Keine Lösung im Atomstreit in Sicht
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Im Atomstreit zwischen den USA und dem Iran vermisst der Friedensforscher Götz Neuneck eine klare US-Strategie. Eine neue Bedrohung durch Teheran gebe es nicht, so der Physiker. Denn das Land habe sogar das Recht, die Atomkraft zivil zu nutzen.
US-Präsident Donald Trump hat dem Iran erneut vorgeworfen, gegen zentrale Auflagen des internationalen Atomabkommens zu verstoßen. Teheran solle besser vorsichtig sein, drohte Trump. Iran mache viele "schlimme Dinge", fügte er hinzu und bekräftigte, dass das Land niemals Atomwaffen besitzen werde.
Die Regierung in Teheran hatte zuvor angekündet, Uran nun stärker anzureichern, als das im Wiener Atomabkommen vorgesehen ist. Die Anreicherung solle nach Bedarf erfolgen. Konkret wurden Werte von fünf bis 20 Prozent – mehr als die in dem Abkommen erlaubten 3,67 Prozent und zugleich viel weniger als für den Bau einer Atombombe nötig wäre.
Spiel mit Prozentzahlen
Der stellvertretende Leiter des Hamburger Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Götz Neuneck, sagte zu der krummen Zahl von 3,67 Prozent, der Iran habe das Recht, Nuklearmaterial für zivile Zwecke zu produzieren. "Das sind genau die 3,67 Prozent, das sogenannte niedrig angereicherte Uran", sagte der Physiker im Deutschlandfunk Kultur.
Um eine Atombombe zünden zu können, brauche es nach landläufiger Meinung eine Anreicherung von 90 Prozent, sagt Neuneck, wobei es physikalisch – leider – auch schon mit Anreicherungswerten gehe, die etwas darunterlägen.
Die Zahlen sagten nicht unbedingt aus, was man mit dem Material machen könne. 20 Prozent angereichertes Material werde etwa auch in einem Reaktor in Teheran genutzt. "Der wird damit betrieben", so Neuneck.
Nicht sofort fähig, eine Atombombe zu bauen
Die Absichten der Regierung in Teheran seien nicht ganz klar, so der Wissenschaftler: "Sicher ist, dass der Iran weit weg ist von dem Jahr 2015, als man diesen Vertrag ausgehandelt hat."
Damals habe der Iran sehr viel mehr Nuklearmaterial gehabt: "98 Prozent dieses schon damals erzeugten Materials ist außer Landes geschafft worden und die restlichen 300 Kilogramm sind keine Menge, die dermaßen signifikant ist, dass man damit sofort eine Atombombe bauen kann", sagt Neuneck zu den Uranbeständen.
Es gehe jetzt bei der Debatte um die Anreicherung stärker um das Potential, sich abzukoppeln und irgendwann einmal – "in eins, zwei, drei Jahren" – wieder eine Atomwaffe zu bauen. "Deswegen war der Vertrag schon eine Versicherung, eine große Hürde. Die ist jetzt überschritten worden, rein formal", sagt Neuneck. Es sei aber noch keine neue Bedrohung.
Keine Strategie der USA
Das Problem sei, dass die USA aus dem Abkommen ausgestiegen sei und die iranische Wirtschaft unter den Sanktionen der USA leide, auch wenn die anderen verbliebenen fünf Partner – Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Russland und China – sich weiterhin an die Vereinbarungen hielten. "So gesehen hat der Iran schon recht, seit dem Ausstieg der USA werden die Sanktionen von den USA außerhalb des Vertrages angewendet – und das trifft die iranische Ökonomie." Viele Firmen auch aus anderen Ländern würden wegen der US-Sanktionen keine Geschäfte mit dem Iran machen.
Neuneck interpretiert die Ankündigung des Irans, nun stärker anzureichern, als Signal, wieder zu Verhandlungen zurückzukehren. Trump habe immer wieder erklärt, er sei bereit, sich mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani zusammenzusetzen. Neuneck sagt allerdings, er könne derzeit keine US-Strategie erkennen: "Letztlich muss man sich zusammensetzen und etwas anbieten – und das hat man bislang nicht getan."
Es mache die Situation so gefährlich, dass beide Regierung einander nur noch beschimpften und nicht ernsthaft verhandelten. Auch legten sie nicht auf den Tisch, was man wolle. "Die Iraner sind schon recht klar: Sie wollen, dass die Sanktionen vertragskonform abgeschafft werden. Jetzt haben sie eine Situation geschaffen, wo die Europäer noch stärker unter Zwang stehen, dem Iran stärker zu helfen."
Keine Lösung auf dem Tisch
Eine wirkliche Lösung sei jedenfalls aktuell nicht in Sicht, zumal immer wieder die militärische Karte am Horizont erscheint. Derzeit gebe es nur wieder das alte Spiel um Anreicherungsgrade und Uranproduktionsbeständen, wie es bis 2015 schon einmal über eine längere Zeit gespielt wurde.
"Da kann man nur hoffen, dass die Parteien – auch vielleicht durch die Hilfe der Europäer – sich irgendwo wieder an einen Tisch setzen", sagt Neuneck. "Öffentlich geschieht das jedenfalls im Augenblick nicht."
(gem/mfu)