Krisenzeiten

Serviceroboter könnten uns helfen

Ein Service Roboter patrouilliert durch einen Versorgungstunnel in Tianjin, China. Die 360-Grad-Panoramakamera wird den Roboter ermöglicht, Temperaturen und Anomalien in städtischen Versorgungstunneln zu überwachen und die Daten in Echtzeit an das Managementzentrum zu übermitteln.
Oliver Bendel meint: Nur wenn jede Stadt und jede Region über Kohorten von Servicerobotern verfügt, könne man bei Krisen und Katastrophen Menschen, Haus-, Nutz- und Wildtiere schützen. © Getty Images / China News Service / Tong Yu
Ein Kommentar von Oliver Bendel · 18.08.2022
Naturkatastrophen, Unfälle mit Atomkraftwerken, Kriege: Um diese Krisen zu bewältigen, sind Menschen im Dauereinsatz und oft überlastet. Dabei könnten uns Serviceroboter viel dieser Arbeit abnehmen, meint der Wirtschaftsinformatiker Oliver Bendel.
Während der ersten Wellen der Corona-Pandemie waren weltweit Serviceroboter im Einsatz. Die meisten von ihnen sahen aus wie Kisten und Kegel mit Rollen und Instrumenten. Sie desinfizierten Flächen, versorgten Patienten mit Lebensmitteln und Medikamenten und maßen im Krankenhaus die Temperatur von Besuchern.
Ein Roboter stach mit seinen vier Beinen heraus, ein Hund aus Plastik und Metall, allerdings einer ohne Kopf an seinem lang gestreckten Körper. Spot, so sein Name, ermahnte in einem Park in Singapur die Besucher zu Social Distancing. Er bellte nicht, er biss nicht, was auch schwierig ist ohne Kopf, aber er verbreitete durch seine Fortbewegungsart und sein Aussehen Angst und Schrecken.

Serviceroboter sollen uns unterstützen

Man teilt Roboter grob in Industrie- und Serviceroboter ein. Sie alle sollen uns langweilige, unangenehme, anstrengende, gefährliche oder unsere Möglichkeiten übersteigende Tätigkeiten abnehmen, uns dienen und helfen. In der Science-Fiction werden sie oft übertrieben dargestellt, in ihren Möglichkeiten und in ihrem Äußeren.
Man bekommt unnötig Respekt vor ihnen, ja sogar Angst. Wenn man sie auch in der Realität wie Monster und Waffen wirken lässt, trägt dies nicht gerade zur Akzeptanz bei. Dabei wären sie nicht nur bei Pandemien, sondern überhaupt bei Krisen und Katastrophen sowie in Kriegen wertvoll und nützlich.

Design entscheidet über Akzeptanz von Robotern  

Die rollenden Kisten und Kegel werden die Grundversorgung gewährleisten. Doch wenn Gebäude und Brücken einstürzen, Felsen abbrechen, Felder und Wälder brennen und ganze Landstriche überschwemmt werden, benötigt man andere Modelle. Spot wäre dann eine gute Wahl - oder Atlas aus demselben Haus, der uns ähnelt mit seinen zwei Beinen und Armen. Leider fehlt ihm ebenfalls das Haupt.
Man müsste die beiden so gestalten, dass sie von der Bevölkerung angenommen werden. Ergänzen kann man sie durch Wasserroboter, die im Moment an kleine Boote und plumpe Fische erinnern. Im Laufe der technischen Evolution sollten ihnen Arme und Hände wachsen, damit sie Lebewesen den Fluten entreißen können. Drohnen können Gebiete überwachen und Überlebenssets abwerfen.
Eine Herausforderung bei solchen Einsätzen ist die Energieversorgung. Normalerweise haben Serviceroboter Akkus, die regelmäßig an einer Station aufgeladen werden müssen. Aber hier sollten sie möglichst wenig Zeit verlieren.
Sie werden auch in dünn besiedelten Räumen unterwegs sein, wo es kaum Steckdosen gibt. Man arbeitet an autarken Systemen, bei denen etwa Sonnenlicht genutzt wird. Der prototypische Militärroboter EATR, der für die Versorgung von Kampfeinheiten gebaut wurde, bevorzugte Biomasse. Das zog Proteste nach sich, denn man nahm an, er würde Leichen auf dem Schlachtfeld verzehren. Es hieß dann beschwichtigend, er sei Vegetarier. Ganz überzeugend war das nicht.

Künftig teilen wir uns die Welt mit Robotern 

Also Serviceroboter auf Rollen und Beinen, zu Lande, zu Wasser und in der Luft, ansprechend designt und dabei ausgesprochen funktional, nicht wie ein abscheuliches Monster oder eine todbringende Waffe, eher wie ein Schweizer Taschenmesser. Schere und Säge überzeugen bereits, am Korkenzieher muss noch gefeilt werden. Will sagen: Manche Roboter haben Entwicklungsbedarf. Übrigens auch bei der Sicherheit: Die Schweizer Taschenmesser dürfen nicht zu Dolchen werden.
Und es müssen viele sein. Nur wenn jede Stadt und jede Region über Kohorten von Servicerobotern verfügt, kann man bei Krisen, Katastrophen und Kriegen Pflegekräfte, Reparatur- und Bergungsteams unterstützen und Menschen sowie Haus-, Nutz- und Wildtiere im großen Maßstab schützen und retten. Wir werden uns die Welt mit Robotern teilen müssen. Aber wenn wir es richtig anstellen, wird es zu unserem Nutzen sein.

Oliver Bendel studierte Philosophie und Germanistik sowie Informationswissenschaft an der Universität Konstanz. An der Universität St. Gallen promovierte er über Conversational Agents. Heute ist er Professor und freier Schriftsteller in der Schweiz. Forschungsschwerpunkte sind Informations-, Roboter- und Maschinenethik. Weitere Informationen über www.oliverbendel.net.

Ein Mann mit kurzen Haaren, Brille und im Anzug schaut in die Kamera.
© Kai R Joachim Photography (BFF)
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