Christoph Peters: Der Arm des Kraken
Luchterhand, München 2015
352 Seiten, 19,99 Euro
Mörderjagd im Prenzlauer Berg
Eine Kommissarin und ein japanischer Killer ermitteln in einem Berliner Mordfall. Christoph Peters zeigt in seinem neuen Roman sein ganzes Können – und entstellt das Familien-Idyll Prenzlauer Berg bis zur Kenntlichkeit.
Christoph Peters ist der Mystiker unter den deutschen Gegenwartsautoren. Insofern kommt ein Thriller aus seiner Feder überraschend - aber doch auch wieder nicht. Wer sich dafür interessiert, wie alles mit allem zusammenhängt, interessiert sich wahrscheinlich auch für menschliche Abgründe. Und davon leuchtet Peters in "Der Arm des Kraken" so einige aus.
Seine Geschichte um die japanische Yakuza-Mafia, vietnamesische und arabische Geschäftsleute in Berlin und die Berliner Polizei erzählt Peters anhand zweier Stränge: Abwechselnd lassen Hauptkommissarin Annegret Bartsch und der japanische Yakuza-Killer Fumio Onishi ihren Gedankenströmen freien Lauf – die eine assoziativ und unsortiert, der andere knapp und konzentriert.
Die Thriller-Handlung bleibt ein wenig im Nebel
Ein Japaner mit einem seltsamen Kraken als Tätowierung ist ermordet worden, ausgerechnet im Berliner Vorzeige-Stadtteil Prenzlauer Berg; alles deutet auf vietnamesische Täter hin. Der Mord setzt nicht nur Annegret Bartsch und ihr Team vom Vietnamdezernat, die seit zehn Jahren keinen Ermittlungserfolg vorweisen können, in Gang, sondern auch einen japanischen Rächer.
Christoph Peters schildert die Hintergründe der Tat allerdings eher en passant. So weiß man als Leserin am Schluss gar nicht mehr recht, ob es nun um illegal beschaffte Haifischflossen, um Geldgeschäfte oder Machtkämpfe ging. Die eigentliche Thriller-Handlung bleibt ein wenig im Nebel, genau wie die Rollen der verschiedenen Akteure aus dem marokkanischen und vietnamesischen Milieu nicht ganz klar werden.
Christoph Peters schildert die Hintergründe der Tat allerdings eher en passant. So weiß man als Leserin am Schluss gar nicht mehr recht, ob es nun um illegal beschaffte Haifischflossen, um Geldgeschäfte oder Machtkämpfe ging. Die eigentliche Thriller-Handlung bleibt ein wenig im Nebel, genau wie die Rollen der verschiedenen Akteure aus dem marokkanischen und vietnamesischen Milieu nicht ganz klar werden.
Ein Killer, der nicht aus dem Grübeln kommt
Besser gelungen ist, worum es Christoph Peters offenbar eigentlich ging: die Beschreibung seiner beiden Protagonisten, die verschiedener kaum sein könnten und sich doch in einem Punkt ähneln: Ihre Gewissheiten sind ins Wanken geraten. Fumio Onishi, der sich nicht als Auftragskiller, sondern als eine Art Erbe der Samurai sieht, stellt sich ein bisschen zu viele Fragen. Und Annegret Bartsch hat es neben ihren beruflichen Misserfolgen mit Magenproblemen, einem verständnislosen Ehemann und einer quengeligen Tochter zu tun – und einer unterfinanzierten Berliner Polizei, die nicht einmal über einen Schießstand verfügt.
Ohnehin zeigt Christoph Peters in den Berlin-Skizzen sein ganzes Können, sie sind gut beobachtet und pointiert geschrieben. Besonders die Hundehalter-Szene am Anfang des Romans ist trocken, lakonisch, witzig; der Scanner-Blick, mit dem Fumio Onishi durch die Straßen streift, entstellt das Prenzlauer Berg-Familien-Idyll bis zur Kenntlichkeit.
Ohnehin zeigt Christoph Peters in den Berlin-Skizzen sein ganzes Können, sie sind gut beobachtet und pointiert geschrieben. Besonders die Hundehalter-Szene am Anfang des Romans ist trocken, lakonisch, witzig; der Scanner-Blick, mit dem Fumio Onishi durch die Straßen streift, entstellt das Prenzlauer Berg-Familien-Idyll bis zur Kenntlichkeit.
Unbedingt unterhaltsam
Dass Autoren von Romanen und Erzählungen auch mal ins Krimi- oder Thriller-Fach wechseln, ist nicht selten, hat aber in Deutschland immer noch das Geschmäckle von U-Literatur. Viele legen sich deshalb ein Pseudonym zu oder suchen sich für ihren Ausflug zum Krimi zumindest einen anderen Verlag. Dass Christoph Peters weder das eine noch das andere getan hat, lässt darauf schließen, dass er den "Arm des Kraken" als literarisches Experiment betrachtet. Das Ergebnis ist überwiegend gelungen und unbedingt unterhaltsam.