Krise in Somalia gefährdet Arbeit von Hilfsorganisationen

Ulf Trostdorf im Gespräch mit Marcus Pindur |
Die Arbeit internationaler Hilfsorganisationen in Somalia ist nach Einschätzung von "Ärzte ohne Grenzen" in diesem Jahr noch schwieriger geworden. Der Nothelfer Ulf Trostdorf sagte, seit einem Anschlag auf drei Mitarbeiter seiner Organisation Anfang Februar sei die kontinuierliche Arbeit in dem ostafrikanischen Land nicht mehr möglich.
Ulf Trostdorf: Schönen guten Morgen!

Marcus Pindur: Herr Trostdorf, Sie waren das letzte Mal im Juni dieses Jahres in Somalia. Was kennzeichnet aus Ihrer Sicht, der Ärzte ohne Grenzen, die Situation dort.

Trostdorf: Die Situation in Somalia ist für ausländische Organisationen schwierig geworden, vor allen Dingen im Verlaufe diesen Jahres. Bis zum Anfang diesen Jahres hatten wir noch permanente Teams von internationalen Mitarbeitern in Somalia in verschiedenen Projekten. Das ist seit einem Anschlag auf drei unserer Mitarbeiter und einem Anschlag mit Todesfolge nicht mehr möglich, sodass wir heutzutage nur noch sporadisch versuchen, in das Land hineinzukommen, um die Projekte zu besuchen. Der Hauptteil der medizinischen Versorgung, die wir versuchen zu leisten, wird durch somalische Mitarbeiter geleistet.

Pindur: Es ist also schwierig, die Bevölkerung überhaupt zu erreichen, weil die Milizen immer wieder Hilfstransporte überfallen oder auch Helfer. Wie gehen denn dann Ärzte ohne Grenzen und auch andere Hilfsorganisationen damit um?

Trostdorf: Die Situation im Land ist sicherlich, was verschiedene Landesteile betrifft, sehr unterschiedlich. Man versucht, im Wesentlichen die Hilfsmaßnahmen über eben die wie schon zitierten somalischen Mitarbeiter abzuwickeln. Aber auch diese Mitarbeiter sind im Verlauf des letzten Jahres zunehmen in den Fokus von extremistischen Kräften gekommen, sodass auch deren Leben in Gefahr ist und es für sie relativ gefährlich geworden ist für uns zu arbeiten. Nichtsdestotrotz gelingt es uns bis zum heutigen Datum, die Aktivitäten fortzuführen, allerdings zum Teil in begrenztem Ausmaß.

Pindur: In sehr begrenztem Ausmaß. Das steht in diametralem Gegensatz zur Bedürftigkeit. Ein Drittel der Bevölkerung in Somalia kann nur mithilfe des Welternährungsprogramms der UNO überleben. Wie lange kann das dort noch so weitergehen?

Trostdorf: Das ist sicherlich schwer abzusehen. Sie haben recht, ich glaube, es sind zurzeit über drei Millionen Einwohner, die direkt von Nahrungsmittellieferungen des Welternährungsprogramms abhängig sind. Das Grundproblem - die gesamte Bevölkerung beträgt acht Millionen etwa, da sind reine Schätzungen, aber so in dem Zusammenhang steht das wohl - das Grundproblem ist, dass eine massive Inflation herrscht, dass seit Jahren Dürre herrscht, dass aufgrund der anhaltenden Sicherheitsrisiken keine vernünftigen wirtschaftlichen Tätigkeiten stattfinden.

Und das trägt zur massiven Unterversorgung der Bevölkerung bei. Die Hauptprobleme sind sicherlich Unterernährung, Mangelernährung, aber auch die daraus resultierenden Gesundheitsprobleme wie Durchfallerkrankungen, Erkrankungen der Atemsysteme. Und das trifft natürlich am schnellsten die ganz schwachen Mitglieder der Gesellschaft, das sind die Kinder und das sind die Frauen.

Pindur: Das lässt ja einen einigermaßen hilflos zurück. Was wäre denn die Voraussetzung dafür, dass sich die Situation in Somalia bessern könnte?

Trostdorf: Ebenfalls eine sehr schwierige Frage. Das Land ist seit 1991 ohne funktionierende Regierung. Es besteht seitdem keinerlei Struktur, wie wir sie aus einem normalen Staatensystem kennen. Nichtsdestotrotz geht natürlich das Leben weiter. In einer der Städte, in der wir tätig sind, eine Stadt von wahrscheinlich etwa 100.000 bis 150.000 Einwohnern, gibt es örtliche Strukturen.

Die Stammesältesten halten das Gemeinwesen aufrecht und versuchen schon, die basalen Strukturen aufrecht zu erhalten. Und das funktioniert so im Wesentlichen auch ganz gut. Wie eine gesamtpolitische Lösung für Somalia aussehen kann, das weiß sicherlich im Moment niemand. Dazu ist der Konflikt zu lange anhaltend und die politische Situation sicherlich zu komplex.

Pindur: Herr Trostdorf, vielen Dank für das Gespräch!

Trostdorf: Ich bedanke mich auch!