Kretschmann will Wettbewerb mit "grünen Autos" anschieben
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) will sein Bundesland im Bereich Mobilität zum Musterland für Nachhaltigkeit machen. "Grüne" Produkte böten besonders der Automobilindustrie gute Chancen, sich international zu profilieren.
Jan-Christoph Kitzler: Die Politik, so hat man zurzeit das Gefühl, hechelt hinterher. Sie muss Löcher stopfen, schnelle Lösungen finden, auf die größeren und kleineren Katastrophen, die so passieren, reagieren, und da bleibt nicht viel Zeit für die Zukunftsfragen, für die wir aber auch Lösungen brauchen – irgendwann.
Eine dieser Fragen ist zum Beispiel: Wie wollen wir in Zukunft wirtschaften, so, dass es nachhaltig ist? Das ewige Wachstum ist vermutlich kein Erfolgsmodell für die Zukunft, auch, weil uns dieses Modell die Lebensgrundlagen entzieht; denken wir nur an die Umweltzerstörung, an ruinöse Staatsfinanzen oder an die Tatsache, dass immer mehr Menschen auf der Welt Hunger leiden.
Darüber kann man sich viele grundsätzliche Gedanken machen, man muss es aber irgendwann auch in praktische Politik übersetzen. Und wie das geht, das bespreche ich jetzt mit einem, der in der Verantwortung steht und der den Wandel organisieren will. Ich bin verbunden mit Winfried Kretschmann, dem grünen Politiker und Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Schönen guten Morgen, Herr Kretschmann!
Winfried Kretschmann: Guten Morgen!
Kitzler: Die berühmten Thesen des Club of Rome von den Grenzen des Wachstums, sie sind inzwischen 39 Jahre alt. Wie wichtig ist denn diese Erkenntnis, dass wir nicht endloses Wachstum haben können, für Ihre Arbeit?
Kretschmann: Ja, die ist sehr wichtig, und sie ist in den letzten Jahren spürbar aktuell geworden. Man hat auf der ganzen Welt gesehen, dass die Rohstoffpreise zum Beispiel bisher stark in die Höhe schnellen. Ja, zum Beispiel der Kupferpreis hat ein Allzeithoch erreicht – also die Thesen, die lange keine große Rolle mehr gespielt hatten, werden wieder aktuell.
Kitzler: Die Grünen wollen ja nichts weniger als den Umbau der Gesellschaft, zum Beispiel beim Thema Mobilität. Wie sehen Sie denn ihre Rolle bei diesem Umbau?
Kretschmann: Ja, wir wollen da eine führende Rolle einnehmen und Baden-Württemberg zum Musterland einer nachhaltigeren Mobilität machen, indem wir zum Beispiel die Verkehrsträger besser vernetzen, dass die Menschen sich vernünftiger verhalten bei ihrer persönlichen Mobilität. Das heißt, dass wir zu Fuß gehen, Rad fahren, Bus fahren, Zug fahren, Auto fahren, mit dem Flugzeug fliegen besser miteinander vernetzen.
Kitzler: Das heißt, Rahmenbedingungen schaffen, dass Menschen ein nachhaltiges Leben möglich ist?
Kretschmann: Ja, so ist es!
Kitzler: Gleichzeitig müssen Sie aber natürlich auch mit den wirtschaftlichen Realitäten leben. Baden-Württemberg ist ja das Autoland schlechthin, dort sitzen Daimler, dort sitzt Porsche, dort sitzen viele Zulieferbetriebe, und nun haben Sie ja gesagt – das Zitat ist inzwischen durch die Medien gegangen: "Weniger Autos sind besser!" Sägen Sie da nicht am Ast, auf dem Sie sitzen?
Kretschmann: Überhaupt nicht! Ich meine, es ist klar: Bei jeder S-Bahn, die wir bauen, ist das Ziel, dass Menschen vom Auto in die S-Bahn umsteigen, sonst ersticken wir ja auch in unseren Staus, die wir hier immer haben, und dann wird weniger Auto gefahren, dann werden weniger Autos in der Summe produziert. Aber im Kern geht es ja darum, dass die Autos umweltfreundlicher werden, also zum Beispiel der Spritverbrauch muss sich noch mal um 50 Prozent senken, und wir werden dann im Zukunft zum Beispiel Ein-Liter-Autos haben.
