Krimipreis für Johannes Groschupf

Wenn die männlichen Panzer brechen

06:23 Minuten
Johannes Groschupf bei der Eröffnungsgala der Crime Cologne mit der Verleihung des Crime Cologne Award im Ludwig im Museum
Johannes Groschupf: "Ich dachte, das muss man mal erzählen, um diese Leute lebendig werden zu lassen." © imago images / Future Image
Johannes Groschupf im Gespräch mit Britta Bürger |
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Für "Berlin Prepper" erhält Johannes Groschupf den Deutschen Krimipreis. Er schreibt über Hasskommentare, das Milieu rechter "Wehrbürger" und die Angst vor Kontrollverlust. Mit seinem Thriller will Groschupf die Feindbilder einer neuen Subkultur beleuchten.
Prepper, dieser Begriff kommt von "to be prepared", also "vorbereitet sein". Prepper, das sind Menschen, die sich geradezu wahnhaft auf alle nur denkbaren Katastrophen und Krisen vorbereiten – auf Stromausfall und Erdbeben, auf Überschwemmungen und die Atombombe. So ein Mann ist Walter Noack, die Hauptfigur in Johannes Groschupfs Kriminalroman "Berlin Prepper". Dieses Buch stand in diesem Jahr auf der Krimi-Bestenliste von Deutschlandfunk Kultur und der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" und wird jetzt mit dem Deutschen Krimipreis 2019 ausgezeichnet.
Britta Bürger: Johannes Groschupf, Sie sind ja lange als freier Reisejournalist in der Welt unterwegs gewesen, haben Romane für Erwachsene und Jugendliche geschrieben. "Berlin Prepper" ist jetzt, glaube ich, ihr erster richtiger Krimi und nun gleich preisgekrönt. 26 Kritikerinnen und Buchhändler der Jury haben sich für ihr Buch entschieden. Was hat Sie denn an dem Krimi-Genre gereizt?

Im digitalen Unterholz

Groschupf: Ich hatte die Möglichkeit, durch den Herausgeber dieser Reihe bei Suhrkamp, Thomas Wörtche, ein Thema mal als Kriminalgeschichte zu erzählen, das mich schon die letzten fünf, sechs Jahre beschäftigt hat. Das sind eben diese Gestalten, die sozusagen den gemeinsamen gesellschaftlichen Grund verlassen und sich irgendwie völlig anders orientieren. Das sind nicht nur die Prepper, und es gibt auch nicht nur Prepper, die sozusagen im Wahnsinn sind. Das ist schon ein differenziertes Gebilde. Es gibt auch die "Reichsbürger". Es gibt Leute, die sich wirklich auf einen Umsturz vorbereiten, oder Leute, die im digitalen Unterholz sozusagen ihren ganzen Groll loswerden. Da habe ich lange in einer Zeitung gearbeitet, diese Hasskommentare wegzuschaffen, und bin dort einer Subkultur begegnet, die mich wirklich erschreckt hat. Ich dachte, das muss man mal erzählen, um diese Leute lebendig werden zu lassen.
Bürger: Wie haben Sie daraus einen Krimi gemacht?
Groschupf: Es ist eigentlich eine recht einfache Geschichte, die auch ziemlich real ist. Der Online-Redakteur Noack wird eines Tages vor dem Zeitungsgebäude niedergeschlagen. Die Leser kündigen das auch immer mal wieder an. Das nimmt niemand ernst. Aber nun geschieht es, und es ist natürlich die Frage: Wer ist das gewesen? Waren es also empörte Leser, deren Kommentare nicht weiter bearbeitet wurden oder gelöscht wurden? Oder waren das Flüchtlinge? Es gibt auch ein Flüchtlingsheim in der Nähe. Oder waren das ganz andere Gestalten? Als die Kollegin und dann auch sein eigener Sohn ebenfalls angegangen werden, da macht er sich auf die Suche und möchte sich erst mal eine Waffe besorgen. Er gerät aber dann immer mehr in dieses Milieu der Rechten und der "Wehrbürger".
Bürger: Dieser Mann unternahm vorher alles, um sein Leben unter Kontrolle zu haben. Als er dann überfallen wird, muss er also erfahren, wie das ist, die Kontrolle zu verlieren. Was macht das mit ihm?
Groschupf: Das ist für viele Männer wirklich ein anstrengendes Thema: Was passiert, wenn man die Kontrolle verliert? Das ist, glaube ich, auch der Anfangsimpuls von Preppern, dass sie eben die Kontrolle bewahren wollen in diesen Zeiten, die so unsicher und so krisenhaft sind, dass man trotzdem überleben will – nicht nur als Mann, sondern auch mit der ganzen Familie. Dass man alles dafür tut und dafür vorsorgt, dass es weitergehen kann. Wenn dann der Druck so groß wird, und das ist ja gesellschaftlich so ein bisschen im Schwange, dann beginnen solche männlichen Panzer auch zu brechen. Und dann weiß man nicht, was danach passieren wird.

