"Absolut einseitige" Ausrichtung
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat das Jüdische Museum in Berlin kritisiert. Der Journalist Alan Posener pflichtet ihm bei. Die inhaltliche Ausrichtung sei einseitig und im Haus herrsche ein erbitterter Machtkampf.
"Wir sind ein lebendiger Ort der Reflexion über die jüdische Geschichte und Kultur sowie über Migration und Diversität in Deutschland." So beschreibt sich das Jüdische Museum Berlin auf seiner Internetseite. Wie diese Reflektion stattfindet, daran gibt es prominente Kritik von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu. Aus seiner Sicht ist das Museum antiisraelisch, weil die aktuelle Ausstellung "Welcome to Jerusalem" die Stadt nicht nur aus israelischer Perspektive präsentiere. Außerdem fördere das Museum antiisraelische Aktivitäten. Damit meint Netanjahu Veranstaltungen mit dem umstrittenen Netzwerk BDS (Boykott, Desinvestition, Sanktionen), das dazu auffordert, den Staat Israel wegen seines Umgangs mit den Palästinensern zu boykottieren.
Der Journalist Alan Posener, Autor der Zeitung "Die Welt", hält die Kritik für berechtigt: "Selbstverständlich darf in einer Ausstellung über Jerusalem der Standpunkt der Araber nicht fehlen. Aber der Standpunkt derjenigen, die sagen, Jerusalem ist nun einmal die ewige und ungeteilte Hauptstadt Israels, darf auch nicht fehlen. Das fehlt aber dort."
Seine Kritik richtet sich sowohl gegen den Leiter des Museums Peter Schäfer als auch gegen die Leiterin der Akademie des Museums, Yasemin Shooman:
"Sie lädt immer wieder Leute ein, um Sachen zu diskutieren, wo es immer wieder darauf hinausläuft, den israelischen Staat zu kritisieren. Auch dagegen habe ich nichts. Selbstverständlich darf man Israel kritisieren. Aber sie lädt nie Leute ein, die Israel verteidigen. Da ist das Problem."
Haltung des Staates "nicht unter den Tisch kehren"
Das Museum hat in einer Erklärung bekräftigt, dass es eine offene Diskussion unter Einbeziehung verschiedener, teils auch kontroverser Sichtweisen unabdinglich ist und es das auch unterstützt. Posener vermisst dennoch, dass auch die Haltung der israelischen Regierung präsentiert wird:
"Das Museum hat bis heute noch keine Veranstaltung – soweit ich weiß – durchgeführt, in der explizit beispielsweise die Linie der israelischen Regierung in den ganzen Auseinandersetzungen Siedlungsfrage, Hebron-Frage, Gaza-Frage vertreten wurde."
Natürlich könne man - wie er selbst auch - Kritik an der Politik von Benjamin Netanjahu haben, findet Posener. Er fügt aber hinzu:
"Aber ich finde, in einem jüdischen Museum, gehört die Politik, die die Mehrheit der Israelis, also die Bewohner des jüdischen Staates, gehört vertreten und nicht unter den Tisch gekehrt. Stattdessen werden immer wieder Leute eingeladen, die der Boykott-Bewegung gegen Israel nahestehen oder ihr angehören."
"Ein Haus voller unglücklicher Menschen"
Posener schrieb in der "Welt": Das Haus stecke in einer "Sinn- und Führungskrise", weil viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Direktor des Museums, Peter Schäfer, nicht zufrieden sind. Es geht da unter anderem um den Führungsstil und den Zustand der Dauerausstellung.
Er bekräftigt bei Deutschlandfunk Kultur: "Peter Schäfer ist ein großartiger Judaist. Er interessiert sich für Dinge, davon haben 90 Prozent der Juden keine Ahnung. Nur der Punkt ist: Er hat noch nie ein Museum geleitet. Er weiß nicht, wie man ein Museum leitet. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sehen ihn kaum. Er geht in sein Büro und liest lieber einen akademischen Text, als dass er das Museum leitet. Und er überlässt die Leitung Leuten, die mit Menschen nicht umgehen können. Und darum hat mir jemand gesagt, und das ist mir bestätigt worden von vielen Leuten, mit denen ich gesprochen habe: Das Jüdische Museum ist ein Haus voller unglücklicher Menschen. Und das sollte nicht sein!"
Er appelliert an die deutschen Staatsbürger:
"Das Jüdische Museum ist absolut einseitig. Und das habe ich geschrieben, lange bevor Herr Netanjahu das gesagt hat. Es ist die Frage, ob es wirklich Aufgabe des israelischen Staatschefs ist, eine Kritik zu leisten, die wir selbst, wir Deutschen, leisten könnten. Es sollte aber uns Deutsche angehen, wenn das angeblich Jüdische Museum, was von uns bezahlt wird, solche Propaganda macht."
(cosa)