Deutschlandfunk Kultur und die Frankfurter Allgemeine Zeitung präsentieren die besten Krimis des Monats.
1 (-) Jan Costin Wagner: "Sommer bei Nacht"
Galiani, 314 Seiten, 20 Euro
Abgründig: Jan Costin Wagners Ermittler liebt Kinder mehr, als ihm lieb ist.© Galiani / Deutschlandradio
Wiesbaden, Innsbruck. Der kleine Jannis ist weg, der kleine Dawit auch. Entführt von Marko, hinter dem noch einer steckt. Das wissen die Ermittler lange nicht, die haben eigene Probleme. Einsam ist der eine, pädophil der andere. Mit dabei: ein Teddybär, ein Campingplatz, viel Angst, viel Schuld.
2 (2) Attica Locke: "Heaven, My Home"
Aus dem Englischen von Susanna Mende
Polar, 322 Seiten, 22 Euro
Illusionslos: Wenn Schwarz und Weiß im texanischen "Hopetown" aufeinander prallen, kommt niemand sauber raus.© Polar Verlag
"Hopetown", Ost-Texas. Ein neunjähriger Bengel ist verschwunden, Blacks und Native Americans verteidigen ihre Heimat am Lake Caddo, Trump ist gewählt. Darren, schwarz, Texas Ranger, konstruiert Beweise gegen die "Arische Bruderschaft", will seinen Leuten helfen, seinen Job behalten, das Richtige tun.
3 (-) Davide Longo: "Die jungen Bestien"
Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner
Rowohlt, 412 Seiten, 22 Euro
Bodenlos: Zwei Kommissare graben einen 40 Jahre alten Fall aus und geraten in einen Morast von Lügen und Intrigen.© Rowohlt / Deutschlandradio
Turin 1974, 2008. Zehn Skelette werden an der Bahnstrecke Mailand-Turin gefunden, Opfer der "bleiernen Jahre" des Terrors. Commissario Arcadipane, sein Mentor Bramard und Hackerin Isa bohren in alten Wunden. Eine Generation später sind sie kaum vernarbt. Misstrauen, Trauer, Härte, schmale Auswege.
4 (3) Nicci French: "Was sie nicht wusste"
Aus dem Englischen von Birgit Moosmüller
C. Bertelsmann, 446 Seiten, 16 Euro
Grenzwertig: Arbeit, Ehe, Kinder, Haushalt und Affäre - als dann noch jemand stirbt, wird Neve alles ein bisschen zuviel.© C. Bertelsmann
London. Neve hat mit Künstlermann ohne Job, Kindern und Beruf genug am Hut, da kommt ihr die Affäre mit dem Chef wie die große Freiheit vor. Bis sie ihn tot im Stelldichein findet, die Spuren von Mord und Affäre beseitigt und abhaut. Gut gemachtes Hohelied auf die toughe Durchschnittsfrau.
5 (10) Liz Moore: "Long Bright River"
Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
C.H. Beck, 414 Seiten, 24 Euro
Schonungslos: Eine Polizistin bekämpft Drogenhandel und Zwangsprostitution in Philadelphia und ist selbst tief in die Szene verstrickt.© C.H. Beck
Philadelphia. Kacey nimmt Drogen, Mickey ist Polizistin, im Stadtteil geht ein Frauenmörder um. Das ist der Rahmen für den Schwesternkampf, hier die alleinerziehende Mutter, rechtschaffen und pflichtbewusst, da die unbeherrschte Abhängige. Drumherum Opioid-Katastrophe. Wem ist noch zu trauen?
6 (-) Frank Göhre: "Verdammte Liebe Amsterdam"
Culturbooks, 158 Seiten, 15 Euro
Entlarvend: Ein Mann will wissen, warum sein Bruder starb. Die Spur führt ihn von einer deutschen Raststätte bis ins Rotlichtmilieu von Amsterdam.© Culturbooks / Deutschlandradio
Köln, Hamburg, Amsterdam. Ein gebrochener Schwur, eine alte Liebe, ein unvergessener Totschlag: Background für Schorschs Suche nach den Mördern seines Bruders und nach einer Jugendlichen, die nach Holland abgehauen ist. Unterhalb der Spießerlatte: schwarze Romantik, raues Leben. Das kann nur Göhre.
7 (-) Xavier-Marie Bonnot: "Der erste Mensch"
Aus dem Französischen von Gerhard Meier
Unionsverlag, 348 Seiten, 19 Euro
Zappenduster: Der Unfall eines Höhlentauchers führt Kommissar Michel de Palma auf die Spur uralter Ritualmorde.© Unionsverlag
Marseille. Waren Urmenschen die wahren Menschen? Davon sind der schizophrene Mörder Thomas Autran und seine Schwester, eine Anthropologin, bis zum Wahn überzeugt. Prähistorie und Psychologie, Magie und Mord – Bonnots Rezept funktioniert auch im vierten Krimi um "Baron" Michel de Palma prima.
