Kriminalität an polnischer Grenze

Gubener "Stadtwache" soll für Sicherheit sorgen

Mitarbeiter der Stadtverwaltung als "Stadtwache" auf Streife in der Grenzstadt Guben in Brandenburg.
Weil die Kriminalität steigt, sind Mitarbeiter der Stadtverwaltung als "Stadtwache" auf Streife in der Grenzstadt Guben. © picture alliance / ZB / Patrick Pleul
Von Vanja Budde |
Bislang galten Guben und seine polnische Schwesterstadt Gubin am anderen Ufer der Neiße als gutes Beispiel für ein grenzüberschreitendes Zusammenleben. Doch in der letzter Zeit kommen Misstöne auf. Grund ist die Grenzkriminalität.
Stefan Müller von der Stadtwache und Passantin:"Guten Tag." - "Guten Tag." - "Ist Ihnen irgendwas aufgefallen, was Sie uns berichten wollen? Wir sind die Stadtwache, falls Sie es nicht erkannt haben." - "Ja. Ich hab das schon von Weitem gesehen, ja (lacht)."
Stefan Müller ist eigentlich Fachbereichsleiter für Soziales in Guben. Doch heute hat er sein Büro verlassen, sich eine grau-silberne Weste angezogen mit der Aufschrift "Stadtwache" auf Deutsch und Polnisch, um in den Straßen für mehr Sicherheit zu sorgen.
Passantin: "Das ist gut, dass Sie hier rumlaufen, denn es ist ja schon so viel passiert. Da Turnerwäldchen traue ich mich schon gar nicht mehr, alleine langzugehen. Alleine nicht, nee. Nee, das mache ich nicht. Da ist schon zu viel passiert auf dem Neißedamm."
Radfahrer werden aus dem Sattel gerissen, jungen Frauen die iPads geklaut und Gartenlauben immer wieder aufgebrochen, erzählt Stefan Müller. Und der Fluchtweg ins Nachbarland Polen ist kurz.
Elke Lehmann von der Stadtwache: "Ja, auf alle Fälle. Ins Auto gesetzt und weg."
Stadtwache als Erfindung des Bürgermeisters
Elke Lehmann, Sekretärin im Fachbereich 5, Immobilienmanagement, heute mit auf Stadtwachen-Streife. Die beiden laufen auf dem Neißedamm, am Grenzfluss entlang. Am andern Ufer der Neiße liegt Gubin, nur einen Steinwurf entfernt. Ein älteres Ehepaar kommt der Stadtwache entgegen.
"Ist Ihnen irgendwas aufgefallen? Sie kommen ja von hier drüben, da ist die Brücke nicht weit weg."
Keine besonderen Vorkommnisse, meldet das Ehepaar. Aber …
Älterer Mann: "Wenn se schon die Räder aus dem Keller klauen, na dann sieht‘s schlimm aus. Von meiner Frau ein neues Fahrrad ausm Keller raus: Es nimmt überhand."
Die Stadtwache ist eine Erfindung des amtierenden Bürgermeisters, Fred Mahro von der CDU. Er sitzt im Rathaus im ehemaligen Fabrikgebäude der Gubener Hutwerke, mit EU-Geldern aufwändig saniert. Mahro hat sich für das in Brandenburg einzigartige Projekt Freiwillige gesucht und sie von Polizisten schulen lassen. Sie sind nur mit Handys bewaffnet, sollen nichts riskieren, nicht selber eingreifen, sondern im Zweifelsfall die Polizei anrufen. Trotzdem hat der Rathauschef von der Gewerkschaft Verdi Prügel kassiert, weil er mit seiner "Bürgerwehr" dem Staat ins Handwerk pfusche und Verwaltungsmitarbeiter zweckentfremde. Fred Mahro dagegen sieht die Aktion auch als Hilferuf.
"Das ist kein Gubener Problem. Das ist ein Problem, was wir entlang der deutsch-polnischen Grenze insgesamt haben und ich weiß, auch entlang der deutsch-tschechischen Grenze. Und wenn Menschen Angst haben, stimmt irgendwas nicht. Die Situation hier ist nicht erträglich."
Rechtspopulistische Töne von Passanten
Elke Lehmann und Stefan Müller patrouillieren im Stadtzentrum. Auf der zentralen Brücke über die Neiße laufen polnische Schüler, die in Guben zur Schule gehen, heim nach Gubin. Ein junges deutsches Paar schlendert händchenhaltend heran. Er trägt eine verspiegelte Sonnenbrille und schlägt Töne an, wie auch die rechtspopulistische AfD in Brandenburg.
"Müssten eigentlich wieder einen Zoll hinstellen oder so, das wäre das Beste. Ja, die können auch nicht viel anrichten. Die zwei Mann, was wollen die hier abdecken? Bringt nichts. Die müssten wirklich hier wieder Zoll hinstellen oder so und dann würde es was bringen."
Der junge Bürgermeister von Gubin kommt mit Pudelmütze und Einkaufstüte zu Fuß über die Brücke. Bartłomiej Bartczak hat nichts gegen die Stadtwache seines deutschen Kollegen Fred Mahro, sieht sie aber eher als symbolische Maßnahme.
"In der Grenzregion hier fokussieren sich alle Interessen. Hier müssen auch Extrakräfte mobilisiert werden, sprich mehr Polizeipräsenz, mehr Polizeiautos und so weiter."
Elke Lehmann und Stefan Müller treten den Rückweg zum Rathaus an. Zwei von zwei Dutzend Mitarbeitern der Stadtverwaltung, die sich als Freiwillige für die Stadtwache gemeldet haben. Aus persönlicher Betroffenheit die eine, aus Prinzip der andere.
Elke Lehmann: "Weil meine Schwiegermutter eine ältere Dame ist und ich einfach auch will, dass meine Schwiegermutter sicher über die Straße kommt und nicht überfallen wird."
Stefan Müller: "Das ist eine Form, Aktivität zu zeigen, damit dem Bürger ein Signal setzen, auch in Richtung Sicherheit. Und das kann man schon mal machen."
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