Deutschlandfunk Kultur und die Frankfurter Allgemeine Zeitung präsentieren die besten Krimis des Monats.
Über das Leben lässt sich am schärfsten nachdenken, wenn es entschwindet: So könnte eine Weisheit aus Young-Ha Kims Roman „Aufzeichnungen eines Serienmörders“ lauten.© Cass / Deutschlandradio
Südkorea. Vor 25 Jahren hat Byongsun Kim zuletzt gemordet. Jetzt zerfrisst Alzheimer den Verstand des Serienmörders. Gefahr! Ein Killer bedroht seine Tochter. Diesen Rivalen muss er noch töten, auch wenn ihm die Kontrolle entgleitet. Lakonisch, lebensweise, ein Meisterwerk des schwarzen Humors.
1 (-) Young-Ha Kim: "Aufzeichnungen eines Serienmörders"
Aus dem Koreanischen von Inwon Park.
cass, 152 Seiten, 20 Euro
Ein Kind verschwindet. Die Polizei stößt auf Verbindungen zu einem weiteren vermissten Jungen.© Galiani / Deutschlandradio
Wiesbaden, Innsbruck. Der kleine Jannis ist weg, der kleine Dawit auch. Entführt von Marko, hinter dem noch einer steckt. Das wissen die Ermittler lange nicht, die haben eigene Probleme. Einsam ist der eine, pädophil der andere. Mit dabei: ein Teddybär, ein Campingplatz, viel Angst, viel Schuld.
2 (1) Jan Costin Wagner: "Sommer bei Nacht"
Galiani, 314 Seiten, 20 Euro
Aus dem Gefängnis hinein in den Bruderzwist: Lisa Sandlins Krimi "Family Business"© Suhrkamp / Deutschlandradio
Beaumont, Texas 1973. Delpha, nach 14 Jahren Gefängnis frei auf Bewährung, "entwickelt sich weiter". Ein dorniger Weg, doch die Sekretärin von "Phelan Investigations" ist tapfer, menschenfreundlich und schlau. In Notwehr tötet sie einen Serienmörder, dann klärt sie einen tödlichen Bruderzwist auf.
3 (-) Lisa Sandlin: "Family Business"
Aus dem Englischen von Andrea Stumpf.
Suhrkamp, 358 Seiten, 10 Euro
Konflikte dramaturgisch spannend verwirrt: Attica Locke ist eine Meisterin ihres Fachs.© Polar Verlag
"Hopetown", Ost-Texas. Ein neunjähriger Bengel ist verschwunden, Blacks und Native Americans verteidigen ihre Heimat am Lake Caddo, Trump ist gewählt. Darren, schwarz, Texas Ranger, konstruiert Beweise gegen die "Arische Bruderschaft", will seinen Leuten helfen, seinen Job behalten, das Richtige tun.
4 (2) Attica Locke: "Heaven, My Home"
Aus dem Englischen von Susanna Mende.
Polar, 322 Seiten, 22 Euro
Maskuline Thrillerkost: Jérôme Leroys "Der Schutzengel"© Edition Nautilus
Frankreich. Seit 20 Jahren beschützt der Auftragsmörder Berthet Kardiatou Diop, eine schwarze Schönheit, aus dem Slum aufgestiegen zur Staatssekretärin. Diese Loyalität stört die Umsturzpläne seiner geheimen Auftraggeber, er soll sterben. Rasanter Politthriller, stylish, komplex, maskulin romantisch.
5 (-) Jérôme Leroy: "Der Schutzengel"
Aus dem Französischen von Cornelia Wend.
Edition Nautilus, 352 Seiten, 20 Euro
Rückblick in die "bleierne Zeit" Italiens: "Die jungen Bestien" von Davide Longo.© Deutschlandradio/ Rowohlt
Turin 1974, 2008. Zehn Skelette werden an der Bahnstrecke Mailand-Turin gefunden, Opfer der "bleiernen Jahre" des Terrors. Commissario Arcadipane, Hackerin Isa und sein Mentor Bramard bohren in alten Wunden. Eine Generation später sind sie kaum vernarbt. Misstrauen, Trauer, Härte, schmale Auswege.
6 (3) Davide Longo: "Die jungen Bestien"
Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner.
Rowohlt, 412 Seiten, 22 Euro
Der Tote in „Der erste Mensch“ war Teil eines Teams, das urgeschichtliche Zeichnungen in einer Höhe untersuchte.© Unionsverlag
Marseille. Waren Urmenschen die wahren Menschen? Davon sind der schizophrene Mörder Thomas Autran und seine Schwester, eine Anthropologin, bis zum Wahn überzeugt. Prähistorie und Psychologie, Magie und Mord – Bonnots Rezept funktioniert auch im vierten Krimi um "Baron" Michel de Palma prima.
