Ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder
Kristina Schröder kritisiert die Coronapolitik ihrer eigenen Partei: Die Pandemiebekämpfung sei vor allem zu Lasten von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gegangen. © Die Hoffotografen / Dominik Wolfram
"Wir sind darauf fixiert, im Pandemiemodus zu bleiben"
34:03 Minuten
Politikerin sein war schon als junges Mädchen ihr Ziel. Mit 32 wurde Kristina Schröder Familienministerin, mit 40 machte sie wieder Schluss mit der Berufspolitik. Nun hat sie mit anderen einen Thinktank für konservativ-liberales Denken gegründet.
Was kostet eine Stimme bei einer Wahl? Eine Frage, die Kristina Schröder tatsächlich mit ihrem Bruder verhandelte, zu mindestens so lange, bis sie wahlberechtigt war. Das Bad in der Studenten-WG putzen, so hieß die Währungseinheit für eine Stimme, denn Schröders Bruder ging nicht wählen. „Dann habe ich gesagt, das geht nicht. Und dann haben wir in der Tat einen Deal gemacht.“ Seine Stimme bei einer Bundestagswahl ließ er sich gut bezahlen, „fünf Mal“ Badputzen verlangte er dafür. Eine Kommunalwahl war deutlich günstiger zu haben, die Schwester musste dafür nur „ein Mal“ antreten.
Dass er das Kreuz auch bei der Union machte, davon ging Schröder aus, denn „wir kamen aus einem Elternhaus, das CDU gewählt hat. Da hatte ich keine Zweifel an ihm“, erzählt die ehemalige Familienministerin.
Kein Bild von Helmut Kohl im Kinderzimmer
Es sei lediglich ein „finsteres Gerücht“, ein Bild von Helmut Kohl habe sie nicht in ihrem Kinderzimmer gehabt. Doch den überlieferten Satz: „Andere mochten Pferde, ich mochte Helmut Kohl“, diesem widerspricht Schröder nicht. Gemeinsam habe sie 1989 mit der Mutter gebannt vor dem Fernseher gesessen. „Wenn Sie sich in dieser Zeit für die Wiedervereinigung begeistert haben, dann haben Sie sich nicht für Oskar Lafontaine begeistert.“
In dieser Phase will sie auch in die Junge Union eintreten, doch Schröder muss noch zwei Jahre warten, denn die Statuten der JU verlangen ein Mindestalter von 14 Jahren. Nach dem Abitur studiert die gebürtige Hessin Soziologie, zieht 2002 erstmals in den Bundestag ein. Vier Jahre, bis 2013, ist Schröder Familienministerin im Kabinett Merkel, bekommt während der Amtszeit ihre erste Tochter. Bis sie 2017 aus dem Bundestag aussteigt und gleichzeitig auch ihre aktive politische Laufbahn beendet, ist Schröder nur noch einfache Abgeordnete. Als Ministerin habe sie ihr „gesamtes Familienleben“ nicht verbringen wollen.
Kritik an Merkel und der CDU
Heute arbeitet Schröder als Unternehmensberaterin und Kolumnistin. Mit unter anderem dem Psychologen Ahmad Mansour und dem Historiker Andreas Rödder gründete sie die Denkfabrik „Republik 21“. Ziel sei es, so ist es auf der Internetseite zu lesen, „der zunehmenden Polarisierung in unserer Demokratie entgegenzuwirken und die bürgerliche Mitte neu zu beleben“.
In diesem Zusammenhang kritisiert Schröder auch ihre eigene Partei. Die CDU habe in den letzten 15 Jahren keine eigenständigen Standpunkte entwickelt. „Oft haben wir linke Positionen übernommen und zehn Prozent abgezogen. Das war dann unsere CDU-Position.“
Auch ihre ehemalige Chefin und Kanzlerin kommt bei Schröders Einschätzung nicht gut weg. „Ich glaube schon, dass es die Partei unter Merkel verlernt hat, Spaß an der weltanschaulichen Auseinandersetzung zu haben. Das ist nun mal das, was mich an Politik besonders reizt. Deswegen versuche ich über diesen Thinktank eigenständige liberal-konservative Positionen zu formulieren.“
"Pandemiebekämpfung auf dem Rücken von Kindern"
An der neuen Ampelkoalition findet Kristina Schröder sogar ein wenig Gefallen, wenn es um die Coronapolitik von SPD, Grünen und FDP geht. Denn die ehemalige Ministerin blickt in ihrem aktuellen Buch: „FreiSinnig: Politische Notizen zur Lage der Zukunft“ skeptisch auf die Maßnahmen der abgewählten Großen Koalition: „Wir haben uns in Deutschland entschieden, einen großen Teil der Last der Pandemiebekämpfung auf dem Rücken von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen abzuladen.“
Schröder hofft sehr, dass die Omikron-Variante das Land aus der Pandemie führt. „Aber dann müssen wir mental auch bereit sein. Ich habe schon das Gefühl, dass wir in Deutschland sehr fixiert darauf sind, weiter im Pandemiemodus zu bleiben.“
(ful)