Neues Sexualstrafrecht: "Der Gesetzentwurf ist Unsinn"
Justizminister Heiko Maas will offenbar das Sexualstrafrecht ändern - auch deswegen, weil es angeblich nicht dem Europarecht entspricht. Die Rechtswissenschaftlerin Monika Frommel hält davon nichts: Der Entwurf sei "Unsinn".
Mit Verschärfungen des Sexualstrafrechts will Justizminister Heiko Maas (SPD) nach einem Zeitungsbericht den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung verbessern. Künftig solle im Strafgesetzbuch ein novellierter Paragraph 179 den sexuellen Missbrauch "unter Ausnutzung besonderer Umstände" unter Strafe stellen, berichtet die Berliner "Tageszeitung" unter Berufung auf einen ihr vorliegenden Gesetzentwurf. Konkret gehe es dabei um sexuelle Überraschungsangriffe, vor allem aber um die Ausnutzung der Angst des Opfers vor einem "empfindlichen Übel". Der Gesetzentwurf aus Maas' Ministerium befinde sich derzeit in der Ressortabstimmung.
Jede "nicht einverständliche, sexuell bestimmte Handlung" soll bestraft werden
Dem Bericht zufolge werden für die genannten Straftatbestände jeweils Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren angedroht. Erfasst werden solle etwa der Fall, dass eine Frau Angst vor der üblichen Gewalttätigkeit des Mannes hat und deshalb den erkennbar abgelehnten Geschlechtsverkehr über sich ergehen lässt. Anders als bisher komme es dann nicht mehr darauf an, ob der Mann in der konkreten Situation Gewalt angedroht oder angewandt habe. Anlass der Reform ist laut "taz" die sogenannte Istanbul-Konvention des Europarats aus dem Jahr 2011. Dieser zufolge ist jede "nicht einverständliche, sexuell bestimmte Handlung" zu bestrafen.
"Brecht würde sagen: 'Wir arbeiten gerade an unserem nächsten Irrtum'"
Nach Ansicht der Rechtswissenschaftlerin Monika Frommel ist die Gesetzesänderung allerdings überflüssig. "Brecht würde sagen: 'Wir arbeiten gerade an unserem nächsten Irrtum'", sagte sie im Deutschlandradio Kultur. Oder, knapper: "Der Entwurf ist Unsinn."
Frommel zufolge müsste man in Deutschland nur die geltenden Gesetze richtig anwenden, damit die rechtliche Situation der Istanbul-Konvention entspricht. Die Expertin, die bis 2011 Direktorin des Instituts für Sanktionsrecht und Kriminologie an der Universität Kiel war, sieht das Problem in der Rechtsauslegung durch einen Nomos-Kommentar des "sehr mächtigen" BGH-Richters Thomas Fischer. Dessen zu enge Auslegung der Frage, was die Ausnutzung einer Notlage bei einer Vergewaltigung sei, sei tatsächlich ein Verstoß gegen die Istanbul-Konvention und europarechtswidrig. "Es würde völlig reichen, wenn der Justizminister das feststellen würde", sagte Frommel.