Das ist der Kurs, der gegangen werden muss, und solche Rahmensetzungen, die die Automobilindustrie in diese Richtung bewegen, die sind richtig und wichtig und sind gut für die Autoindustrie! Denn nur mit grünen Autos, also mit solchen, die viel weniger Sprit brauchen, wird man auf den Weltmärkten der Zukunft wettbewerbsfähig sein.
Kitzler: Als Landesvater sind Sie ja zuständig für alle Menschen in Baden-Württemberg, Sie müssen auch die Menschen überzeugen, die zum Beispiel bei Porsche arbeiten. Sie müssen aber auch natürlich die Vertreter der Wirtschaft überzeugen. Wie kommt denn eigentlich ihre Politik an, zum Beispiel beim Bundesverband der deutschen Industrie?
Kretschmann: Ich glaube, es ist so: Wenn man jetzt nicht nur irgendwelche Überschriften zitiert, sondern wirklich miteinander redet, dann sehe ich da keine großen Differenzen mit bei der Wirtschaft. Mit grünen Produktlinien, also Produktlinien, die weniger Energie und Ressourcen verbrauchen, kommt man genau in die richtige Richtung, stellt sich besser auf – und wir haben eine sehr gute Forschungs- und Entwicklungslandschaft in Baden-Württemberg mit guten Universitäten, aber auch entsprechenden Entwicklungsabteilungen in unseren mittelständischen Betrieben, und die profitieren von dem Kurs, weil sie haben dann die Nase vorn und können ihre Produkte besser auf den Weltmärkten durchsetzen.
Kitzler: Aber gleichzeitig kämpft ja zum Beispiel die Automobilindustrie für weniger strenge Umweltrichtlinien. Zum Beispiel gibt es eine neue Klassifizierung, die schwere Autos bevorzugt. Das steht doch ganz im Gegensatz zu dem, was Sie wollen!
Kretschmann: Das stimmt überhaupt nicht, sondern diese Richtlinie ist ein relatives Maß. Sie bevorzugt nicht einfach schwere Autos, sondern es nimmt darauf auch eine gewisse Rücksicht. Und wenn jemand einen Oberklasse-Wagen kaufen will, und er schaut auf die Liste, dann wird er ja nicht einen Kleinwagen kaufen. Diese Kennzeichnung ist relativ, zeigt dem Käufer, wie gut sein Fahrzeug verglichen mit anderen ist. Ich meine, das war ein Kompromiss, das hätte man besser machen können, aber es ist nicht so, dass es einfach eine Fehlinformation ist, sie ist nur nicht vollständig! Sie zeigt den absoluten Verbrauch der Autos nicht, und das ist ein Mangel an dieser Kennzeichnung.
Kitzler: Die Frage ist ja, wie man zu einer nachhaltigen politischen Kultur kommt auch. Also eine Diskussion über das reine Tagesgeschäft hinaus. Wie machen Sie das eigentlich in Ihrer täglichen politischen Arbeit?
Kretschmann: Wir Grünen haben uns 30 Jahre seit unserer Gründung mit diesen Fragen beschäftigt, und jetzt habe ich die Gelegenheit, dieses Nachdenken in die Tat umzusetzen. Insofern ist es so, wenn man konzeptionell in der Opposition arbeitet und kommt dann an die Regierung, dann hat man auch was umzusetzen und weiß, wo die Richtung hingehen muss. Insofern, zum Nachdenken hatte ich jetzt genug Zeit, jetzt heißt es umzusetzen und im Dialog zum Beispiel mit der Wirtschaft die Dinge auf Vordermann zu bringen.
Kitzler: Wachstum ist ja auch eine parteipolitische Münze, wenn ich das mal so sagen darf, zum Beispiel im Kampf um mehr Stimmen. Wo ist eigentlich die Grenze für nachhaltiges Wachstum bei den Grünen?
Kretschmann: Sagen wir mal so, wo unsere Grenze ist, das kann ich nicht voraussagen. Ich bin da weder ein guter noch ein schlechter Prophet. Das hängt sicher davon ab, wie überzeugend unsere Politik ist. Jedenfalls, die Grenze des Wachstums von Kreativität, die gibt es Gott sei Dank nicht.
