Kriminalroman und Sozialreportage
Der neue Roman von Leonardo Padura spielt im Exilantenviertel in Havanna, kurz vor Ende des Kalten Krieges. Dabei geht es nicht nur um eine triviale Kriminalgeschichte: Padura spiegelt die Atmosphäre eines ziemlich irrealen kubanischen Sozialismus wider.
Es ist eine seltsame Mischung, dieses Buch: Wie vieles, das Leonardo Padura geschrieben hat, spiegelt es kubanische Zustände in einem eher trivialen Handlungsmuster. Man kann diese Bücher als Kriminalromane lesen und als Sozialreportagen, beides funktioniert. Und auch als Krimis folgen sie eher dem Muster einer Spurensuche in die Vergangenheit als der billigen Lust an Brutalität und vorgeblicher Moral, wie es bei den derzeit so erfolgreichen Skandinavien-Reißern der Fall ist.
Wir schreiben den Mai 1989, in Kuba kündigen sich die verschärften Versorgungsprobleme der nachsowjetischen Ära bereits an. Dollars sind verboten, aber überlebensnotwenig; Schwarzmarkt, Schattenwirtschaft, Korruption und Kriminalität blühen und der Zerfall des alten Havanna schreitet dramatisch fort, wenn auch noch nicht in einem so apokalyptischen Ausmaß wie heute.
Paduras Held, der Teniente Mario Conde, ist hier noch jung, ein etwas versoffener Macho von 35 Jahren, der wie immer unglücklich verliebt ist und von seinem sexuellen Verlangen wieder einmal in die falsche Richtung getrieben wird. Seine schöne afro-chinesische Kollegen zieht ihn in einen Mordfall im Chinesenviertel hinein, und das gibt Padura Gelegenheit, den Geschichten dieses Viertels und seiner Bewohner, ewiger Exilanten, nachzugehen und in die abgrundtiefe und feierliche Melancholie ihrer Existenzen einzutauchen.
Trotz des inhaltlich engen Zusammenhangs lässt Padura dieses Buch nicht als Teil des "Havanna-Quartetts", des Romanzyklus um den Teniente Mario Conde, gelten. Es ist nämlich, wie er offenherzig im Nachwort erklärt, das Ergebnis einer zweimaligen Umarbeitung: von einer Reportage in Juventud rebelde (1989) zur Erzählung (1998) und schließlich zum Roman (2011). Und als solches deutlich kürzer und auch weniger rund geraten als seine Vorgänger.
Die Rezensentin vermisste zudem ein vernünftiges Lektorat, das die Sprünge von direkter Rede und Rückerzählung, inneren und äußeren Monologen nachvollziehbarer gemacht hätte.
Dennoch: Man wird in diesem neuen Padura die Atmosphäre des ziemlich irrealen karibischen Sozialismus wiederfinden, samt dem getreulich wiedergegeben kubanischen Macho-Gerede, den sich in der Hitze entfaltenden Gerüchen, dem Gewimmel, der Müdigkeit und sanft kühlenden Melancholie.
Besprochen von Katharina Döbler
Leonardo Padura: Der Schwanz der Schlange
Aus dem Spanischen von Hans-Joachim Hartstein
Unionsverlag, Zürich 2012
192 Seiten, 19,90 Euro
Wir schreiben den Mai 1989, in Kuba kündigen sich die verschärften Versorgungsprobleme der nachsowjetischen Ära bereits an. Dollars sind verboten, aber überlebensnotwenig; Schwarzmarkt, Schattenwirtschaft, Korruption und Kriminalität blühen und der Zerfall des alten Havanna schreitet dramatisch fort, wenn auch noch nicht in einem so apokalyptischen Ausmaß wie heute.
Paduras Held, der Teniente Mario Conde, ist hier noch jung, ein etwas versoffener Macho von 35 Jahren, der wie immer unglücklich verliebt ist und von seinem sexuellen Verlangen wieder einmal in die falsche Richtung getrieben wird. Seine schöne afro-chinesische Kollegen zieht ihn in einen Mordfall im Chinesenviertel hinein, und das gibt Padura Gelegenheit, den Geschichten dieses Viertels und seiner Bewohner, ewiger Exilanten, nachzugehen und in die abgrundtiefe und feierliche Melancholie ihrer Existenzen einzutauchen.
Trotz des inhaltlich engen Zusammenhangs lässt Padura dieses Buch nicht als Teil des "Havanna-Quartetts", des Romanzyklus um den Teniente Mario Conde, gelten. Es ist nämlich, wie er offenherzig im Nachwort erklärt, das Ergebnis einer zweimaligen Umarbeitung: von einer Reportage in Juventud rebelde (1989) zur Erzählung (1998) und schließlich zum Roman (2011). Und als solches deutlich kürzer und auch weniger rund geraten als seine Vorgänger.
Die Rezensentin vermisste zudem ein vernünftiges Lektorat, das die Sprünge von direkter Rede und Rückerzählung, inneren und äußeren Monologen nachvollziehbarer gemacht hätte.
Dennoch: Man wird in diesem neuen Padura die Atmosphäre des ziemlich irrealen karibischen Sozialismus wiederfinden, samt dem getreulich wiedergegeben kubanischen Macho-Gerede, den sich in der Hitze entfaltenden Gerüchen, dem Gewimmel, der Müdigkeit und sanft kühlenden Melancholie.
Besprochen von Katharina Döbler
Leonardo Padura: Der Schwanz der Schlange
Aus dem Spanischen von Hans-Joachim Hartstein
Unionsverlag, Zürich 2012
192 Seiten, 19,90 Euro