Jury-Auswahl

Die besten Krimis 2024

13:07 Minuten
Street Art in Tel Aviv: Ein Banksy zugeschriebenes Graffiti zeigt einen Jungen, der ein Kampflugzeug wie einen Drachen fliegen lässt.
Lavie Tidhars Roman "Maror" erzählt von der dunklen Geschichte Israels – eine Geschichte voller Korruption, Mord, Verbrechen und moralischer Widersprüche. © picture alliance / 360-Berlin / Jens Knappe
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Jeden Monat veröffentlicht Deutschlandfunk Kultur die Krimibestenliste. Nun kürt die Jury ihre Favoriten der letzten zwölf Monate. Auffällig ist: Kein einziger deutscher Titel hat es auf die Jahresbestenliste geschafft.
Bei der Krimibestenliste geht es nicht um die ohnehin schon gut verkäuflichen Bestseller, erklärt Krimi-Experte und Jury-Mitglied Kolja Mensing. „Die Krimibesten-Jury schaut auf besondere Krimis, die das Genre weiterbringen, sich innovativ an Traditionen abarbeiten, neue Themen für den Krimi verfügbar machen." Darunter seien auch vergessene Bücher, die jetzt neu übersetzt wurden.
Den Auswahlprozess nennt Mensing eine "Trüffelsuche". Es sei aber auch die kritische Arbeit an einem Genre, das viele nur als Stapelware in den großen Buchhandlungen wahrnehmen würden.
Aus den monatlichen Bestenlisten hatte jeder der 17 Juroren seine vier Favoriten des Jahres ausgewählt. Daraus wurde dann die Jahresbestenliste erstellt.
Auffällig bei der Auswahl dieses Jahres: Auf der internationalen Liste steht kein deutschsprachiger Titel. Innovation im Bereich Krimi finde im deutschsprachigen Raum im Moment nicht statt, sagt Mensing.
"Die Verlage konzentrieren sich auf Übersetzungen, bei denen sie besser einschätzen können, ob die Titel sich auch dem deutschen Markt verkaufen könnten. Oder sie setzen auf das offensichtlich nicht totzukriegende Genre des Regionalkrimis beziehungsweise Tourismuskrimis", so der Krimi-Experte.

Platz 1: "Maror" von Lavie Tidhar

Aus dem Englischen von Conny Lösch
Suhrkamp Verlag
639 Seiten, 22 Euro
Israel. Vier Jahrzehnte Unterweltgeschichte. Serienmörder, Drogenhandel, Attentate, Raub, Vergewaltigung. Meisterlich kalt serviertes Verbrechens-Epos eines „normalen Staats“, wie ihn sein Gründer Ben Gurion ersehnte. Im Hintergrund Inspector Cohen, immer einen Bibelspruch auf den Lippen, Mord in der Tasche.

Platz 2: "Wage es nur!" von Megan Abbott

Aus dem Englischen von Karen Gerwig
Pulp Master Verlag
342 Seiten, 16 Euro
Cheerleading: wilde Mädchenträume, hartes Training, Zickenkrieg und Manipulationen. Addy und Beth waren beste Freundinnen. Bis Coach Colette Beth als Captain der Cheerleader entmachtete. Und Addy ihre neue Vertraute wurde, in Liebes- und Todesdingen. Und Beth immer radikaler. Highschool-Noir mit bittersüßer Note.

Platz 3: "Feuerjagd" von Tana French

Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
S. Fischer Verlag
525 Seiten; 25 Euro
Ardnakelty, Irland. Die 15-jährige Trey will nur eins: Rache für ihren ermordeten Bruder. Und seinen Leichnam finden. Als ihr verschollen geglaubter Vater mit einem Investor aus London auftaucht und den klammen Dörflern Millionen verspricht, erblickt sie darin die Gelegenheit zur Strafe. Nur Cop a. D. Hooper kann sie bremsen.