8 (6) Robert E. Dunn: "Dead Man's Badge"
Aus dem Englischen von Philipp Seedorf
Luzifer, 356 Seiten, 14,95 Euro
Texas. Longview Moody, Geldkurier eines Drogenkartells, entkommt seiner Hinrichtung und gibt hinfort als sein Bruder Paris Tindall den Polizeichef im Grenzort "Lansdale", der fest in den Klauen der DEA und eines anderen Kartells ist. Longview weiß, wie man solche Leute zurechtstößt. Rasanter Thriller.
Ausgebufft: In Robert E. Dunns Krimi wird ein Gangster zum Sheriff - und erweist sich als höchst qualifiziert.© Luzifer Verlag / Deutschlandradio
9 (1) Sarah Schulman: "Trüb"
Aus dem Englischen von Else Laudan
Ariadne im Argument-Verlag, 270 Seiten, 20 Euro
Abgestürzt: Nach Drogen- und Alkoholentzug eröffnet eine Ex-Polizistin ein Detektivbüro und übernimmt einen Mordfall - dabei hätte sie mit den eigenen Problemen genug zu tun.© Ariadne
New York 2017. Suchtkranke verstehen was von Sucht. Maggie Terry nutzt ihre zweite Chance. Als Privatermittlerin eines Anwalts quält sich die Ex-Polizistin, nach dem Entzug geschüttelt von Flashbacks und Versuchungen, ermittelnd zurück ins Soziale. Vereinsamt, verraten, in einer kranken Stadt.
Neu 10 (-) Richard Lorenz: "Hinter den Gesichtern"
Luzifer, 294 Seiten, 13,95 Euro
Übersinnlich: Als Kind enttarnte Lisbeth einen Serienmörder durch hellseherische Kräfte. Sieht sie immer noch mehr, als andere?© Luzifer / Deutschlandradio
Nahe München. Als Kind hatte sie das zweite Gesicht, jetzt hätte es Krankenschwester Lisbeth dringend nötig. Wie vor 30 Jahren ist ein Mörder in der Kleinstadt. Kehrt die mühselig verdrängte Vergangenheit schlimmer zurück? Angst wird Horror, Erinnerung Qual. "Wir haben nicht nur eine Geschichte." Stark.
Wie funktioniert die Abstimmung?
Die Krimibestenliste wird im Auftrag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und von Deutschlandfunk Kultur durch eine Jury aus Kritikerinnen und Kritikern erstellt.
Es sind 19 Spezialistinnen und Spezialisten für Kriminalliteratur aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die aus der laufenden Produktion monatlich jeweils vier Titel vorschlagen, die sie mit sieben, fünf, drei oder einem Punkt bewerten. Der so gefundene Punktwert pro Titel wird mit der Zahl der für ihn abgegebenen Stimmen multipliziert. Daraus wird die monatliche Liste berechnet.
Jedes Jurymitglied darf insgesamt drei Mal für denselben Titel votieren. Voten für Titel, an deren Entstehung oder Vorbereitung man beteiligt war, sind verboten. Die Titel dürfen nicht älter als zwölf Monate und keine Wiederauflagen, Sammelbände oder Anthologien sein. Unterschiede zwischen Hardcover, Paperback und Taschenbuch werden nicht gemacht.
Im Durchschnitt kommen fünf Titel neu auf die monatliche Liste. Die Ziffer in Klammern gibt den Rang des Vormonats an.
Tobias Gohlis, Sprecher der Jury
Volker Albers, "Hamburger Abendblatt"
Andreas Ammer, "Druckfrisch", ARD
Gunter Blank, "Rolling Stone"
Thekla Dannenberg, "Perlentaucher"
Hanspeter Eggenberger, "Tages-Anzeiger"
Fritz Göttler, "Süddeutsche Zeitung"
Jutta Günther, "Radio Bremen Zwei"
Sonja Hartl, "Zeilenkino", "Crimemag", "Deutschlandfunk Kultur"
Hannes Hintermeier, "Frankfurter Allgemeine Zeitung"
Peter Körte, "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung"
Alf Mayer, "CulturMag", "Strandgut"
Kolja Mensing, "Deutschlandfunk Kultur"
Marcus Müntefering, "Der Spiegel"
Ulrich Noller, "Deutschlandfunk Kultur", "Deutschlandfunk", "SWR", "WDR"
Frank Rumpel, "SWR"
Ingeborg Sperl, "Der Standard"
Sylvia Staude, "Frankfurter Rundschau"
Jochen Vogt, "NRZ", "WAZ"