Kitzler: Grüne Marktwirtschaft ist auch ein Thema, über das wir heute nicht mehr sprechen können. Das war Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg und die Frage, wie aus der Diskussion um Nachhaltigkeit irgendwann konkrete Politik wird. Vielen Dank und Ihnen einen schönen Tag!
Die Äußerungen unserer Gesprächspartner geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Eine dieser Fragen ist zum Beispiel: Wie wollen wir in Zukunft wirtschaften, so, dass es nachhaltig ist? Das ewige Wachstum ist vermutlich kein Erfolgsmodell für die Zukunft, auch, weil uns dieses Modell die Lebensgrundlagen entzieht; denken wir nur an die Umweltzerstörung, an ruinöse Staatsfinanzen oder an die Tatsache, dass immer mehr Menschen auf der Welt Hunger leiden.
Darüber kann man sich viele grundsätzliche Gedanken machen, man muss es aber irgendwann auch in praktische Politik übersetzen. Und wie das geht, das bespreche ich jetzt mit einem, der in der Verantwortung steht und der den Wandel organisieren will. Ich bin verbunden mit Winfried Kretschmann, dem grünen Politiker und Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Schönen guten Morgen, Herr Kretschmann!
Winfried Kretschmann: Guten Morgen!
Kitzler: Die berühmten Thesen des Club of Rome von den Grenzen des Wachstums, sie sind inzwischen 39 Jahre alt. Wie wichtig ist denn diese Erkenntnis, dass wir nicht endloses Wachstum haben können, für Ihre Arbeit?
Kretschmann: Ja, die ist sehr wichtig, und sie ist in den letzten Jahren spürbar aktuell geworden. Man hat auf der ganzen Welt gesehen, dass die Rohstoffpreise zum Beispiel bisher stark in die Höhe schnellen. Ja, zum Beispiel der Kupferpreis hat ein Allzeithoch erreicht – also die Thesen, die lange keine große Rolle mehr gespielt hatten, werden wieder aktuell.
Kitzler: Die Grünen wollen ja nichts weniger als den Umbau der Gesellschaft, zum Beispiel beim Thema Mobilität. Wie sehen Sie denn ihre Rolle bei diesem Umbau?
Kretschmann: Ja, wir wollen da eine führende Rolle einnehmen und Baden-Württemberg zum Musterland einer nachhaltigeren Mobilität machen, indem wir zum Beispiel die Verkehrsträger besser vernetzen, dass die Menschen sich vernünftiger verhalten bei ihrer persönlichen Mobilität. Das heißt, dass wir zu Fuß gehen, Rad fahren, Bus fahren, Zug fahren, Auto fahren, mit dem Flugzeug fliegen besser miteinander vernetzen.
Kitzler: Das heißt, Rahmenbedingungen schaffen, dass Menschen ein nachhaltiges Leben möglich ist?
Kretschmann: Ja, so ist es!
Kitzler: Gleichzeitig müssen Sie aber natürlich auch mit den wirtschaftlichen Realitäten leben. Baden-Württemberg ist ja das Autoland schlechthin, dort sitzen Daimler, dort sitzt Porsche, dort sitzen viele Zulieferbetriebe, und nun haben Sie ja gesagt – das Zitat ist inzwischen durch die Medien gegangen: "Weniger Autos sind besser!" Sägen Sie da nicht am Ast, auf dem Sie sitzen?
Kretschmann: Überhaupt nicht! Ich meine, es ist klar: Bei jeder S-Bahn, die wir bauen, ist das Ziel, dass Menschen vom Auto in die S-Bahn umsteigen, sonst ersticken wir ja auch in unseren Staus, die wir hier immer haben, und dann wird weniger Auto gefahren, dann werden weniger Autos in der Summe produziert. Aber im Kern geht es ja darum, dass die Autos umweltfreundlicher werden, also zum Beispiel der Spritverbrauch muss sich noch mal um 50 Prozent senken, und wir werden dann im Zukunft zum Beispiel Ein-Liter-Autos haben.
Das ist der Kurs, der gegangen werden muss, und solche Rahmensetzungen, die die Automobilindustrie in diese Richtung bewegen, die sind richtig und wichtig und sind gut für die Autoindustrie! Denn nur mit grünen Autos, also mit solchen, die viel weniger Sprit brauchen, wird man auf den Weltmärkten der Zukunft wettbewerbsfähig sein.