Apokalyptische Gedanken

Bürger: Sie haben es eben schon beschrieben, dass er beruflich dafür zuständig ist, Hasskommentare aus dem Netz zu filtern und zu löschen bei einer Zeitung, in einer Online-Redaktion. Wird er denn von diesem Strom an Hass, dem er da ausgeliefert ist, irgendwie auch selbst angesteckt?
Groschupf: Na ja, ich habe das selbst mit spitzen Fingern angefasst, wir alle dort. Die Moderatoren haben mit so viel Humor wie möglich versucht, das zu verarbeiten. Es verfinstert schon ein bisschen die Seele dort auf Dauer, aber es war für mich auch interessant als journalistische Recherche, was für ein Mindset, was für eine innere Seelenlandschaft das ist. Das sind ganz oft so apokalyptische Gedanken: "Deutschland schafft sich ab." "Deutschland geht den Bach runter." "Man ist auch hier nur noch Bürger zweiter Klasse." Man ist umgeben von Feinden, und das sind nicht nur die Moslems oder die Schwulen oder die Frauen. Es ist unglaublich, was für Feindbildern und was für Bedrohungen sich diese Leute entgegen sehen.
Bürger: Wenn man jetzt ein Buch über so eine Figur schreibt, muss man sie ernst nehmen. Vielleicht muss man sie sogar auch irgendwie mögen. Das stelle ich mir sehr schwer vor.
Groschupf: Ach, ehrlich gesagt, ich habe oft an meinen Vater gedacht, und ich glaube, es steckt ja in uns allen so ein bisschen. Wenn man unter starkem Stress steht und irgendwie versucht, alles trotzdem gut hinzukriegen, dann wird man auch so ein bisschen grantig. Das kennt doch jeder auf eine Weise. Es ist mir auch wirklich sehr wichtig, dass man diese Leute jetzt nicht irgendwie als Pappkameraden aufstellt und sich darüber lustig macht. So lustig sind sie dann auch nicht. Die Verzweiflung von ihnen ist echt. Aber es ist auch echt die Bedrohung, die dahinter steht. Das haben wir ja im Sommer mit diesem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gesehen, der aus solcher Ecke dann eben auch umgebracht wurde.

Die Leute bunkern sich ein

Bürger: Wie zeigen Sie uns denn die Stadt Berlin in dem Buch?
Groschupf: Ja, es ist düster in dieser Stadt – und ich liebe Berlin sehr. Alle meine Romane spielen in Berlin. In diesem Buch ist Berlin düster. Obwohl ich auch sagen muss, dass es ein witziges Buch ist. Berlin ist schon eine sehr angestrengte und anstrengende Stadt. Es ist aggressiv draußen, und die Leute bunkern sich dann eben ein, die einen – und die anderen versuchen, mit Humor und Spucke weiterzukommen.
Bürger: Eine witzige Stelle würde ich gerne hören.
Groschupf: Dann lesen Sie mal die Unterhaltung mit dem türkischen Bäcker, den er jeden Morgen besucht und der ihn immer wieder aufbaut. Das kann ich nicht aus dem Kopf.

Johannes Groschupf: "Berlin Prepper"
Suhrkamp Taschenbuch, 2019
236 Seiten, 14,95 Euro

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