Krim-Krise

    Duma billigt Aufnahme der Krim

    Foreign Minister Sergei Lavrov speaking at the State Duma's extraordinary plenary meeting convened to ratify the Treaty on the Adoption of the Republic of Crimea to the Russian Federation and the Formation of New Subjects. Vladimir Fedorenko
    Der russische Außenminister Sergej Lawrow vor der Duma © dpa / Vladimir Fedorenko
    20.03.2014
    Das Unterhaus des russischen Parlaments hat am Donnerstag die Aufnahme der Krim gebilligt. Am Morgen hatte Bundeskanzlerin Merkel Russland mit weiteren Sanktionen gedroht. Diese sollen auf dem EU-Gipfel in Brüssel beschlossen werden. Auch die USA haben nun Einreiseverbote gegen Moskau verhängt - und bekamen prompt eine Retourkutsche.
    Das Unterhaus des russischen Parlaments hat am Donnerstag erwartungsgemäß den Vertrag über die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation ratifiziert. Die Duma nahm das Abkommen mit 443 Ja- und einer Nein-Stimme an. Der Vertrag war am Dienstag bereits vom russischen Präsidenten Wladimir Putin unterzeichnet worden. Am Mittwoch hatte das russische Verfassungsgericht der Aufnahme der Krim zugestimmt. Die Bewohner der im Schwarzen Meer gelegenen Halbinsel hatten sich am vergangenen Sonntag in einem umstrittenen Referendum für die Abspaltung von der Ukraine ausgesprochen.
    Die USA reagierten auf die Entwicklung in der Krim-Krise, indem sie am Donnerstag Sanktionen gegen Russland aussprachen. Wie US-Präsident Barack Obama erklärte, sind davon ranghohe russische Regierungsvertreter betroffen. Sie wurden mit Kontensperrungen und Einreiseverboten belegt. Außerdem habe Washington eine russische Bank auf die Sanktionsliste gesetzt.
    Moskau reagierte umgehend mit Einreise-Verboten für neun US-Politiker. Dazu zählten laut Angaben des Außenministeriums in Moskau der republikanische Senator John McCain und der Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Regierungserklärung zum Krim-Konflikt
    Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Regierungserklärung zum Krim-Konflikt© dpa / Maurizio Gambarini
    EU-Frühjahrsgipfel will weitere Sanktionen beschließen
    Die Entscheidung der Duma fiel unmittelbar vor Beginn des EU-Frühjahrsgipfels in Brüssel, auf dem weitere Sanktionen gegen Moskau beschlossen werden sollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vor ihrer Abreise nach Brüssel eine Regierungserklärung abgegeben. Dabei hatte sie gesagt, dass der Anschluss der Krim an Russland eine "entschlossene wie geschlossene Antwort Europas und seiner Partner" erfordere.