7 (7) Xavier-Marie Bonnot: "Der erste Mensch"
Aus dem Französischen von Gerhard Meier.
Unionsverlag, 348 Seiten, 19 Euro
Kriminologisch interessanter Männerverschleiß: Oyinkan Braithwaites "Meine Schwester, die Serienmörderin".© Aufbau Verlag
Lagos. Krankenschwester Korede will nicht mehr hinter Ayoola, ihrer Sexbombe von Schwester, herräumen, deren Lover meist eines unnatürlichen Todes sterben. Erst recht nicht, als Ayoola den smarten Doktor umgarnt, den Korede schon für sich gewonnen glaubte. Schwesternhass und -liebe in Macho-Welt.
8 (-) Oyinkan Braithwaite: "Meine Schwester, die Serienmörderin"
Aus dem Englischen von Yasemin Dinçer.
Blumenbar, 240 Seiten, 20 Euro
London, Sonnensystem 2091. Der Journalist wird erschossen, der einen Hinweis auf den Verbleib der (all-) mächtigen Künstlichen Intelligenz Æther besaß. Agent/-in Fran Bittner reist bis in den Kuipergürtel, um zu erfahren, dass auch eine KI Moral kennt. Gelungene Kombination aus Science Fiction und Thriller.
9 (-) Tom Hillenbrand: "Qube"
KiWi, 556 Seiten, 12 Euro
In einer verschlafenen Kleinstadt erzählt man sich, dass Lisbeth Broussard das zweite Gesicht hat, nachdem sie als junge Frau einen Serienmörder enttarnt hat.© Luzifer / Deutschlandradio
Nahe München. Als Kind hatte sie das zweite Gesicht, jetzt hätte es Krankenschwester Lisbeth dringend nötig - wie vor 30 Jahren ist ein Mörder in der Kleinstadt. Kehrt die mühselig verdrängte Vergangenheit schlimmer wieder? Angst wird Horror, Erinnerung Qual. "Wir haben nicht nur eine Geschichte." Stark.
10 (10) Richard Lorenz: "Hinter den Gesichtern"
Luzifer, 294 Seiten, 13,95 Euro
Wie funktioniert die Abstimmung?
Die Krimibestenliste wird im Auftrag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und von Deutschlandfunk Kultur durch eine Jury aus Kritikerinnen und Kritikern erstellt.
Es sind 19 Spezialistinnen und Spezialisten für Kriminalliteratur aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die aus der laufenden Produktion monatlich jeweils vier Titel vorschlagen, die sie mit sieben, fünf, drei oder einem Punkt bewerten. Der so gefundene Punktwert pro Titel wird mit der Zahl der für ihn abgegebenen Stimmen multipliziert. Daraus wird die monatliche Liste berechnet.
Jedes Jurymitglied darf insgesamt drei Mal für denselben Titel votieren. Voten für Titel, an deren Entstehung oder Vorbereitung man beteiligt war, sind verboten. Die Titel dürfen nicht älter als zwölf Monate und keine Wiederauflagen, Sammelbände oder Anthologien sein. Unterschiede zwischen Hardcover, Paperback und Taschenbuch werden nicht gemacht.
Im Durchschnitt kommen fünf Titel neu auf die monatliche Liste. Die Ziffer in Klammern gibt den Rang des Vormonats an.
Die Jury:
Tobias Gohlis, Sprecher der Jury
Volker Albers, "Hamburger Abendblatt"
Andreas Ammer, "Druckfrisch", ARD
Gunter Blank, "Rolling Stone"
Thekla Dannenberg, "Perlentaucher"
Hanspeter Eggenberger, "Tages-Anzeiger"
Fritz Göttler, "Süddeutsche Zeitung"
Jutta Günther, "Radio Bremen Zwei"
Sonja Hartl, "Zeilenkino", "Crimemag", "Deutschlandfunk Kultur"
Hannes Hintermeier, "Frankfurter Allgemeine Zeitung"
Peter Körte, "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung"
Alf Mayer, "CulturMag", "Strandgut"
Kolja Mensing, "Deutschlandfunk Kultur"
Marcus Müntefering, "Der Spiegel"
Ulrich Noller, "Deutschlandfunk Kultur", "Deutschlandfunk", "SWR", "WDR"
Frank Rumpel, "SWR"
Ingeborg Sperl, "Der Standard"
Sylvia Staude, "Frankfurter Rundschau"
Jochen Vogt, "NRZ", "WAZ"