Deutschlandfunk Kultur und die Frankfurter Allgemeine Zeitung präsentieren die besten Krimis des Monats.
Über das Leben lässt sich am schärfsten nachdenken, wenn es entschwindet: So könnte eine Weisheit aus Young-Ha Kims Roman „Aufzeichnungen eines Serienmörders“ lauten.© Cass / Deutschlandradio
Südkorea. Vor 25 Jahren hat Byongsu Kim zuletzt gemordet. Jetzt zerfrisst Alzheimer den Verstand des Serienmörders. Gefahr! Ein Killer bedroht seine Tochter. Diesen Rivalen muss er noch töten, auch wenn ihm die Kontrolle entgleitet. Lakonisch, lebensweise, ein Meisterwerk des schwarzen Humors.
1 (1) Young-Ha Kim: "Aufzeichnungen eines Serienmörders"
Aus dem Koreanischen von Inwon Park
Cass, 152 Seiten, 20 Euro
In "Late Show" tritt Michael Connellys neue Heldin erstmals auf.© Kampa / Deutschlandradio
Los Angeles. Sexualisierte Gewalt im LAPD, überall. Detective Renée Ballard zeigte einen Lieutenant wegen sexueller Belästigung an und landete in der Nachtschicht (Polizeijargon: "Late Show"). Sie lässt sich nicht unterkriegen, ermittelt gegen den Strom: Connellys neue Serienheldin legt clever los.
2 (-) Michael Connelly: "Late Show"
Aus dem Englischen von Sepp Leeb
Kampa, 432 Seiten, 19,90 Euro
Aus dem Gefängnis hinein in den Bruderzwist: Lisa Sandlins Krimi "Family Business"© Suhrkamp / Deutschlandradio
Beaumont, Texas 1973. Delpha, nach 14 Jahren Gefängnis frei auf Bewährung, "entwickelt sich weiter". Ein dorniger Weg, doch die Sekretärin von "Phelan Investigations" ist tapfer, menschenfreundlich und schlau. In Notwehr tötet sie einen Serienmörder, dann klärt sie einen tödlichen Bruderzwist auf.
3 (3) Lisa Sandlin: "Family Business"
Aus dem Englischen von Andrea Stumpf
Suhrkamp, 358 Seiten, 10 Euro
Bei Sara Paretsky beginnt alles mit der Suche nach zwei Menschen vom Film.© Argument Verlag , Ariadne / Deutschlandradio
Lawrence, Kansas. Vic Warshawski soll eigentlich nur nachschauen, wo ein Jungfilmer und eine alte Schauspielerin geblieben sind. Am Ort ihres Verschwindens stolpert Vic über Leichen, fightet mit Sheriff und Army, Showdown im Raketensilo. Nicht nur Lee Child ist entzückt.
4 (-) Sara Paretsky: "Altlasten"
Aus dem Englischen von Laudan und Szelinski
Ariadne im Argument, 544 Seiten, 24 Euro
Cai Jun schreibt in "Rachegeist" über Mord und Ordnung. © Piper / Deutschlandradio
1995 wird Lehrer Shen Ming ermordet. 2004 hat seine ruhelose Seele den Grundschüler Si Wang übernommen und startet den Rachefeldzug. Ungehemmt, phantastisch, chaotisch unterminieren Cai Juns Getriebene die konfuzianisch kommunistische Harmoniedecke: In diesem Roman gibt es nur Mord oder Ordnung.
5 (-) Cai Jun: "Rachegeist"
Aus dem Chinesischen von Eva Schestag
Piper, 512 Seiten, 16 Euro
Ein Kind verschwindet. Die Polizei stößt auf Verbindungen zu einem weiteren vermissten Jungen.© Galiani / Deutschlandradio
Wiesbaden, Innsbruck. Der kleine Jannis ist weg, der kleine Dawit auch. Entführt von Marko, hinter dem noch einer steckt. Das wissen die Ermittler lange nicht, die haben eigene Probleme. Einsam ist der eine, pädophil der andere. Mit dabei: ein Teddybär, ein Campingplatz, viel Angst, viel Schuld.
6 (2) Jan Costin Wagner: "Sommer bei Nacht"
Galiani, 314 Seiten, 20 Euro
Maskuline Thrillerkost: Jérôme Leroys "Der Schutzengel"© Edition Nautilus / Deutschlandradio
Frankreich. Seit 20 Jahren beschützt der Auftragsmörder Berthet Kardiatou Diop, eine schwarze Schönheit, aus dem Slum aufgestiegen zur Staatssekretärin. Diese Loyalität stört die Umsturzpläne seiner geheimen Auftraggeber, er soll sterben. Rasanter Politthriller, stylish, komplex, maskulin romantisch.
