Social Media War Fatigue

Müdigkeit spielt Putin in die Hände

16:24 Minuten
Zu sehen ist eine Frau, eingehüllt in eine dicke Bettdecke. Sie blickt auf ein leuchtendes Smartphone, dass ihr besorgtes Gesicht im Dunkeln erhellt.
Während die Medien weiter stetig über den Krieg in der Ukraine berichten, zeigen sich Ermüdungserscheinungen rund um das Thema bei vielen Menschen, die sich auch in den sozialen Netzwerken beobachten lassen. © Getty Images / Oscar Wong
20.08.2022
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Zu Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine dominiert dieser in den sozialen Netzwerken. Gut ein halbes Jahr später scheint eine gewisse Mitgefühlsmüdigkeit vorzuherrschen, erklärt Journalistin Samira El Ouassil. Russland profitiere davon.
Gerade mal ein gutes halbes Jahr ist es her, da greift Russland die Ukraine an. Die Nachrichten darüber fesseln Menschen auf der ganzen Welt und sie sprechen darüber in den sozialen Netzwerken. Die Aufmerksamkeit für das Thema ist zu Beginn des Krieges sehr hoch. Allein in der ersten Kriegswoche werden Online-Nachrichten über den Ukrainekrieg über 100 Millionen Mal kommentiert, gelikt und weitergeleitet, meldet der irische Social-Media-Tracker Newswhip.
Während die Medien stetig über die Lage berichten, zeigen viele Menschen bereits drei Monaten nach Kriegsbeginn Ermüdungserscheinungen und sprechen auch in den sozialen Netzwerken weniger darüber. Andere Themen wie die steigenden Gas- und Energiepreise oder auch die Klimakatastrophe dominieren momentan vor allem die Debatten im Netz.

Macht der Bilder

Zum einen scheint es so, dass eine gewisse Form der Normalisierung des Konflikts in der Bevölkerung stattgefunden hat: "Ein klassisches Problem ist, dass der Nachrichtenwert 'Neuigkeit' nach einem halben Jahr Berichterstattung verschwindet", erklärt Journalistin Samira El Ouassil. Zudem würden die Menschen zwar noch bemerken, dass die Situation problematisch sei, sich allerdings nicht ändere. Ähnliche Effekte würden sich auch rund um das Thema Klimakrise zeigen. 
Zum anderen würden Medien zwar vermuten, dass die Wiederholung der Bilder aus dem Kriegsgebiet einen nachhaltigen Effekt hätten und sich dadurch "die Gräueltaten einhämmern”. Das Gegenteil sei allerdings der Fall, betont El Ouassil: "Die Serialität der Kriegsbilder lassen verblassen, welchen Schrecken sie eigentlich zeigen wollen." Die Menschen würden schlichtweg dadurch abstumpfen. 

Mitgefühl als Muskel

Zudem schleiche sich zunehmend eine sogenannte Mitgefühlsmüdigkeit ein: "Man muss sich Mitgefühl ein bisschen vorstellen wie einen Muskel, der nicht dauerhaft gespannt bleiben kann und irgendwann übersäuert und zumacht."

"Das Wichtigste ist bei allem, sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, welches Martyrium die ukrainische Bevölkerung gerade durchmacht und dass sich damit zu beschäftigen das Allermindeste ist."

Samira El Ouassil

Diese Mitgefühlsmüdigkeit spiele Russland in die Hände: "Während Russland auf dem Schlachtfeld an einer moralischen, physischen und militärischen Erschöpfung der Ukraine arbeitet, hofft der Kreml auch global auf ein politisches Desinteresse", sagt El Ouassil. Damit könnte dann nämlich auch die Unterstützungsbereitschaft für die Ukraine sinken. 

Aktiv dagegen ankämpfen

El Ouassil lobt die Medien und ihre Berichterstattung: "Sie nutzen alle Formen, von der Reportage über die Berichterstattung bis hin zum Fokus auf Akteure, um den Krieg präsent zu halten." Deshalb würde die Journalistin vielmehr das Publikum in die Verantwortung nehmen, gegen die Mitgefühlsmüdigkeit anzugehen. 
"Wir dürfen nicht zulassen, dass der Krieg aus der medialen und politischen Wahrnehmung rausgerückt wird, weil in dem Moment Putin gewinnt." Um das zu verhindern, sei die Auseinandersetzung in den sozialen Netzwerken und auch in den Medien weiterhin entscheidend. 
(cs)

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