Krisha Kops: "Das ewige Rauschen"

Der Wind weiß alles

05:22 Minuten
Cover des Buchs "Das ewige Rauschen" von Krisha Kops,
© Arche

Krisha Kops

Das ewige RauschenArche, Zürich 2022

287 Seiten

22,00 Euro

Von Ulrich Noller |
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Welche Rolle spielt die Herkunft? In seinem Debütroman spannt Krisha Kops einen Bogen von der Kolonialzeit über den Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart und findet Antworten auf diese Frage in (s)einer deutsch-indischen Familiengeschichte.
Wo kommst Du denn her, also eigentlich? Eine bei Menschen mit Migrationsbiografie nicht sonderlich beliebte Frage, die trotz aller Diskurse zu dem Thema weiterhin häufig gestellt wird.
Krisha Kops, Münchener Philosoph und Schriftsteller mit deutsch-indischen Wurzeln, reagiert darauf in seinem Debütroman „Das ewige Rauschen“, indem er die Not zur Tugend macht. Die Herkunftsfrage ist der Kristallisationspunkt der Geschichte, die sich aus vielen verschiedenen Lebens-Geschichten zusammensetzt, und zwar denen seiner Vorfahren.

Literarische Ahnenforschung

Eine literarische Ahnenforschung, die quer durch Europa und nach Südindien führt – kombiniert mit einer zweiten substanziellen Fragestellung: Welche Rolle spielt dieses Herkommen möglicherweise dafür, dass ich der wurde, der ich bin?
„Das ewige Rauschen“ ist also ein Familienroman, der verschiedene spannende Biografien erzählt, klug eingebettet in die Umstände der Zeitgeschichte. Der Bogen reicht von der Kolonialzeit über den Zweiten Weltkrieg, die Phase des Kalten Krieges bis in die Gegenwart.
Ein Füllhorn von Abenteuern und Anekdoten tut sich da auf; Begebenheiten und Erlebnisse, die immer wieder auch davon erzählen, dass ihre Heldinnen und Helden sich fragen müssen, wer sie sein wollen – und sich dann auf den Weg machen, sich und die Welt neu zu erfinden. Das führt von Pommern nach Hagen, aus dem südlichen Indien nach München, nach Italien und ins ehemalige Jugoslawien.

Eine Banyanfeige als Erzähler

Wer dieses Ich ist, das in dieser Geschichte die Wer-bin-ich-Frage stellt, ist natürlich auch so eine Frage – deren Antwort der Roman erfreulicherweise weitgehend verweigert. Der Erzähler, den Krisha Kops für seine Geschichte gewählt hat, ist eine Banyanfeige, ein Baum also, der durch Migration und Luftwurzeln in seiner Umgebung bestehen muss, bevor er sich richtig in der Erde verwurzeln kann.
Die Geschichten, die dieser Banyanbaum wiedergibt, werden ihm von den Winden erzählt, für die es bekanntermaßen weder zeitliche noch räumliche Grenzen gibt. Das macht Vieles möglich, auch so ein fast unvorstellbares, zumindest höchst unwahrscheinliches Wunder wie das Resultat all dieser Geschichten: die Geburt des Deutsch-Inders Krisha Kops, der einst Schriftsteller werden wird und dabei den erzählenden Banyanbaum für seinen Debütroman erfindet.

Eine Hommage die Identitätspluralität

Ein allwissender Erzähler also, der doch höchst zeitgenössisch aus dem Fragmentarischen schöpft; ein großes Ganzes, das des Romans, entsteht erst durch sein Erzählen. Wo kommst Du denn her? Na, aus der zeitgenössischen deutschen Literatur.
Das ist aber noch nicht alles. Denn Krisha Kops ist ja nicht nur Schriftsteller, sondern auch Philosoph, der sich mit Fragen der interkulturellen Philosophie, des Dazwischen beschäftigt.
In seinem Debütroman ist das sorgsam eingewirkt, das macht diesen „Familienroman mit Migrationshintergrund“ zu einem besonderen unter vielen. Das Erzählerische korrespondiert auf sehr gelungene Weise spielerisch mit dem Philosophischen: eine Hommage an die Identitätspluralität.

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