Kriminalität

Die Darknet-Ermittler von Gießen

Dieses Samurai-Schwert auf einem Tisch im Bundeskriminalamt in Wiesbaden wurde bei einer Razzia gegen Betreiber und Nutzer illegaler Plattformen im Internet sicher gestellt.
Dieses Samurai-Schwert auf einem Tisch im Bundeskriminalamt in Wiesbaden wurde bei einer Razzia gegen Betreiber und Nutzer illegaler Plattformen im Internet sicher gestellt. © dpa / picture alliance / Alexander Heinl
Von Ludger Fittkau |
In der hessischen Stadt Gießen sitzt die ZIT, die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität. Seit zwei Jahren verfolgt sie mit einigem Erfolg auch Waffenhändler im Darknet, einem abgeschirmtem und anonymen Bereich des Internets.
"Ja, das ist jetzt eine Kiste mit verschieden Festplatten, USB-Sticks, Datenträgern aller Art. Notebooks, Tablets, Smartphones."
Der Gießener Staatsanwalt Benjamin Krause packt Geräte aus, die bei einem Tatverdächtigen beschlagnahmt wurden.
"Hier beispielsweise, dieses große Notebook, da wurde festgestellt, dass das von einem Tatverdächtigen zur Verschaffung und Verbreitung kinderpornografischer Dateien benutzt wurde."
Der Straßenlärm dringt gedämpft durch die gekippten Fenster des schlichten Büros in der Gießener Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität – kurz ZIT. Zwei Computer-Bildschirme auf dem Schreibtisch, Aktenberge im Raum verteilt, die Kiste mit den beschlagnahmten Computerteilen auf dem Boden. Der 37 Jahre alte, sportliche Staatsanwalt Benjamin Krause beschäftigt sich hier mit dunklen Seiten der digitalen Gegenwart – insbesondere dem sogenannten "Darknet":
"Üblicherweise versteht man unter Darknet einen abgeschotteten, verschlüsselten Bereich des Internets, den man nicht mit üblichen Suchmaschinen wie Google betreten kann, sondern man braucht für diesen – ja dunklen – Bereich spezielle Zugangssoftware."
Diese Zugangssoftware bekommt man jedoch relativ leicht im offenen Internet, merkt Benjamin Krause an. Er ist in Gießen einer von fünf Staatsanwälten, die jährlich rund 1000 Verfahren gegen Menschen führen, die unter Verdacht stehen, sich im Internet strafbar gemacht zu haben. Indem sie im Internet Kinderpornografie verbreiten, Waffen verkaufen oder andere, schwere sogenannter "Cyber-Crime-Delikte" begangen haben sollen – im offenen Internet sowie im verschlüsselten Darknet:
"Es ist ausgeschlossen, dass man auf illegale Marktplätze im Darknet einfach so kommt, ohne dass man es will. Also man muss sich im Vorfeld informieren, ich muss wissen, dass ich dafür spezielle Zugangsmittel, wie zum Beispiel eine gewisse Software brauche. Und auch dann muss ich wissen, wo kann ich auf eine Seite mit einer Linkliste gehen, wo kann ich auf entsprechende Marktplätze gehen. Das muss ich alles wissen vorher wissen, man kann also da nicht reinstolpern und plötzlich merken: Huch, wo bin ich da gelandet!"

Festnahmen führen zu Verunsicherung im Darknet

Weil der Amokläufer von München offenbar im Darknet seine Waffe gekauft hat, war die Expertise der Gießener Staatsanwälte in den letzten Wochen stark gefragt. Benjamin Krause und seine Kollegen sind seit rund zwei Jahren bundesweit eine der wichtigsten Anlaufstellen, wenn es um Waffenhandel im Darknet geht:
"Und haben seit Anfang 2015 zirka 30 Waffenhändler im Darknet identifizieren und festnehmen können. Das hat auch zu einer gewissen Unsicherheit im Markt, im Darknet, geführt. Wir haben beobachten können, dass relativ viele Plattformen ihre Waffenangebote entfernt haben."
Ein Erfolg der Gießener Internet-Staatsanwälte. Doch wer sind die Waffenhändler im Darknet, denen sie auf die Schliche kommen?
"Da haben wir im Wesentlichen festgestellt, dass die entsprechenden Händler im weiteren Sinne Waffenliebhaber waren, die schon einen Bezug zu solchen Waffen hatten. Im Einzelfall waren es aber auch Täter, die alle illegalen Waren, die sie verkaufen konnten, dann verkauft haben. Angefangen von Drogen bis hin zu Waffen. Die also alles, was man zu Geld machen konnte, zu Geld gemacht haben."
Um Cyber-Gangstern das Handwerk zu legen, bewegen sich die Gießener Staatsanwälte rechtlich auf Neuland. Denn das Strafrecht ist noch längst nicht auf Online-Tatorte wie das Darknet eingestellt, bedauert Benjamin Krause. Immerhin: Ermittlungsverfahren, die in Gießen geführt wurden, haben sich nun erstmals auch in der Gesetzgebung niedergeschlagen. Seit kurzem gibt es den neuen Straftatbestand der "Daten-Hehlerei" im Internet, die zuvor nicht strafbar war:
"Und das haben wir zum Anlass genommen, zu sagen: Aus unserer Sicht würde es Sinn machen zu sagen: die Daten-Hehlerei, ganz vergleichbar der Hehlerei mit gestohlenen Gegenständen neu ins Strafgesetzbuch aufzunehmen. Nach vielen Jahren ist das jetzt erfolgt, seit einigen Monaten."
Strafgesetzbücher sind meist noch Sache der Nationalstaaten- die Interkriminalität hat sich jedoch längst international organisiert. Die Gießener Ermittler müssen sich darauf einstellen, wenn sie erfolgreich sein wollen.
Dass das Arbeitsfeld Benjamin Krause Spaß macht, ist dem Staatsanwalt anzumerken. Doch wie verarbeitet der Familienvater den täglichen Umgang mit Bildern sexuell missbrauchter Kinder? Denn nicht Waffen- oder Drogengeschäfte, sondern die Ermittlungen zu Kinderpornografie füllen etwa die Hälfte seiner Arbeitszeit:
"Es ist einfach so aus meiner persönlichen Erfahrung, dass man das entweder kann oder man kann es nicht. Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich das kann."
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