Krieg der Bilder
Bilder prägen unser Bild von Krisenregionen stärker als je zuvor: Ob Arabischer Frühling oder die Videobotschaften Osama bin Ladens. Doch welche politischen Motive stecken hinter den Bildern? In München sind jetzt "Gegen"-Bilder zu sehen, die sich kritisch mit der Bildberichterstattung beschäftigen.
"Jedes Bild ist ein Gegenbild, jedes Bild schafft ein Gegenbild. Mit anderen Worten: Jedes Bild hat eine Vergangenheit, eine Gegenwart und eine Zukunft."
Bilder manipulieren den Blick auf die reale Welt, sagt William John Thomas Mitchell in "Cloning Terror. War of Images". Bilder als subjektiv gewählte Ausschnitte, die politisch genutzt werden können. Bilder setzen Politiker unter Druck, beeinflussen militärische Entscheidungen – klonen letztlich den Terror, den sie beschreiben, sagt der Kunsthistoriker Mitchell.
Die Bilderschlacht, sie hat längst begonnen. Berühmt ist das bewusst inszenierte Foto vom Sturz des Saddam Hussein-Denkmals in Bagdad 2003. Aus einer jubelnden Menschenmenge im Zentrum von Bagdad reduziert es sich im Weitwinkel ganz schnell eine kleine Gruppe. Die Ikonografie des Terrors – neu ist das nicht, Heidegger bezeichnete das 20. Jahrhundert als "Age of Pictures", heute nennt Mitchell das War of Images. Die fotografische Inszenierung von Krisen gehörte schon vor dem Vietnam-Krieg und Nick Uts berühmten Bild des flüchtenden Mädchens vor einer Napalmwolke zur Propaganda.
Der Kampf um die spektakulärsten Bilder, der Wettlauf um die aktuellsten Fotos aus Krisenregionen,lässt die reale Situation heute immer stärker verschwimmen. Mit Handy und Smartphone, Bürgerreportern und berichterstattenden Nichtregierungsorganisationen, in der medialen Vervielfältigung des Terrors, wird das Bild zur Waffe im Kampf um die globale Aufmerksamkeit. Soweit die Theorie.
Das Warten auf den Krieg, Waiting for War, nennt die amerikanische Künstlerin Nin Brudermann in ihrer Videoinstallation von 1998: Bagdad, milchiggrün vom Nachtsichtgerät, Muezzinrufe, dazwischen Kanonensalven. Mehr nicht. Doch der Betrachter erwartet Spektakuläres. Genau dem will die Künstlerin ihr Werk entgegensetzen. Nicht das Spektakuläre, sondern die Realität zeigt Brudermann. Ihr unspektakuläres Bild gegen das Bild von CNN oder der BBC. Die verwackelten bekannten Fernsehbilder vom pakistanischen Versteck Osama bin Ladens verwandeln die Künstler Langlands & Bell in München in ein Videospiel mit Joystick. Das meistgesuchte Versteck der Welt ist für sie einfach nur ein unspektakuläres Haus.
Kriegssituationen auf Amateuraufnahmen, gefunden auf dem Webportal Flickr, wirken im Haus der Kunst als überdimensionale Diaaufnahmen erschreckend banal. Die vergitterten Läden in Kairos Innenstadt, fotografiert vom libanesischen Künstler Roy Samaha zeigen mehr als die Fernsehübertragungen von Demonstrantenmassen auf dem Tahrirplatz. Doch ob das Kunst ist?
Die von Hans-Peter Feldmann arrangierte Aneinanderreihung von 150 Titelbildern aller grossen Tageszeitungen weltweit vom 12. September 2001, mit denselben Grossaufnahmen der einstürzenden Twintower von New York – ist das Kunst? Daraus eine Gleichschaltung der Bildagenturen ableiten zu wollen – da fehlt der künstlerische, substanzielle, nachdenkenswerte Ansatz. Das greift zu kurz, kommt zu spät und suggeriert dem Betrachter einen unbegründeten Generalverdacht gegenüber durchaus als seriös anerkannten Tageszeitungen. Ob im Gegensatz dazu das leicht verfremdende Abmalen von Kriegsfotografien, wie es Vilhelm Sasnal in seinen Gaddafibilder von 2011 tut, ein Gegenbild erzeugt – man mag es bezweifeln. Da hilft auch nicht das dutzendfache Abmalen von ein und derselben Kriegssituation – die Banalität des Bösen, sie bleibt.
Gegenbilder zu den gewohnten Fernsehbildern in einer Ausstellung wie jetzt in München zusammenzuholen, noch dazu mit gleich vier Kuratoren, zeugt von einem hohen Anspruch. Der letztlich ins Leere geht.
Die kritisch gemeinte Ausstellung zur Medienikonografie in Kriegssituationen seit 1991 verheddert sich in Bildtheorien und vergisst dabei das Publikum. Man fragt sich: Warum fehlt das symbolträchtigste Foto der 90er Jahre? Der Sturz des Saddam-Denkmals in Bagdad, warum fehlt das mit mittlerweile mit christlicher Symbolik überfrachtete Bild eines gefolterten, vermummten Gefangenen im Gefängnis Abu Ghraib, warum die von Taliban stolz präsentierten Fotos der gesprengten Statuen von Bamiyan?
Nachdenklich macht einzig die raumfüllende Installation von Alfredo Jarr. Seine "real pictures" aus Kigali, Ruanda 1995-2012 verstecken sich in Archivboxen, bleiben unsichtbar. Bei ihm muss die Beschreibung des Fotos reichen. Als Bild gegen Bild mag man das sehen können. Erwartet hätte man von dieser Ausstellung indes viel mehr.
