Die Heldin zeigt es allen - so sollte es sein
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Frauen in Krimis sind meistens Opfer. Nicht so bei Sara Paretsky. Ihre Privatdetektivin V.I. Warshawski ermittelt seit 1982 in harten Großstadtkrimis. Doch Paretsky geht es um mehr als nur ein anderes Frauenbild.
"Haben Sie so eine Arbeit schon einmal gemacht, Miss, äh …"
"Warshawski, V.I. Warshawski", antwortet die Heldin in der Verfilmung mit dem Titel "Detektiv in Seidenstrümpfen" aus dem Jahr 1991.
"Im amerikanischen Noir ist eine Frau, die sexuell aktiv ist, fast immer der Bösewicht oder sie wird ermordet oder beides. Eine Frau, die kein Sexualleben hat, ist unschuldig, aber sie kann keine Probleme lösen, kann kaum ihre Schuhe ohne Aufsicht zubinden", sagt Sara Paretsky.
Weibliche Hauptfigur, die ihre Probleme löst
Die 73-Jährige schreibt gerade in Chicago an ihrem 21. Detektivroman. Sie hatte in den 1970er-Jahren genug von diesen Frauenbildern, die man schon bei Chandler und Hammett findet:
"Ich wollte unbedingt eine Frau erschaffen, die wie ich und meine Freundinnen war, die einen Beruf ausübte, den es nicht gab, als wir aufgewachsen sind. Sie hat ein Sexleben, aber das bedeutet nicht, dass sie eine unmoralische Person ist. Und sie kann ihre eigenen Probleme lösen, muss nicht gerettet werden, sie muss kein Opfer sein, sie muss nicht ermordet werden."
Diese Figur ist die Chicagoer Privatdetektivin V.I. Warshawski, die seit 1981 mutig und selbstbestimmt gegen Vorurteile ankämpft. "Sie kommen mir nicht wie eine Privatdetektivin vor. Was bedeutet V.I.?", fragt ein Mann Paretskys Heldin im Film.
Sie steht auf der Seite der Kleinen und Benachteiligten, ermittelt vor allem gegen Wirtschaftskriminalität – in dem aktuellen Buch "Landnahme" gegen Spekulanten, die es auf Wassergrundstücke in Chicago abgesehen haben. Auch deshalb sind Paretskys Bücher mehr als eine bloße Umbesetzung von Geschlechtsstereotypen im Kriminalroman.
Vereinigung der Krimiautorinnen
Mit Autorinnen wie Sue Grafton und Liza Cody zeigte sie Anfang der 1980er-Jahre, dass Frauen mehr schreiben können als behagliche Rätselkrimis. Außerdem gründete sie 1986 "Sisters of Crime", die erste Vereinigung von Krimiautorinnen.
"Wir haben angefangen, Daten zu sammeln und hatten eine Liste von Tausenden Kriminalromanen, die 1987 veröffentlicht wurden. Wir fanden heraus, dass ein Buch eines Mannes siebenmal wahrscheinlicher rezensiert wurde als ein Buch von einer Frau", erinnert sie sich. "Also fingen wir an, Maßnahmen zu ergreifen – keine aggressiven Maßnahmen, wir brauchten die Buchverkäufer, Rezensenten und Verleger schließlich. Es waren Weiterbildungsmaßnahmen, sehr sanfte. Trotzdem war es erstaunlich, wie viel Angst sie bei den Männern in Branche auslösten."
Paretsky wurde vielfach persönlich angegriffen. Reaktionen, die es in der Gegenwart wieder bei ähnlichen Aktionen gibt.
Frauenbild in der Krimiliteratur
Damals und heute wollte Paretsky aber noch einen Schritt weitergehen und untersuchen, wie Frauen in der Literatur dargestellt werden. Gerade in der Kriminalliteratur ist das noch mehr als 30 Jahre nach Gründung der Sisters of Crime ein drängendes Thema.
"Mich beunruhigt, dass wir wieder dazu übergegangen sind, Frauen als Opfer statt als Handelnde zu sehen. Das vermutlich international bekannteste Buch ist Stieg Larssons "Verblendung", in dem wir von jedem bisschen Missbrauch lesen müssen, den die Protagonistin erduldet hat. Er wird anschaulich in allen Details beschrieben. Weil sie ein Opfer war, beginnt sie zu handeln. Sie ist nicht wie V.I., die sich den Job ausgesucht hat, weil sie handeln will – nicht, weil sie ein Opfer war."
"Wieso benutzt Du eigentlich immer nur Deine Initialen?", wird Heldin V.I. in der Verfilmung von einem Kind gefragt. Ihre Antwort: "Ein Mann kann dich nicht so herablassend behandeln, wenn er deinen Vornamen nicht kennt. Abgesehen davon bekomme ich wesentlich mehr Respekt und wesentlich mehr Jobs, wenn ich mich V.I. nenne anstelle von Vicky."
Feminismus in der Krimi-Szene
Paretsky sagt dazu: "Es ist schlecht für eine Frau, Ambitionen zu haben. Ich denke, dass Krimis sowohl von Frauen als auch von Männern weiterhin in diese Falle tappen. Aber gleichzeitig gibt es auch Autorinnen und Autoren, die Frauen anders sehen, es ist also keine einseitige Sache."
Autorinnen wie Liza Cody, die mit Eva Wylie gleichzeitig mit Stieg Larsson eine ganz andere Figur erschuf, haben indes weit weniger Aufmerksamkeit bekommen. Feministisches Engagement kann desillusionierend sein, weiß auch Paretsky. Insgesamt aber glaubt sie, dass sich seit Beginn ihrer Karriere in den 1980er-Jahren etwas geändert hat:
"Als Sue Grafton und ich angefangen haben, sind wir zu nationalen Konferenzen gegangen und saßen immer zusammen auf dem Panel, in dem es darum ging, dass Frauen Krimis schreiben. Wir konnten nicht über größere Themen sprechen", blickt Paretsky zurück.
Veränderungen auch zum Besseren
Jetzt sei es nicht mehr ungewöhnlich, wenn eine Frau ein Meeting leite oder viele Frauen bei einer Autorenkonferenz seien, sagt die 73-Jährige. "Also ja, es hat sich definitiv etwas geändert. Es gab gute Veränderungen, nicht nur schlechte."
"Männer sind wirklich Vollidioten", sagt ein Kind in "Detektiv in Seidenstrümpfen". V.I.s Antwort: "Unterschätze niemals die Fähigkeit eines Mannes, eine Frau zu unterschätzen."