Krieg in Äthiopien - der Friedensnobelpreisträger am Scheideweg | Seit dem 4. November 2020 kämpfen der Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed und seine Regierung gegen Rebellen in der Region Tigray. Zehntausende Menschen flüchten vor der Gewalt in den Sudan. Hat sich die Welt in Hoffnungsträger Ahmed getäuscht? Lesen und hören Sie dazu eine Reportage von Antje Diekhans vom Dezember 2020.
So grausam, dass einem die Worte fehlen
10:18 Minuten
In der Region Tigray im Norden Äthiopiens herrscht Krieg. Frauen würden brutal vergewaltigt und Männer massakriert, berichtet Amnesty International. Länder wie Deutschland müssten Druck auf die Regierung ausüben, fordert die Menschenrechtsorganisation.
Schon länger eskaliert in Äthiopien der Kampf zwischen Zentralregierung und der Region Tigray im Norden. Wie sehr dabei die Leben von Frauen systematisch zerstört wurden und werden hat Amnesty International dokumentiert.
Sowohl das Ausmaß der Gewalt als auch die Art und Weise seien so erschreckend und grausam, dass sich dafür kaum Worte finden lassen würden, um zu beschreiben, was den Menschen dort passiere, sagt Franziska Ulm-Düsterhöft von Amnesty International. Bei den Akteuren sei "jede Verhältnismäßigkeit verloren gegangen".
Opfer würden nicht nur angegriffen, sondern es werde auch versucht, sie zu entmenschlichen und zu demütigen. "Männer werden zusammengeschlagen, drangsaliert, aufgereiht und massakriert. Frauen werden vergewaltigt, und das in schlimmster Art und Weise." Es habe viele Gruppenvergewaltigungen gegeben, bei denen auch Kinder hätten zusehen müssen.
Die medizinische Infrastruktur, die Wasser- und Nahrungsmittelversorgung seien fast komplett zerstört. Die Kampfhandlungen würden aber unvermindert weitergehen und Familien und Gemeinden würden zerstört.
Amnesty vermutet strategisches Vorgehen
Aufgrund der Schwere und der Systematik der Gewalt vermutet Amnesty International ein strategisches Vorgehen, das von der äthiopischen Regierung geduldet werde. Die Menschenrechtsorganisation fordert ein sofortiges Ende dieser drastischen Gewalt und dass die Täter bestraft werden.
Dafür müssten auch die UN und Expert:innen der Afrikanischen Union Zugang in das Kriegsgebiet erhalten, um unabhängige Untersuchungen durchführen zu können. Und es sei Druck von der Internationalen Gemeinschaft, also Ländern wie Deutschland nötig, die eine enge Beziehungen zu Äthiopien haben, sagt Franziska Ulm-Düsterhöft.
Die Infrastruktur ist fast komplett zerstört
Nach wie vor sei die Lage in der Region dramatisch, weil sie von der Außenwelt abgeschnitten sei, so Ulm-Düsterhöft. Alle Kommunikationskanäle wie Internet und Telefon würden nicht funktionieren. Auch Journalist:innen, Menschenrechtsbeobachter:innen und humanitäre Organisationen dürften nicht in die Region. Dies erschwere die Recherchen, entsprechend schwierig sei es, sich ein konkretes Bild von der Lage vor Ort zu machen.
Um dennoch an Informationen zu gelangen, würde Amnesty Videos, Fotos und Satellitenaufnahmen verifizieren und auswerten. So könne man beispielsweise Massengräber ermitteln. Außerdem führe die Menschenrechtsorganisation Interviews mit medizinischem Personal, Betroffenen und Zeug:innen in Flüchtlingslagern in der Region.
(jde)