Deutschlandfunk Kultur und die Frankfurter Allgemeine präsentieren die besten Krimis des Monats.
1 (4) John le Carré: "Federball"
Aus dem Englischen von Peter Torberg
Ullstein, 352 Seiten, 24 Euro
John Le Carré: "Federball"© Cover: Ullstein
London. Nat und Ed, alternder Spion und radikaler, junger Remainer, ein wenig Vater und Sohn, bei 15 Badmintonspielen. MI6 und Bruderdienst CIA in Zeiten von Brexit und Trump: wenig Verstand, politisch konfus, dreist korrupt. Le Carré mit 88: liebenswürdig, klar, elegant. Verficht Jugendtraum Europa.
2 (10) Hannelore Cayre: "Die Alte"
Aus dem Französischen von Iris Konopik
Ariadne im Argument-Verlag, 203 Seiten, 18 Euro
Wenn die Kohle knapp wird, kann man es immer noch mit Drogenhandel probieren. Wozu das führen kann, lernt man schon bei "Breaking Bad". Aber leider haben nicht alle die Serie gesehen, wie "Die Alte" von Hannelore Cayre.© Ariadne
Paris. Madame Portefeux übersetzt seit 25 Jahren Arabisch für die Polizei. Ihr Verdienst geht für das Altenheim der Mutter drauf. Als sie auf einen Berg Haschisch stößt, greift sie zu. Alle leben vom Drogenhandel – warum nicht sie? Nieder mit der Heuchelei, die Frechheit an die Macht!
3 (3) Paulus Hochgatterer: "Fliege fort, fliege fort"
Deuticke, 286 Seiten, 23 Euro
Zuerst werden alte Menschen gequält, dann verschwindet ein Kind: "Fliege fort, fliege fort" ist Paul Hochgatterers Lob der Erzählfreiheit.© Deuticke
"Furth am See". Mehr Provinzstadtanalyse als Kriminalroman: Opfer von Kinderheimgewalt nehmen sich das Recht zur Vergeltung, kommentiert und observiert von Kripomann Kovacs und Psychiater Horn. Rassistenautos brennen, Kinder werden entführt. Offen in alle menschlichen Richtungen, Lob der Erzählfreiheit.
4 (8) Norbert Horst: "Bitterer Zorn"
Goldmann, 320 Seiten; 13 Euro
In diesem Buch verschwinden drei Menschen - und nicht alle kehren zurück, verrät der Verlag. Welche, das sind, behalten wir aber für uns.© Goldmann
Dortmund. Im Krieg zweier Clans wird ein Mädchen entführt. Ein junger Einbrecher ist auch verschwunden. Steiger behält im Dauerstress einen klaren Kopf und hat Ideen. Das Gesetz (des Handelns) halten andere in der Hand. Straßenrealistisch, seelengenau: Bei Norbert Horst wird Polizeialltag Literatur.
5 (-) Regina Nössler: "Die Putzhilfe"
Konkursbuch, 402 Seiten, 12,90 Euro
Feinpsychologische Studien über die Abgründe des normalen Alltags: Regina Nösslers "Die Putzhilfe".© Konkursbuch
Senden, Berlin-Neukölln. Klassenwechsel: Die promovierte Soziologin Franziska lässt in der Münsterländer Provinz Mann und Haus hinter sich, taucht in Berlin unter und verdingt sich als Putzhilfe. Raffiniertes Spiel mit Krimi- und Sozialklischees. Ganz aus der Perspektive dreier verstörter Frauen.
6 (-) Fuminori Nakamura: "Der Revolver"
Aus dem Japanischen von Thomas Eggenberg
Diogenes, 186 Seiten, 22 Euro
Fuminori Nakamura: "Der Revolver"© Diogenes
Tokio. Wer einen Revolver hat, schießt auch. Nishikawa hat einen gefunden bei einem Mann, der sich vermutlich damit umgebracht hat. Jetzt übernimmt der Revolver den Mann. Nishikawas Inneres macht alles durch, was der Revolver will, dieses Symbol des Todes, der Macht und der amerikanischen Kultur.
7 (-) James Lee Burke: "Mein Name ist Robicheaux"
Aus dem Englischen von Jürgen Bürger
Pendragon, 600 Seiten, 22 Euro
James Lee Burke: "Mein Name ist Robicheaux"© Pendragon
New Iberia. Männerrivalität: Politiker Nightingale und Schriftsteller Broussard ringen um den wahren Süden, einer als Kandidat, einer als Filmemacher. Dazwischen Robicheaux, der nicht weiß, ob er im Suff den Mann umgebracht hat, der seine Frau tötete. Abgründe der Gewalt, vom Epiker aus Louisiana.
