"Krieg der Welten" im Ohr

Von Bernd Sobolla · 13.06.2005
Die Hörspielfassung des Romans "Krieg der Welten" schlug 1938 ein wie eine Bombe: Orson Welles setzte die Story vom Angriff der Marsmenschen so perfekt um, dass es zu einer Massenpanik kam. Angesichts der Neuverfilmung des Romans stellt der Hörverlag jetzt die Original-Hörspielfassung in verschiedenen Kinos für Schulen vor.
"Ladies and gentlemen, we interrupt our program of dance music to bring you a special bulletin from the Intercontinental Radio News... "

Es war am Abend des 30. Oktober 1938, als der Sender CBS sein Radioprogramm scheinbar für eine Sondermeldung unterbrach: Im Mount Jennings Observatorium in Chicago sei eine Gasexplosion auf dem Mars beobachtet worden, in deren Folge sich eine Wasserstoffwolke mit enormer Geschwindigkeit in Richtung Erde bewege. Kein Grund zur Panik, aber doch Grund genug für Reporter Carl Phillips, den Astronomie-Professor Richard Pierson zu befragen. Der sieht in der Explosion nichts Ungewöhnliches, bekommt aber just in dem Moment, da ihn der Reporter interviewt, ein Telegram.

" Just a moment, ladies and gentlemen, someone has just handed Professor Pierson a message... 21.15 h: Seismograph registered shock of almost earthquake intensity occuring ..."

Nur 20 Meilen von Princeton entfernt haben die Seismographen einen Erdstoß aufgezeichnet, der die Stärke eines Erbebens hatte. Vermutlich handelt es sich um einen Meteoriten. Der Reporter rast mit dem Astronomen zur Wilmuth Farm in New Jersey, wo einige Hunderte Menschen den Einschlag beobachtet haben. Parallel dazu werden weitere Explosionen auf dem Mars gemeldet.

"Ich wünschte, ich könnte Ihnen die Atmosphäre, den Hintergrund dieser fantastischen Szenerie vermitteln: Hunderte Autos sind auf dem Feld hinter uns geparkt, und die Polizei versucht die Straße, die zur Farm führt, abzuriegeln. Aber sie schafft es nicht. Die Menschen brechen einfach durch. Autoscheinwerfer beleuchten den Einschlagsort, wo das Objekt halb in der Erde steckt. Und jetzt nähern sich einige Wagemutige dem Rand. "

Und nur wenige Minuten später, nachdem das Programm wiederum durch mehrere Sondermeldungen unterbrochen wurde, meldet der Reporter, wie aus dem zylinderförmigen Objekt Marsmenschen auftauchen.

"Eine buckelige Gestalt taucht aus der Grube auf. Jetzt sehe ich einen Lichtstrahl, der gegen einen Spiegel fällt. Aber was ist das? Der Spiegel reflektiert einen Flammenstrahl.. genau auf die herannahenden Männer. Und er trifft sie am Kopf. Oh, mein Gott, sie verbrennen!"

Dann die totale Eskalation: Weitere Objekte schlagen an verschiedenen Orten ein, die Marsmenschen bringen Tausende Soldaten um, Kampfflugzeuge werden eingesetzt, aber die Außerirdischen zerstören auch diese. Und dann bewegen sie sich in Richtung New York. Das Ende der Menschheit scheint besiegelt. Dem Horror im Radio folgte die Panik auf den Straßen, wie Stefanie Frühauf vom Hörverlag betont.

"Das Hörspiel wurde damals ungefähr von sechs Millionen Amerikanern gehört. Und ein Drittel, also zwei Millionen, haben das Hörspiel für bare Münze genommen. Und die Folge war, dass es wirklich zu einer Hysterie geführt hat, die man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Dass die Leute aus New York aufs Land geflohen sind, und die Leute vom Land nach New York. Es gab Fehlgeburten, es gab sogar Selbstmorde vor lauter Angst."

Darüber hinaus wurden vielerorts Läden geplündert und die Nationalgarde wurde eingesetzt. Am Tag nach der Sendung musste sich Orson Welles einer öffentlichen Anhörung unterziehen.

"Sie erwarten eine Erklärung. Es tut mir leid. Wir sind sehr schockiert, und ich bedauere zutiefst die Folgen unserer Sendung. Wir hätten nicht damit gerechnet, dass ein fiktiver Bericht über eine Invasion vom Mars die Zuhörer so verstören kann. "

"War of the Worlds" kann noch heute faszinieren. Sonst hätte sich auch Steven Spielberg nicht daran gemacht, die Geschichte, die bereits in den 50er Jahren verfilmt wurde, neu fürs Kino zu bearbeiten. Unabhängig vom kommerziellen Potential des Stoffes, meint die Lehrerin Frau Baum-Weißmann, dass es durchaus aktuelle Bezüge gebe.

"Es ist ein Zeitdokument. Und es ist von 1938, ein Jahr vor Ausbruch des II. Weltkrieges. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Schüler, wenn sie dieses Zeitdokument vermittelt bekommen, Situationen wie den Ausbruch eines Krieges oder auch so ein Inferno wie am 11. September besser und auch authentischer aufnehmen können, wenn sie so etwas einmal bewusst gehört haben. Und zwar ganz bewusst gehört haben und nicht gesehen, weil ja der Schüler sich sehr stark nur noch aufs Visuelle fixiert. "

Unabhängig von historischen Bezügen liegt die künstlerische Ausdruckskraft des Hörspiels "War of the Worlds" vor allem darin, dass Welles schon damals die Grenzen des herkömmlichen Erzählens überwand. Das ist auch der Aspekt, so Wolfgang Leitner, Dozent an der Hochschule für Film und Fernsehen in München, über den Filmstudenten nachdenken sollten.

"Es war interessant zu hören, wie früh die Amerikaner begonnen haben, Dokumentarisches und Fiktionales zu vermischen. 1938 bereits so ein Hörspiel zu machen, was im Grunde wie eine volle Dokumentation rauskommt, aber ein fiktiver Inhalt ist. Was sich auch weiter entwickelt hat in Amerika. Das Mocumentary, also eine Mischung aus Dokumentarfilm und Fiktionalen zu machen, das aber im Kleid einer Dokumentation daherkommt, ist ja ein Genre in Amerika."

Dokumentation hin, Fiktion her: Wer die Originalversion von Orson Welles Radioadaption von "War of the Words" hört, sollte sich zuvor den Text aus dem Internet ausdrucken. Denn die Aufnahmetechnik war in den 30er Jahren noch nicht so fortgeschritten, manche Stellen sind akustisch schlecht zu verstehen. Außerdem liebte es Welles, sich auch sprachlich vielfältig auszudrücken. Was das Verständnis für die meisten Deutschen aber erschwert.

Mit dem Text in der Hand erschließt sich zudem noch besser, wie viele verschiedene Elemente der Regisseur damals zu seinem Gesamtkunstwerk der Zerstörung vereinigte: Musik und Live-Reportage, Sondermeldungen, Wetterbericht und Soundeffekte, die Stimmen von Regierungsvertretern, Armeeangehörigen, Augenzeugen und Moderatoren.

"Meine Damen und Herren, so seltsam es klingen mag, die Wesen, die heute Nacht auf dem Land in New Jersey gelandet sind, sind nur die Speerspitze einer Invasions-Armee vom Mars. Der Kampf, der bei Grovers Mill heute Nacht stattfand, endete mit einer der schrecklichsten Niederlagen, die je eine Armee erlitt…"