    Wenn sich die Lage in der Ukraine weiter verschärfe, sei die EU bereit, die Schraube fester anzuziehen, sagte Merkel am Morgen vor dem Deutschen Bundestag. So könnten weitere Reisebeschränkungen und Kontensperrungen verhängt werden. Bisher sind davon 21 Personen betroffen, darunter hochrangige russische Diplomaten, Krim-Politiker und drei Militärführer. Sollte die Lage weiter eskalieren, werde es "ganz ohne Zweifel auch um wirtschaftliche Sanktionen gehen", sagte Merke. Wie EU-Energiekommissar Günther Oettinger dem ZDF sagte, sollten solche Strafmaßnahmen für wichtige Technologiegüter gelten. Als Beispiele nannte er Handelsbeschränkungen bei Maschinen, Anlagen, Hard- und Software oder bei Fahrzeugen.
    Merkel erteilt G8 eine Absage
    Wegen der Krim-Krise erklärte Merkel die Gruppe der acht wichtigsten Wirtschaftsnationen einschließlich Russlands faktisch zunächst für aufgelöst: "Solange das politische Umfeld für ein so wichtiges Format wie die G8 nicht gegeben ist, gibt es die G8 nicht mehr, weder den Gipfel noch die G8 als solches." Wegen der Entwicklung auf der Krim waren die Vorbereitungen für das G8-Treffen im Juni im russischen Sotschi bereits ausgesetzt worden.
    Die G8-Gruppe dient den führenden sieben Wirtschaftsnationen, um sich regelmäßig auch mit Russland auszutauschen. Vier Monate nach den Olympischen Spielen sollte das nächste Treffen in Sotschi stattfinden, was Russlands Präsident Putin nach Olympia als ein weiteres Prestigeprojekt betrachtete.
    Merkel bekräftigte, auf dem EU-Gipfel solle der politische Teil des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine unterzeichnet werden. Dies könne auch als "Zeichen der Solidarität" verstanden werden. Offen ließ Merkel, ob die deutsch-russischen Regierungskonsultationen, die ursprünglich für Ende April in Leipzig geplant waren, stattfinden werden. Darüber werde die Bundesregierung mit Blick auf die weitere Entwicklung entscheiden.
    SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann
    SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann© picture alliance / dpa / Florian Schuh
    Fraktionen üben scharfe Kritik an Russland
    In der Bundestagsdebatte, die sich an Merkels Erklärung anschloss, warfen Redner aller Fraktionen Russland ein völkerrechtswidriges Verhalten vor. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte: "Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg hat ein Staat in Europa seine Grenzen eigenmächtig neu definiert und einen Teil eines anderen Staates annektiert." Dies dürfe nicht Schule machen. Die neue ukrainische Regierung mahnte Oppermann: "Antisemitismus und Rechtsextremismus dürfen in der neuen Ordnung der Ukraine keinen Platz haben."
    Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter übte scharfe Kritik an Moskau: "Die russische Regierung tritt mit der Annexion der Krim das Völkerrecht mit Füßen", sagte Hofreiter. Dabei missachte Russland auch jene Sicherheitsgarantien, die es der Ukraine in Zusammenhang mit deren Verzicht auf Atomwaffen gegeben hatte. Hofreiter verlangte ein generelles Waffenembargo gegen Russland, warnte jedoch auch vor einer weiteren Eskalation.
    Dagegen warf der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, Merkel vor, beim Völkerrecht mit zweierlei Maß zu messen. Auch die Abtrennung des Kosovo von Serbien sei ein Rechtsbruch gewesen, sagte Gysi. Zudem seien mit der Ostausdehnung der NATO nach dem Kalten Krieg russische Interessen grob verletzt worden. Insbesondere kritisierte Gysi die Zusammenarbeit mit der Übergangsregierung in Kiew, an welcher Faschisten beteiligt seien.
    Rainer Lindner, der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, hat Verständnis für weitere Sanktionen geäußert, aber auch vor Folgen für die deutsche Wirtschaft gewarnt. Es sei "selbstverständlich", dass die Wirtschaft den "Primat der Politik" anerkenne - harte Wirtschaftssanktionen dagegen, wie zum Beispiel Lieferunterbrechungen, Restriktionen bei Im- und Exporten sowie ein Stop für Investitionen, seien Mittel, die "als äußerste Maßnahme erscheinen und wo wir hoffen, dass bis dahin noch Möglichkeiten auch im politischen Raum geprüft werden. Das muss wirklich die Ultima Ratio sein", sagte Lindner im Deutschlandradio Kultur.
    Kritik auch an der Bundesregierung
    Während das Vorgehen Russlands in der deutschen Medienlandschaft in den vergangenen Tagen zum überwiegenden Teil auf entschiedene Ablehnung gestoßen ist, hat der in Berlin lebende Journalist und Autor Ramon Schack Verständnis für die russische Position geäußert. Die "harsche Reaktion Russlands bezüglich der Krim sein "auch das Ergebnis der westlichen Politik" und insbesondere der NATO-Strategie, sagte Schack im Deutschlandradio Kultur: "Die permanente Ost-Ausdehnung der NATO, in die Weiten des eurasischen, post-sowjetischen Raumes, wurde in Moskau schon lange als eine Bedrohung der Nationalen Sicherheit interpretiert."
    Der Regierungschef der Krim, Sergej Aksjonow, Parlamentssprecher Wladimir Konstantinov, Russlands Präsident Wladimir Putin und Sevastopols selbst ernannter neuer Bürgermeister, Alexei Chaly (v.l.n.r.)
    Sichtbare Freude bei den Krimpolitikern nach der Unterzeichnung des Aufnahmevertrags mit Präsident Putin© afp / Kirill Kudryavtsev
    UN-Botschafter befürchtet weitere Intervention Russlands
    Die Ukraine hatte am Mittwoch formellen Protest gegen die Anerkennung der Krim durch Russland eingelegt. Der russische Botschafter in Kiew, Andrej Worobew, sei einbestellt worden, erklärte das ukrainische Außenministerium. Dabei sei ihm eine Protestnote gegen die Anerkennung der "Republik Krim" durch Moskau übergeben worden.

    Doch viele Menschen in der Ukraine kritisieren das Vorgehen der Übergangsregierung in Kiew, berichtet ARD-Korrespondent Henryk Jarczyk. So werde der Abzug der ukranischen Truppen von der Krim als Aufgabe der Halbinsel verstanden. Die Regierung in Kiew dagegen will mit dem Schritt einen bewaffneten Konflikt verhindern. Skeptiker befürchteten, dass sich ein ähnliches Szenario wie auf der Krim auch im Süden und Osten des Landes abspielen könnte. Der ukrainische UN-Botschafter in Genf halte diese Gefahr für sehr konkret. Seinen Worten zufolge, so berichtet Jarczyk, bereitet Russland bereits eine militärische Intervention in der Ost-Ukraine vor. Verifizieren ließe sich das allerdings nicht.
    Auch in Georgien wächst die Sorge vor einer russischen Intervention, sagt Stephan Wackwitz vom Goethe-Institut in der georgischen Hauptstadt Tiflis. Im Deutschlandradio Kultur berichtete Wackwitz am Donnerstag von russischen Drogebärden gegenüber Georgien. Seit das georgische Parlament den Anschluss der Krim verurteilt habe, hätte Moskau einseitig Gespräche über die weitere Zusammenarbeit abgesagt. Außerdem habe Russland am Mittwoch Aufklärungsflüge über georgischem Luftraum aufgenommen.
    Lage auf der Krim hat sich weiter verschärft
    Am Mittwoch hatte sich die Lage auf der Krim weiter zugespitzt. So waren pro-russische Uniformierte ins Hauptquartier der ukrainischen Marine in Sewastopol eingedrungen. Dutzende zum Teil Maskierte hatten zu den Klängen der russischen Nationalhymne die russische Flagge gehisst.
    Mitglieder der "Selbstverteidigungskräfte" hätten die ukrainischen Offiziere herausgeleitet, berichten örtliche Medien. Die ukrainischen Mitarbeiter hätten keinen Widerstand geleistet und ihre Sachen gepackt, berichtet die Kiev Post, es habe keine Verletzten gegeben. Der Oberkommandeur der in Sewastopol stationierten Schwarzmeerflotte, Alexander Witko, verhandele über eine friedliche Übergabe, melden russische Agenturen.
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