Platz 4: "Die Schnellimbissdetektivin" von Liza Cody

Aus dem Englischen von Iris Konopik
Argument Verlag mit Ariadne
351 Seiten, 18 Euro
London. Bei der Metropolitan Police gefeuert, ohne Wohnung, vom Ex terrorisiert – Hannah schuftet in der Imbissbude und als Underdog-Detektivin. Zermürbend viel am Hals: entführte Hunde, geklaute Kartoffeln, eine verlorene Stiefschwester, toxische Männer, Lügen, Selbstbetrug, Covid. Ironisch, witzig, bissig wie immer: Cody.

Platz 5: "Sag mir, was ich bin" von Una Mannion

Aus dem Englischen von Tanja Handels
Steidl Verlag
375 Seiten, 28 Euro
Philadelphia, Vermont. Ruby ist vier, als ihre psychisch labile Mutter spurlos verschwindet. Vater Lucas, toxisch puritanischer Macho, unterbindet über Jahre hinweg alle Erinnerungen und Kontakte zu Rubys mütterlicher Familie. Ihre Tante Nessa hält in Liebe zu ihr – gegen Lucas‘ Manipulationen und Lügen. Brillant.

Platz 6: "Jenseits des Grabes" von Fred Vargas

Aus dem Französischen von Claudia Marquardt
Limes Verlag
526 Seiten, 26 Euro
Louviec, Bretagne. Die Opfer halten ein Ei in der Hand und sind vom Floh gestochen, ein seltenes Messer steckt in ihrer Brust. Verdächtigt wird ein Urneffe Chateaubriands. Adamsberg eilt herbei, es ist sein zehnter Fall. Auf einem Dolmen träumend kreist er Täter ein, die gouvernementale Großrazzia greift vorbei.

Platz 7: "Die Narren sind auf unserer Seite" von Ross Thomas

Aus dem Englischen von Gisbert und Julian Haefs
Alexander Verlag
580 Seiten, 20 Euro
Hongkong. „Swankerton“. Kaum aus dem Knast freigekauft, wird Ex-Agent Lucifer Dye angeheuert, eine „nette“ texanische Stadt zu korrumpieren. Alteingesessene Provinzpotentaten und invasive Mobster hetzt er aufeinander. US-Wahlkampf à la Thomas: 580 brillante Seiten Intrige, Mord, Täuschung, Romantik, literarisches Florett.

Platz 8: "Seltsame Sally Diamond" von Liz Nugent

Aus dem Englischen von Kathrin Razum
Steidl Verlag
391 Seiten, 26 Euro
Carricksheedy. Neuseeland. Dass Sally nicht lügen kann, sich mit Leuten schwertut, liegt daran: Ihre Mutter wurde gekidnappt, Sally wuchs als Gefangene auf. Ihr Adoptivvater stirbt, sie verbrennt seine Leiche. Das ist nur der Anfang erschütternder Entdeckungen, kranker Verwicklungen. Nugent: eine Klasse für sich. Verstörend.

Platz 9: "Zu nah am Abgrund" von Pascal Garnier

Aus dem Französischen von Felix Mayer
Septime Verlag
144 Seiten, 20 Euro
St. Vincent, Ardèche. Nach dem Tod ihres Mannes fühlt sich Éliette, 64, im ländlichen Alterssitz ein wenig allein. Unternehmungslustig nimmt sie einen netten Anhalter mit, eine Liebelei entsteht. Gäbe es da nicht diese Reisetasche und seine koksende Tochter… Aus Idylle wird tödlicher Mahlstrom. Sprachwitz, Höllentempo: Garnier.

Platz 10: "Wenn die Nacht endet" von Christoffer Carlsson

Aus dem Schwedischen von Ulla Ackermann
Kindler Verlag
461 Seiten, 24 Euro
Skavböke, Halland. Jugendlieben, Jugendstreit: Nach einer Party 1999 wird Mikael, 18, erschlagen. Der verdächtige Killian taucht ab, sein Busenfreund Sander ist verwirrt. Alle drei waren hinter Felicia her. Ein Erdrutsch löscht den Tatort, nicht aber quälende Erinnerungen. Vertrauen, Freundschaft, Lügen – was gilt?
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