, aber dann den Vorteil haben, dass sie noch genauer sind, dementsprechend aber auch wieder den Nachteil haben, dass sie natürlich auch wieder störanfälliger sind. Jemand, der stark parfümiert an so einem Gerät vorbeigeht, kann das Gerät dann auch gerne mal für einen Tag außer Betrieb setzen, bis die Sensoren wieder freigespült sind.
Welty: Was kann man damit erreichen?
Koczulla: Die Idee ist, dass man tatsächlich Krankheiten oder Therapieverläufe erriechen kann. Was ist die Grundlage? Es gibt zwei Ansätze, oder ich möchte zumindest zwei Ansätze mal ganz kurz darstellen, wenn ich darf. Das ist einmal ein Ansatz über eine Mustererkennung. Wenn man sich vorstellt: da sind einige Sensoren drin, diese Sensoren reagieren auf die Stoffe in der Ausatemluft, wenn diese Stoffe an die Sensoren andocken, dann gibt es ein elektrisches Signal. Und die Idee dahinter ist, dass man, wenn man dieses elektrische Signal auf die Sensoren aufteilt, beziehungsweise jeder Sensor gibt dann dieses Signal ab, plastisch dargestellt Sensor zwei, Sensor fünf, Sensor 19 als ein Signal beim Asthma, dann ist die Idee, dass immer wieder dieses gleiche Signal bei der gleichen Erkrankung auftritt.
"Lernen, wo die Störanfälligkeit liegt"
Welty: Funktioniert das denn, wenn Sie sich verschiedene Asthma-Kranke anschauen?
Koczulla: Ja, wir sind ganz zufrieden mit den ersten Ergebnissen. Natürlich stehen wir noch ziemlich am Anfang, das muss man ganz klar sagen. Wir müssen erst mal lernen, wie das Gerät funktioniert, wo die Störanfälligkeit liegt, wie wir die Patienten tatsächlich auch auswählen müssen, oder was die Patienten vorher machen dürfen und was sie nicht machen dürfen. Sprich wir wollen, dass sie sich den Mund ausspülen, vorher eine Stunde lang nichts essen und nichts trinken, dann kein Kaugummi kauen und all solche Dinge. Die geben halt wunderbare Signale ab. Bis wir herausgefunden hatten, dass wir ein wunderbares Hygrometer haben, dass wir Feuchtigkeit über unsere Sensoren oder bei einigen der Sensoren messen, da sind auch einige Monate ins Land gegangen. Das klingt wunderschön in der Theorie, die Praxis zeigt dann auch, dass da eine ganze Reihe von Problemen mit auftauchen, die man erst mal lösen muss.
Welty: Und der zweite Weg der Erkenntnis, den Sie eben angedeutet haben?
Koczulla: Der zweite Weg ist die sogenannte Ionen-Mobilitäts-Spektrometrie. Das ist wie gesagt das Gerät, was am Flughafen steht. Klingt erst mal unförmig vom Begriff her, aber vom Verfahren her ist es so, dass in einer Kammer so ein Gemisch an Ionen aufgearbeitet wird, und das wird dann in eine zweite Kammer gegeben. In dieser zweiten Kammer müssen die Ionen gegen einen Gasfluss einen Weg zurücklegen und treffen dann auf faradaysche Platten auf. Das gibt ein Signal. Das heißt, je mehr auftreffen, desto größer ist das Signal. Und das Signal ist relativ charakteristisch, weil sie eben eine gewisse Zeit benötigen und in der Auswertung in einem ganz bestimmten Zeitplan liegen.
Dann kann man über eine Datenbank herausfinden, welcher Stoff das dann tatsächlich ist, und dann haben wir so wunderbare Namen wie Hexanon, Butanon, was auch immer das bedeuten mag. Man kann dann tatsächlich einen Stoff nennen oder ein Stoffgemisch auch aufarbeiten und kann sagen, dass diese Stoffe bei bestimmten Erkrankungen vorliegen, und dann ist sicherlich der nächste Schritt, den wir tun müssen, zu erkennen, warum diese Stoffe erhöht sind, was da für Stoffwechselprozesse ablaufen und warum jetzt ein Tumor oder ein Alzheimer-Erkrankter oder ein Lungenerkrankter diese Stoffe erhöht hat in seiner Ausatemluft. Da sind wir gerade dran.
Wir haben jetzt für einige Erkrankungen das Ganze schon schön herausgearbeitet, allerdings – das muss man auch immer wieder sagen – für kleine Patientenzahlen, so dass man noch nicht erwarten darf, wenn man jetzt das nächste Mal zum Arzt geht, dass da so ein wunderbares Gerät steht und der Arzt sagt: Wir verzichten heute auf die Blutentnahme, Sie pusten in das Gerät rein.
Hersteller "sind meistens kleine Startups"
Welty: Wann wird das ungefähr sein, dass dieses Gerät tatsächlich massenkompatibel ist?
Koczulla: Das kommt darauf an. Ich würde sicherlich erwarten, dass es fünf bis zehn Jahre noch dauert. Das ist in der wissenschaftlichen Welt gar nicht so lang. Aber es ist so, dass es immer von der Förderung abhängt, wie viel Spender, Geldspender können wir dafür begeistern, so was durchzuführen, wie stellt sich die Industrie dann auf. Die Firmen, die diese Nasen herstellen, das sind meistens kleine Startups, die können dann auch nicht den Markt mit Geräten überschwemmen, so dass wir Daten generieren können, sondern wir arbeiten hier in Deutschland mit wenigen Nasen an ganz, ganz wenigen Zentren.
Welty: Mit wenigen Nasen an wenigen Zentren – der Lungenfacharzt Rembert Koczulla arbeitet an einer künstlichen Hundenase, um Krankheiten zu erschnüffeln. Darüber hat er hier in der "Ortszeit" berichtet und dafür danke ich. Schönen Tag noch.
Koczulla: Ja, Ihnen auch. Danke schön.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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