Kriminalroman

Ermittlungen in Afrika

Der Nakuru Nationalpark in Kenia
Kommissar Ishmael reist für seine Ermittlungen nach Kenia. © picture-alliance/ dpa / Andreas Gebert
Von Dina Netz |
Ein vermeintlicher "schwarzer Oskar Schindler" macht Geschäfte mit dem schlechten Gewissen der Welt: Der erste Krimi des Schriftstellers Mukoma wa Ngugi ist weit mehr als Unterhaltung, er ist ein Nachdenken über die afroamerikanische Identität.
Viele afrikanische Autorinnen und Autoren der jüngeren Generation sind mit Kriminalromanen aufgewachsen. Da liegt es vielleicht nahe, selbst welche zu schreiben. Häufig stehen allerdings nicht die simplen "Who done it?"-Plots im Mittelpunkt, sondern komplexe soziale und politische Probleme. Der kürzlich erschienene Debütroman "Balthasars Vermächtnis" der südafrikanischen Autorin Charlotte Otter, der sich mit der Immunkrankheit Aids beschäftigt, ist so ein Beispiel. Und auch im ersten Krimi von Mukoma wa Ngugi, dem Sohn des bekannten kenianischen Schriftstellers Ngugi wa Thiong'o, ist die weiße, weibliche Leiche, die vor dem Haus eines schwarzen Professors in Madison im US-Bundesstaat Wisconsin liegt, bei Weitem nicht das einzige Problem.
In Kenia wird der schwarze Kommissar als "weißer Mann" angesprochen
Die Ermittlungen von Kommissar Ishmael treten völlig auf der Stelle, bis ihn ein anonymer Anrufer auffordert, die Wahrheit in Afrika zu suchen. Ishmael reist nach Nairobi, weil die Stiftung des verdächtigen Professors dort ein Flüchtlingszentrum betreibt. Der Hochschullehrer gilt als "schwarzer Schindler", weil er im ruandischen Bürgerkrieg Tausende vor dem Tod rettete. Plötzlich nehmen die Ermittlungen rasant an Fahrt auf. Ishmael, der auch der Ich-Erzähler ist, gerät von einer brenzligen Situation in die nächste. Denn der Verdächtige – und nicht nur er – macht mit dem schlechten Gewissen der Weltgemeinschaft gegenüber den Opfern des ruandischen Bürgerkriegs Geschäfte. Ishmael kommt einer gigantischen, von Weißen betriebenen Geldwäschemaschinerie auf die Spur.
Es geht Mukoma wa Ngugi durchaus um kriminelle Machenschaften in den "höchsten Kreisen", das eigentliche Thema von "Nairobi Heat" ist aber ein anderes. Mukoma wa Ngugi wurde in den USA geboren, wuchs in Kenia auf und ging zum Studium zurück in die USA. Wohl vor diesem autobiografischen Hintergrund lässt er seinen Kommissar, einen Sohn kenianischer Einwanderer, in einem Basso continuo des Romans immer wieder über seine afroamerikanische Identität nachdenken. In den USA wird Ishmael schief angeguckt, weil er als Polizist angeblich die eigene Rasse verrät. In Kenia wird er als "weißer Mann" angesprochen.
Eine druckvolle, knappe Sprache
Für seinen komplexen, vielschichtigen Roman braucht Mukoma wa Ngugi nicht mal 200 Seiten, weil er die Handlung in rasantem Tempo und einer druckvollen, knappen Sprache vorantreibt. Seine Figuren sagen in amerikanischer Cop-Manier nur das Nötigste. Manchmal geraten Mukoma wa Ngugi die Gefühlsbeschreibungen etwas klischeehaft: Am Schluss fühlt sich der Erzähler, "als ob ich mich verloren und dann wieder gefunden hätte". Aber darüber wie auch über kleine Ungenauigkeiten der Übersetzung kann man bei diesem hoch spannenden Krimi leicht hinweglesen.
Für Mukoma wa Ngugis Entscheidung, einen Kriminalroman zu schreiben, mag eine Rolle gespielt haben, dass es so ziemlich das einzige Genre ist, das sein weltberühmter Vater Ngugi wa Thiong'o noch nicht bedient hat. Für Mukoma wa Ngugi war es ganz eindeutig keine Notlösung.

Mukoma wa Ngugi: Nairobi Heat
Übersetzt von Rainer Nitsche
Transit Verlag, Berlin 2013
176 Seiten, 19,80 Euro

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