Infos zur Ausstellung im Netz: Haus der Kunst München
Bilder manipulieren den Blick auf die reale Welt, sagt William John Thomas Mitchell in "Cloning Terror. War of Images". Bilder als subjektiv gewählte Ausschnitte, die politisch genutzt werden können. Bilder setzen Politiker unter Druck, beeinflussen militärische Entscheidungen – klonen letztlich den Terror, den sie beschreiben, sagt der Kunsthistoriker Mitchell.
Die Bilderschlacht, sie hat längst begonnen. Berühmt ist das bewusst inszenierte Foto vom Sturz des Saddam Hussein-Denkmals in Bagdad 2003. Aus einer jubelnden Menschenmenge im Zentrum von Bagdad reduziert es sich im Weitwinkel ganz schnell eine kleine Gruppe. Die Ikonografie des Terrors – neu ist das nicht, Heidegger bezeichnete das 20. Jahrhundert als "Age of Pictures", heute nennt Mitchell das War of Images. Die fotografische Inszenierung von Krisen gehörte schon vor dem Vietnam-Krieg und Nick Uts berühmten Bild des flüchtenden Mädchens vor einer Napalmwolke zur Propaganda.
Der Kampf um die spektakulärsten Bilder, der Wettlauf um die aktuellsten Fotos aus Krisenregionen,lässt die reale Situation heute immer stärker verschwimmen. Mit Handy und Smartphone, Bürgerreportern und berichterstattenden Nichtregierungsorganisationen, in der medialen Vervielfältigung des Terrors, wird das Bild zur Waffe im Kampf um die globale Aufmerksamkeit. Soweit die Theorie.
Das Warten auf den Krieg, Waiting for War, nennt die amerikanische Künstlerin Nin Brudermann in ihrer Videoinstallation von 1998: Bagdad, milchiggrün vom Nachtsichtgerät, Muezzinrufe, dazwischen Kanonensalven. Mehr nicht. Doch der Betrachter erwartet Spektakuläres. Genau dem will die Künstlerin ihr Werk entgegensetzen. Nicht das Spektakuläre, sondern die Realität zeigt Brudermann. Ihr unspektakuläres Bild gegen das Bild von CNN oder der BBC. Die verwackelten bekannten Fernsehbilder vom pakistanischen Versteck Osama bin Ladens verwandeln die Künstler Langlands & Bell in München in ein Videospiel mit Joystick. Das meistgesuchte Versteck der Welt ist für sie einfach nur ein unspektakuläres Haus.
Kriegssituationen auf Amateuraufnahmen, gefunden auf dem Webportal Flickr, wirken im Haus der Kunst als überdimensionale Diaaufnahmen erschreckend banal. Die vergitterten Läden in Kairos Innenstadt, fotografiert vom libanesischen Künstler Roy Samaha zeigen mehr als die Fernsehübertragungen von Demonstrantenmassen auf dem Tahrirplatz. Doch ob das Kunst ist?
Die von Hans-Peter Feldmann arrangierte Aneinanderreihung von 150 Titelbildern aller grossen Tageszeitungen weltweit vom 12. September 2001, mit denselben Grossaufnahmen der einstürzenden Twintower von New York – ist das Kunst? Daraus eine Gleichschaltung der Bildagenturen ableiten zu wollen – da fehlt der künstlerische, substanzielle, nachdenkenswerte Ansatz. Das greift zu kurz, kommt zu spät und suggeriert dem Betrachter einen unbegründeten Generalverdacht gegenüber durchaus als seriös anerkannten Tageszeitungen. Ob im Gegensatz dazu das leicht verfremdende Abmalen von Kriegsfotografien, wie es Vilhelm Sasnal in seinen Gaddafibilder von 2011 tut, ein Gegenbild erzeugt – man mag es bezweifeln. Da hilft auch nicht das dutzendfache Abmalen von ein und derselben Kriegssituation – die Banalität des Bösen, sie bleibt.
Gegenbilder zu den gewohnten Fernsehbildern in einer Ausstellung wie jetzt in München zusammenzuholen, noch dazu mit gleich vier Kuratoren, zeugt von einem hohen Anspruch. Der letztlich ins Leere geht.
Die kritisch gemeinte Ausstellung zur Medienikonografie in Kriegssituationen seit 1991 verheddert sich in Bildtheorien und vergisst dabei das Publikum. Man fragt sich: Warum fehlt das symbolträchtigste Foto der 90er Jahre? Der Sturz des Saddam-Denkmals in Bagdad, warum fehlt das mit mittlerweile mit christlicher Symbolik überfrachtete Bild eines gefolterten, vermummten Gefangenen im Gefängnis Abu Ghraib, warum die von Taliban stolz präsentierten Fotos der gesprengten Statuen von Bamiyan?
Nachdenklich macht einzig die raumfüllende Installation von Alfredo Jarr. Seine "real pictures" aus Kigali, Ruanda 1995-2012 verstecken sich in Archivboxen, bleiben unsichtbar. Bei ihm muss die Beschreibung des Fotos reichen. Als Bild gegen Bild mag man das sehen können. Erwartet hätte man von dieser Ausstellung indes viel mehr.
Infos zur Ausstellung im Netz: Haus der Kunst München

Okwui Enwezor, neuer Leiter des Münchner Hauses der Kunst© dpa / picture alliance / Frank Leonhardt