Krimis und Klassiker statt Sozialkritik
Ivan Sergejewitsch Turgenjew, der vor 130 Jahren starb, zählt zu den bedeutenden Vertretern des russischen Realismus. Als einer der ersten thematisierte er die alltäglichen Nöte und Ängste der Gesellschaft. Turgenjew begründete damit eine Tradition, die heutzutage kaum noch gepflegt wird.
"Russische Literatur war für uns mehr als Literatur. Es ist Philosophie. Tolstoi, Turgenjew, Tschechow – sie waren für alles verantwortlich. Sie reflektieren nicht einfach nur das Leben. Sie geben viel mehr."
Sagt der belesene Sozialwissenschaftler Mikhail Denisenkow. Ob neben Eduard Limonow selbst auch andere Autoren denken, dass der 70-Jährige in diesen Olymp gehört, ist schwer zu beantworten. Für ihn hatte Turgenjew nur wenig Talent. Limonow stammt aus einer anderen Zeit, auf die er einen düsteren Blick wirft:
"Schriftsteller sind in der heutigen Welt nicht mehr so populär. Sie verlieren an Bedeutung. Das 20. Jahrhundert ist vorbei. Schriftstellerei ist eine archaische Profession."
Im Moskauer Haus des Buches ist davon wenig zu spüren. Viele Kunden lesen in den Gängen und drängeln sich an den Kassen. Aktuelle Probleme in Russland spielten dabei aber eine untergeordnete Rolle, erklärt Mitarbeiter Alexej Smirnoff:
"Heutzutage findet man keine Schriftsteller mehr, die man zum Beispiel mit Dostojewski vergleichen kann. Es gibt zwar einige Versuche, aber viele Leser möchten nicht analysieren, sondern sich von Problemen erholen. Es gibt nur wenige Autoren, die über soziale Probleme in Russland schreiben."
Dazu zählt er Autoren wie den Maler Maxim Kantor, der frühere und heutige Zeiten vergleicht. Und er nennt Nikolai Starikow, den er aber eher als Publizisten einordnet, weil dieser keine Romane mit Heldenfiguren schreibe, sondern eher wissenschaftliche Arbeiten über politische, gesellschaftliche und geschichtliche Themen verfasse.
Populär sind auch in Russland Kriminalgeschichten, zum Beispiel von Alexandra Marinina, Tatjana Ustinowa oder Boris Akunin mit seinem Detektiv Fandorin. Vor allem unter Jugendlichen ist der Regisseur und Drehbuchautor Pawel Sanaew beliebt, der unter anderem über seine Kindheitserinnerungen schreibt. Für neue Autoren sei es jedoch schwer, sich bis zum Buchmarkt durchzuschlagen:
"Man braucht große finanzielle Unterstützung, zum Beispiel für Werbung in Zeitschriften, Zeitungen oder in der Metro. Vor allem ist es schwer, das erste Buch zu verkaufen. Es schafft ein Image des Autors. Und wenn das erste Buch nicht erfolgreich ist, wird es für das zweite und dritte noch schwerer, weil der Autor kein Interesse hervorruft."
Vor allem hätten es die Autoren schwer, erklärt Smirnoff, die kritisch über russische Probleme schrieben – sie fänden oft gar nicht erst den Weg auf den offiziellen Buchmarkt. Dazu komme ein Trend, meint Hochschuldozent Denisenko, der auch in anderen Ländern zu beobachten sei:
Sagt der belesene Sozialwissenschaftler Mikhail Denisenkow. Ob neben Eduard Limonow selbst auch andere Autoren denken, dass der 70-Jährige in diesen Olymp gehört, ist schwer zu beantworten. Für ihn hatte Turgenjew nur wenig Talent. Limonow stammt aus einer anderen Zeit, auf die er einen düsteren Blick wirft:
"Schriftsteller sind in der heutigen Welt nicht mehr so populär. Sie verlieren an Bedeutung. Das 20. Jahrhundert ist vorbei. Schriftstellerei ist eine archaische Profession."
Im Moskauer Haus des Buches ist davon wenig zu spüren. Viele Kunden lesen in den Gängen und drängeln sich an den Kassen. Aktuelle Probleme in Russland spielten dabei aber eine untergeordnete Rolle, erklärt Mitarbeiter Alexej Smirnoff:
"Heutzutage findet man keine Schriftsteller mehr, die man zum Beispiel mit Dostojewski vergleichen kann. Es gibt zwar einige Versuche, aber viele Leser möchten nicht analysieren, sondern sich von Problemen erholen. Es gibt nur wenige Autoren, die über soziale Probleme in Russland schreiben."