8 (6) Simone Buchholz: "Hotel Cartagena"
Suhrkamp, 230 Seiten, 15,95 Euro
In unserer Redaktion gibt es jedes Mal ein Hauen und Stechen, wer das neue Buch zuerst mit nach Hause nehmen darf, denn wir sind alle süchtig nach Simone Buchholz.© Suhrkamp Verlag
Hamburg, Cartagena. Henning ist der Seemann, der nie wieder nach Hamburg zurückkommen will. Sein Glück findet er im kolumbianischen Cartagena, sein Unglück auch, das kommt aus der Hansestadt. Chastity und Freunde werden Geiseln eines großen Racheakts. "Überall schwarze Löcher." Blow out.
9 (-) Sarah Schulman: "Trüb"
Aus dem Englischen von Else Laudan
Ariadne im Argument-Verlag, 270 Seiten, 20 Euro
Sarah Schulman: "Trüb"© Ariadne
New York 2017. Suchtkranke verstehen was von Sucht. Maggie Terry nutzt ihre zweite Chance. Als Privatermittlerin eines Anwalts quält sich die Ex-Polizistin, nach dem Entzug geschüttelt von Flashbacks und Versuchungen, ermittelnd zurück ins Soziale. Vereinsamt, verraten, in einer kranken Stadt.
10 (6) Dror Mishani: "Drei"
Aus dem Hebräischen von Markus Lemke
Diogenes, 336 Seiten, 24 Euro
Zum viertenMal auf der Bestenliste: "Drei" von Dror Mishani.© Diogenes Verlag
Tel Aviv, Bukarest. Drei Frauen – immer derselbe Mann. Über ein Dating-Portal für Geschiedene kommen Orna und Gil zusammen. Bis sie mitkriegt, dass er sie getäuscht hat. Emilia und Ella queren auch seinen Weg. Der Rest ist Kritikers Schweigen und Bewunderung. Vivisektion der Alltagsbösartigkeit.
Wie funktioniert die Abstimmung?
Die Krimibestenliste wird im Auftrag der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" und von Deutschlandfunk Kultur durch eine Jury aus Kritikerinnen und Kritikern erstellt.
Es sind 19 Spezialistinnen und Spezialisten für Kriminalliteratur aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die aus der laufenden Produktion monatlich jeweils vier Titel vorschlagen, die sie mit sieben, fünf, drei oder einem Punkt bewerten. Der so gefundene Punktwert pro Titel wird mit der Zahl der für ihn abgegebenen Stimmen multipliziert. Daraus wird die monatliche Liste berechnet.
Jedes Jurymitglied darf insgesamt drei Mal für denselben Titel votieren. Voten für Titel, an deren Entstehung oder Vorbereitung man beteiligt war, sind verboten. Die Titel dürfen nicht älter als zwölf Monate und keine Wiederauflagen, Sammelbände oder Anthologien sein. Unterschiede zwischen Hardcover, Paperback und Taschenbuch werden nicht gemacht.
Im Durchschnitt kommen fünf Titel neu auf die monatliche Liste. Die Ziffer in Klammern gibt den Rang des Vormonats an.
Tobias Gohlis, Sprecher der Jury
Volker Albers, "Hamburger Abendblatt"
Andreas Ammer, "Druckfrisch", BR
Gunter Blank, "Rolling Stone"
Thekla Dannenberg, "Perlentaucher"
Hanspeter Eggenberger, "Tages-Anzeiger"
Fritz Göttler, "Süddeutsche Zeitung"
Jutta Günther, "Radio Bremen Zwei"
Sonja Hartl, "Zeilenkino", "Crimemag", "Deutschlandfunk Kultur"
Hannes Hintermeier, "Frankfurter Allgemeine Zeitung"
Peter Körte, "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung"
Kolja Mensing, "Deutschlandfunk Kultur"
Marcus Müntefering, "Spiegel Online"
Ulrich Noller, Deutschlandfunk Kultur, Deutschlandfunk, SWR, WDR
Frank Rumpel, SWR
Margarete von Schwarzkopf, Literaturkritikerin
Ingeborg Sperl, "Der Standard"
Sylvia Staude, "Frankfurter Rundschau"
Jochen Vogt, "NRZ", "WAZ"