Unter Regenschirmen vor Drohnen versteckt
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Der Fotograf Sebastian Backhaus ist nach sechs Wochen aus Nordsyrien zurückgekehrt und berichtet vom unklaren Frontverlauf und der Not der Menschen vor Ort. In den Kriegswirren fällt die Orientierung zunehmend schwer.
Der Krieg in Syrien wird immer unübersichtlicher. Das hat auch der Fotograf Sebastian Backhaus auf seiner letzten Reise erlebt. Seit vielen Jahren ist er in Kriegs- und Krisengebieten wie Syrien oder Irak unterwegs. "Die Situation vor Ort war wesentlich komplexer und wesentlich dynamischer als das, was ich sonst erlebt habe, wenn ich von dort berichte und fotografiere", schildert Backkaus seine Eindrücke nach seiner Rückkehr von einem sechswöchigen Aufenthalt im Norden Syriens.
Unterwegs im Team
Bisher sei der Frontverlauf mehr oder weniger klar gewesen und wer gegen wen kämpfe. "Dieses Mal war ich mit einer Situation vor Ort konfrontiert mit so vielen verschiedenen Akteuren, dass es schwer war, dort den Überblick zu behalten." Zu den Herausforderungen gehörte es, dass er und sein Team morgens noch nicht wissen konnten, welche Routen sie tagsüber nehmen könnten.
Unterwegs habe man sich immer wieder von neuem kundig machen müssen, wer wo welche Kontrollposten aufbaut und welche Kriegspartei an diesem Tag welches Gebiet kontrolliert. Die Gefahr ist groß, sonst in falsche Hände zu geraten. Über den Messengerdienst "Whatsapp" informierten sich Fotografen und Journalisten gegenseitig über die aktuelle Lage vor Ort, sagt Backhaus. Er arbeite seit langer Zeit mit Fahrern und Übersetzern zusammen, die sich vor Ort gut auskennen. "Das ist ganz wichtig, dass man seine Gruppe hat, auf die man sich auch blind verlassen kann."
Die Not der Flüchtlinge
Für die einheimische Bevölkerung sei die Lage allerdings viel existentieller. Parallel zu den Entscheidungen der Machthaber Recep Tayyip Erdogan, Wladimir Putin und Donald Trump auf dem internationalen Parkett habe er vor Ort beobachtet, wie sich die flüchtenden Menschen je nach Lage hin und her bewegten.
"Sie können nicht einfach sagen, ich nehme jetzt den nächsten Flieger nach Damaskus, weil da ist es sicher. Das geht nicht, weil sie vielleicht einer Ethnie angehören, die dann dem syrischen Regime wieder nicht passt oder den türkisch-gesteuerten Invasoren", beschreibt Backhaus, wie schwierig es für die Einheimischen in Nordsyrien derzeit sei zu entscheiden, wohin sie überhaupt flüchten können.
Suche nach Schutz
Um sich vor der totalen Eskalation zu schützen, gebe es auch Maßnahmen gegen die türkische Luftwaffe. So würden teilweise ganze Straßenzüge überdacht, um aus der Luft nicht gesehen zu werden, aber auch Tunnel gegraben, um sich von dort aus zu verteidigen. Er habe eine christliche Miliz begleitet und fotografiert, die mit großen Regenschirmen ausgerüstet gewesen sei. "Im Flecktarnmuster, um sich von Drohnen unbeachtet darunter verstecken zu können."
Ein kleiner Lichtblick in den Kriegswirren sei ein Erlebnis in einem Krankenhaus gewesen, das die ganze Komplexität des Geschehens und der vielen Akteure verdeutlicht habe, sagt Backhaus. Dort seien Soldaten der syrischen Armee von privaten US-Sicherheitskräften eingeliefert worden, die im Kampf mit türkischen Dschihadisten verwundet wurden. Die Behandlung habe dann kurdisches Krankenhauspersonal übernommen.
(gem)