Kitzler: Als Landesvater sind Sie ja zuständig für alle Menschen in Baden-Württemberg, Sie müssen auch die Menschen überzeugen, die zum Beispiel bei Porsche arbeiten. Sie müssen aber auch natürlich die Vertreter der Wirtschaft überzeugen. Wie kommt denn eigentlich ihre Politik an, zum Beispiel beim Bundesverband der deutschen Industrie?
Kretschmann: Ich glaube, es ist so: Wenn man jetzt nicht nur irgendwelche Überschriften zitiert, sondern wirklich miteinander redet, dann sehe ich da keine großen Differenzen mit bei der Wirtschaft. Mit grünen Produktlinien, also Produktlinien, die weniger Energie und Ressourcen verbrauchen, kommt man genau in die richtige Richtung, stellt sich besser auf – und wir haben eine sehr gute Forschungs- und Entwicklungslandschaft in Baden-Württemberg mit guten Universitäten, aber auch entsprechenden Entwicklungsabteilungen in unseren mittelständischen Betrieben, und die profitieren von dem Kurs, weil sie haben dann die Nase vorn und können ihre Produkte besser auf den Weltmärkten durchsetzen.
Kitzler: Aber gleichzeitig kämpft ja zum Beispiel die Automobilindustrie für weniger strenge Umweltrichtlinien. Zum Beispiel gibt es eine neue Klassifizierung, die schwere Autos bevorzugt. Das steht doch ganz im Gegensatz zu dem, was Sie wollen!
Kretschmann: Das stimmt überhaupt nicht, sondern diese Richtlinie ist ein relatives Maß. Sie bevorzugt nicht einfach schwere Autos, sondern es nimmt darauf auch eine gewisse Rücksicht. Und wenn jemand einen Oberklasse-Wagen kaufen will, und er schaut auf die Liste, dann wird er ja nicht einen Kleinwagen kaufen. Diese Kennzeichnung ist relativ, zeigt dem Käufer, wie gut sein Fahrzeug verglichen mit anderen ist. Ich meine, das war ein Kompromiss, das hätte man besser machen können, aber es ist nicht so, dass es einfach eine Fehlinformation ist, sie ist nur nicht vollständig! Sie zeigt den absoluten Verbrauch der Autos nicht, und das ist ein Mangel an dieser Kennzeichnung.
Kitzler: Die Frage ist ja, wie man zu einer nachhaltigen politischen Kultur kommt auch. Also eine Diskussion über das reine Tagesgeschäft hinaus. Wie machen Sie das eigentlich in Ihrer täglichen politischen Arbeit?
Kretschmann: Wir Grünen haben uns 30 Jahre seit unserer Gründung mit diesen Fragen beschäftigt, und jetzt habe ich die Gelegenheit, dieses Nachdenken in die Tat umzusetzen. Insofern ist es so, wenn man konzeptionell in der Opposition arbeitet und kommt dann an die Regierung, dann hat man auch was umzusetzen und weiß, wo die Richtung hingehen muss. Insofern, zum Nachdenken hatte ich jetzt genug Zeit, jetzt heißt es umzusetzen und im Dialog zum Beispiel mit der Wirtschaft die Dinge auf Vordermann zu bringen.
Kitzler: Wachstum ist ja auch eine parteipolitische Münze, wenn ich das mal so sagen darf, zum Beispiel im Kampf um mehr Stimmen. Wo ist eigentlich die Grenze für nachhaltiges Wachstum bei den Grünen?
Kretschmann: Sagen wir mal so, wo unsere Grenze ist, das kann ich nicht voraussagen. Ich bin da weder ein guter noch ein schlechter Prophet. Das hängt sicher davon ab, wie überzeugend unsere Politik ist. Jedenfalls, die Grenze des Wachstums von Kreativität, die gibt es Gott sei Dank nicht.
Kitzler: Grüne Marktwirtschaft ist auch ein Thema, über das wir heute nicht mehr sprechen können. Das war Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg und die Frage, wie aus der Diskussion um Nachhaltigkeit irgendwann konkrete Politik wird. Vielen Dank und Ihnen einen schönen Tag!
Die Äußerungen unserer Gesprächspartner geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.