Dazu zählt er Autoren wie den Maler Maxim Kantor, der frühere und heutige Zeiten vergleicht. Und er nennt Nikolai Starikow, den er aber eher als Publizisten einordnet, weil dieser keine Romane mit Heldenfiguren schreibe, sondern eher wissenschaftliche Arbeiten über politische, gesellschaftliche und geschichtliche Themen verfasse.
Populär sind auch in Russland Kriminalgeschichten, zum Beispiel von Alexandra Marinina, Tatjana Ustinowa oder Boris Akunin mit seinem Detektiv Fandorin. Vor allem unter Jugendlichen ist der Regisseur und Drehbuchautor Pawel Sanaew beliebt, der unter anderem über seine Kindheitserinnerungen schreibt. Für neue Autoren sei es jedoch schwer, sich bis zum Buchmarkt durchzuschlagen:
"Man braucht große finanzielle Unterstützung, zum Beispiel für Werbung in Zeitschriften, Zeitungen oder in der Metro. Vor allem ist es schwer, das erste Buch zu verkaufen. Es schafft ein Image des Autors. Und wenn das erste Buch nicht erfolgreich ist, wird es für das zweite und dritte noch schwerer, weil der Autor kein Interesse hervorruft."
Vor allem hätten es die Autoren schwer, erklärt Smirnoff, die kritisch über russische Probleme schrieben – sie fänden oft gar nicht erst den Weg auf den offiziellen Buchmarkt. Dazu komme ein Trend, meint Hochschuldozent Denisenko, der auch in anderen Ländern zu beobachten sei:
Klassiker als Kerngeschäft
"Russische Kinder lesen viel weniger als zu Sowjetzeiten. Aber meine Freunde in Deutschland oder Frankreich sagen das gleiche. Das scheint überall so zu sein. Und insbesondere ist der Bedarf an großen Romanen zurückgegangen."
Für den Buchhandel bleiben Klassiker ein Kerngeschäft – nicht nur, weil sie in der Schule gelesen würden, vermutet Buchhändler Smirnoff, sondern weil sich russische Leser bis heute mit ihnen identifizierten. Den Grund für seinen Verkaufserfolg in der Vergangenheit sieht Eduard Limonow darin, dass er sich, wie viele andere Autoren, als Oppositionspolitiker betätigt. Über die Zukunft äußert er sich skeptisch:
"Es geht dabei nicht darum, ob man gerne liest oder nicht. Die Aufmerksamkeit der Welt und der russischen Bevölkerung liegt nicht auf Schriftstellern. Ihre Zeit ist vorbei."
Alexej Smirnoff vom Haus des Buches setzt seinen Optimismus dagegen: Echte Schriftsteller fänden ihren Weg zum Leser, auch wenn er schwer sei. Inzwischen gebe es viele, die ihre Meinung im Internet schrieben und zur Papierform zurückkehrten. Ob sie dem Vergleich mit den russischen Klassikern Stand halten, muss aber wohl jeder Leser selbst entscheiden.
Für den Buchhandel bleiben Klassiker ein Kerngeschäft – nicht nur, weil sie in der Schule gelesen würden, vermutet Buchhändler Smirnoff, sondern weil sich russische Leser bis heute mit ihnen identifizierten. Den Grund für seinen Verkaufserfolg in der Vergangenheit sieht Eduard Limonow darin, dass er sich, wie viele andere Autoren, als Oppositionspolitiker betätigt. Über die Zukunft äußert er sich skeptisch:
"Es geht dabei nicht darum, ob man gerne liest oder nicht. Die Aufmerksamkeit der Welt und der russischen Bevölkerung liegt nicht auf Schriftstellern. Ihre Zeit ist vorbei."
Alexej Smirnoff vom Haus des Buches setzt seinen Optimismus dagegen: Echte Schriftsteller fänden ihren Weg zum Leser, auch wenn er schwer sei. Inzwischen gebe es viele, die ihre Meinung im Internet schrieben und zur Papierform zurückkehrten. Ob sie dem Vergleich mit den russischen Klassikern Stand halten, muss aber wohl jeder Leser selbst entscheiden.