Gräueltaten in Butscha
Apokalyptische Bilder: Nach dem Angriff Russlands liegt Butscha in Trümmern. © picture alliance / AA / Metin Aktas
"Mord an Zivilisten ist ein Kriegsverbrechen"
05:42 Minuten
Internationale Fachleute sollen Beweise für die in Butscha verübten Gräueltaten sichern. Die EU will deshalb Ermittlungsteams in die Ukraine schicken. Experte Klaus Rackwitz sagt, wie realistisch eine Anklage Russlands wegen Kriegsverbrechen ist.
Um Kriegsverbrechen nachzuweisen, brauche es eine ganze Reihe von Beweisen, sagt Klaus Rackwitz. Er ist Präsident der Internationen Akademie Nürnberger Prinzipien, zuvor hat er die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag vertreten.
Kriegsverbrechen setzten bewaffneten Konflikt voraus
Der Unterschied zwischen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bestehe darin, dass Kriegsverbrechen einen bewaffneten Konflikt voraussetzen würden, sagt Rackwitz. Verbrechen gegen die Menschlichkeit könnten hingegen auch außerhalb von Kriegen und kriegerischen Auseinandersetzungen begangen werden. Das überschneide sich zuweilen. Kriegsverbrechen seien im Wesentlichen Verstöße gegen die Genfer Konventionen.
Beweislast trägt die Staatsanwaltschaft
Die Beweislast trage im Fall Butscha – wie immer im Strafverfahren – der Staatsanwalt, also die Anklagebehörde. Die Verteidigung müsse nichts beweisen und sich nicht entlasten.
Ob dabei Filme und Bilder als Beweismittel zugelassen werden, würde die Kammer selbst entscheiden, so Rackwitz. Der Internationale Strafgerichtshof kenne in seiner Strafprozessordnung zurzeit digitale Beweismittel ausdrücklich nicht. Das gelte im Prinzip auch für Satellitenbilder und für andere digitale Medien. Es werde hier leicht der Vorwurf erhoben, das sei manipuliert, gestellt oder würde die Wirklichkeit nicht abbilden.
Ganze Reihe von Beweisen nötig
Um Kriegsverbrechen nachzuweisen, brauche es eine ganze Reihe von Beweisen, erläutert der Experte. Zunächst einmal müsste ein Verbrechen festgestellt werden. Bei den erschossenen Zivilisten wären dies Morde. „Der Mord an Zivilisten ist ein Kriegsverbrechen“, sagt Rackwitz.
Dann müssten die Schützen ermittelt werden. Schlussendlich gehe es aber darum, nicht die Schützen, sondern die Befehlsgeber dingfest zu machen. Man müsse nachweisen, wer konkret den Befehl gegeben hat, sagt Rackwitz. Schützen könnten Soldaten sein, die aus eigenem Antrieb gehandelt hätten. Es könnte ein Bataillonskommandeur sein, der durchgedreht ist. Das Verbrechen könnte aber auch auf gezielte Anordnung passiert sein.
Rackwitz betont: Nachweisen könne man die Verbrechen selbst relativ einfach. Die individuelle Schuld eines Täters nachzuweisen sei aber schwierig. Es würden ja nicht Russland oder die russische Armee angeklagt, sondern einzelne Personen, denen Schuld und Vorsatz nachgewiesen werden müsse.
Begriff „Genozid“ könnte zutreffen
Der Begriff „Genozid“ könnte im Ukraine-Krieg nach Ansicht des Experten zutreffen. Er könnte dann zutreffen, wenn wirklich – und das erfordert die Konvention gegen den Völkermord – tatsächlich die feste Absicht bestehe, das ukrainische Volk als Ganzes oder in Teilen auszurotten.