Die Waffen werden nicht schweigen
Russlands UN-Botschafter beschwört die territoriale Unversehrtheit der Ukraine, während die Moskau treuen Separatisten weitere Kämpfe anfachen. Der Krieg geht weiter – und das Abkommen von Minsk dürfte nicht umsetzbar sein.
Es ist ein Kampf gegen die Uhr. Während die Bewohner in Dutzenden Städten des Donbass in Kellern auf den Beginn der Feuerpause warten, liefern sich Rebellen und russische Soldaten auf der einen sowie ukrainische Regierungstruppen auf der anderen Seiten eine heftige Schlacht. Eine letzte Schlacht?
Wohl kaum. Denn der Wille, die Waffen abzuziehen, ist auf beiden Seiten nicht vorhanden.
Hinter der ukrainisch-russischen Grenze parkt bereits der russische Nachschub an Panzern, Raketen- und Granatwerfern, sagt das amerikanische Außenministerium. Die Kampffähigkeit der Moskau treuen Separatisten gibt allen Recht, die Russlands Unterstützung im Krieg anprangern. Die von den Freischärlern in ukrainischen Kasernen und Polizeistationen erbeuteten Waffen sind längst verbraucht, der Nachschub aus Osten auf Satellitenaufnahmen belegt.
Die ukrainischen Streitkräfte befürchten, dass ihre Bereitschaft, schweres Kriegsgerät wegzuschaffen, sofort ausgenutzt werden könnte für weitere Gebietseroberungen. Eine Sorge, die auf der Erfahrung von drei zuvor ausgerufenen Feuerpausen beruht, die erste nach der Wahl von Petro Poroschenko zum Präsidenten der Ukraine. Sachatschenkos und Plotzkis Mannen rückten immer weiter vor, auf dass ihre sogenannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk immer größer werden. Das eroberte Gebiet hat sich allein seit September fast verdoppelt.
Die Fallstricke von Minsk 2
Moskaus Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York legte jetzt dem Weltsicherheitsrat eine Resolution zur Abstimmung vor, in der die territoriale Unversehrtheit der Ukraine beschworen und zur Umsetzung des Minsker Friedensabkommens aufgerufen wird. Russland ist ein Brandstifter, der nach der Feuerwehr ruft.
Zu gut ist in Erinnerung, wie Wladimir Putin abstritt, dass russische Soldaten vor knapp einem Jahr die Krim besetzten und hinterher wie selbstverständlich ihre Anwesenheit bestätigte, ja sogar pries.
Minsk 2 ist ein kaum umsetzbares Dokument. Lösungen, die darin vorgeschlagen werden, muten eher an wie Fallstricke.
Ein Beispiel: Die über 1000 Kilometer lange Grenze zu Russland soll von der Ukraine geschlossen werden, das ist schwer genug. Zumal die Grenze auf besetztem Gebiet liegt, der ukrainische Grenzschutz bräuchte also die Erlaubnis der Separatisten, das Territorium zu betreten. Zuvor – so das Minsk-Abkommen – müssen erst noch Kommunalwahlen in den sogenannten Volksrepubliken abgehalten werden.
Dieser Passus ist geradezu eine Handlungsanleitung, wie die Separatisten die Grenzschließung verhindern können. Indem sie die Wahl hinauszuschieben. An funktionierenden Verwaltungen für die Bürger waren sie bislang nicht interessiert, an russischen Waffen und Mitkämpfern aber umso mehr. Warum also sollten sie sich diesen Nachschub selbst abschneiden?
Das Ziel, Russland auf einem Landweg mit der Krim zu verbinden, hat Moskau vermutlich nicht aufgegeben. Ein Korridor von Mariupol Richtung Süden soll freigeschossen werden, nur so lassen sich die schweren Gefechte bis kurz vor dem Beginn der angepeilten Waffenruhe erklären.
Der Hoffnungsschimmer, den die Bundeskanzlerin nach den zähen Verhandlungen sah, dürfte im Dunkel dieser Nacht verschwinden. Dass die Menschen aufatmen können, weil endlich die Waffen schweigen, wird leider nicht geschehen.