7 (5) Jérôme Leroy: "Der Schutzengel"
Aus dem Französischen von Cornelia Wend
Edition Nautilus, 352 Seiten, 20 Euro
Angie Kims "Miracle Creek" ist ein wendungsreiches Debüt.© Hanser / Deutschlandradio
"Miracle Creek", Virginia. Beim Brand einer Druckkammer für Sauerstofftherapie, betrieben von einer koreanischen Migrantenfamilie, sterben zwei Menschen, vier werden schwer verletzt. Gerichtsdrama, Einwanderungsroman, Milieustudie über Mütter behinderter Kinder. Kluges, wendungsreiches Debüt.
8 (-) Angie Kim: "Miracle Creek"
Aus dem Englischen von Marieke Heimburger
Hanserblau, 510 Seiten, 22 Euro
Horst Eckert betreibt Schwarzmalerei.© Heyne / Random House
NRW. Alles Verschwörungstheorie? Alte RAF-Mitglieder rauben für die Rente, Reichsbürger zündeln am Aufstand, rechte Verfassungsschützer und Politiker instrumentieren das für die Machtübernahme. Verfassungsschützerin Khalid und Vincent Veih haben dagegen fast nichts in der Hand. Unheimliche Schwarzmalerei.
9 (-) Horst Eckert: "Im Namen der Lüge"
Heyne, 576 Seiten, 12,99 Euro
Matthias Wittekindt stellt zwei ungleiche Brüder in den Mittelpunkt.© Edition Nautilus / Deutschlandradio
"Envie" nahe Brüssel. Eine Ortschaft in den siebziger Jahren. Schicht um Schicht rekonstruiert Wittekindt das Heranwachsen Iason Fourniers, wild, sensibel, gewalttätig, und seines zarteren Bruders Vincent, fokussiert um zwei Jugendliche, erfroren im Feld. Symphonie in Worten, für große Sommerabende.
10 (-) Matthias Wittekindt: "Die Brüder Fournier"
Edition Nautilus, 272 Seiten, 18 Euro
Wie funktioniert die Abstimmung?
Die Krimibestenliste wird im Auftrag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und von Deutschlandfunk Kultur durch eine Jury aus Kritikerinnen und Kritikern erstellt.
Es sind 19 Spezialistinnen und Spezialisten für Kriminalliteratur aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die aus der laufenden Produktion monatlich jeweils vier Titel vorschlagen, die sie mit sieben, fünf, drei oder einem Punkt bewerten. Der so gefundene Punktwert pro Titel wird mit der Zahl der für ihn abgegebenen Stimmen multipliziert. Daraus wird die monatliche Liste berechnet.
Jedes Jurymitglied darf insgesamt drei Mal für denselben Titel votieren. Voten für Titel, an deren Entstehung oder Vorbereitung man beteiligt war, sind verboten. Die Titel dürfen nicht älter als zwölf Monate und keine Wiederauflagen, Sammelbände oder Anthologien sein. Unterschiede zwischen Hardcover, Paperback und Taschenbuch werden nicht gemacht.
Im Durchschnitt kommen fünf Titel neu auf die monatliche Liste. Die Ziffer in Klammern gibt den Rang des Vormonats an.
Die Jury:
Tobias Gohlis, Sprecher der Jury
Volker Albers, "Hamburger Abendblatt"
Andreas Ammer, "Druckfrisch", ARD
Gunter Blank, "Rolling Stone"
Thekla Dannenberg, "Perlentaucher"
Hanspeter Eggenberger, "Tages-Anzeiger"
Fritz Göttler, "Süddeutsche Zeitung"
Jutta Günther, "Radio Bremen Zwei"
Sonja Hartl, "Zeilenkino", "Crimemag", "Deutschlandfunk Kultur"
Hannes Hintermeier, "Frankfurter Allgemeine Zeitung"
Peter Körte, "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung"
Alf Mayer, "CulturMag", "Strandgut"
Kolja Mensing, "Deutschlandfunk Kultur"
Marcus Müntefering, "Der Spiegel"
Ulrich Noller, "Deutschlandfunk Kultur", "Deutschlandfunk", "SWR", "WDR"
Frank Rumpel, "SWR"
Ingeborg Sperl, "Der Standard"
Sylvia Staude, "Frankfurter Rundschau"
Jochen Vogt, "NRZ", "WAZ"