Kritik an Sport und Wirtschaft

"Das ist eine schwierige Gemengelage"

Sylvia Schenk, Sportbeauftragte Transparency International (30.05.2013)
Sylvia Schenk, Sportbeauftragte Transparency International © dpa / picture-alliance / Hannibal Hanschke
Sylvia Schenk von Transparency International im Gespräch mit Liane von Billerbeck |
War die WM 2006 gekauft? Sylvia Schenk von Transparency International warnt vor einer Vorverurteilung. Allerdings kritisiert sie die große Nähe von Sportartikelherstellern und sonstigen Sponsoren zu den Funktionären. Sie fordert eine klarere Abgrenzung von Politik, Wirtschaft und Medien zum Sport.
Hinsichtlich der umstrittenen WM-Vergabe 2006 sieht die Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International Deutschland, Sylvia Schenk noch keinen Hinweis auf Korruption. "Bisher ist es nur ein Fall von merkwürdigen, vielleicht auch teilweise verschleierten Zahlungsvorgängen." Es sei nicht zu erkennen, dass irgendjemand vom DFB sich Geld eingesteckt habe. Auch habe die FIFA im Grunde noch nicht bestritten, dass die fragliche Zahlung im Jahr 2002 über ihre Konten gelaufen sei.
"Sie hat nur gesagt, es entsprach nicht unseren damaligen Standards. Das ist noch mal ein kleiner Unterschied."
Klarere Grenzen zwischen Wirtschaft, Sport und Medien erforderlich
Man müsse jetzt abwarten, was die FIFA in ihren Büchern finde. Außerdem müssten in der Angelegenheit Franz Beckenbauer, Theo Zwanziger und Horst R. Schmidt befragt werden. Viel erwartet sich Schenk davon aber offenbar nicht: "Ich wäre aber auch sehr verzweifelt, wenn ich für die Aufklärung einer solchen Sache auf das Gedächtnis von Franz Beckenbauer über Vorgänge aus dem Jahr 2002 angewiesen wäre."
Als Konsequenz aus der Affäre um die Vergabe der Fußball-WM 2006 fordert Schenk eine klarere Abgrenzung von Politik, Wirtschaft und Medien zum Sport. Sie kritisiert die große Nähe von Sportartikelherstellern und sonstigen Sponsoren zum Sport. Auch im Fall Hoeneß hätten die im Aufsichtsrat vertretenen Großunternehmen "plötzlich dort alle ihre Compliancevorschriften vergessen". Ebenfalls "ganz dicht" am Sport seien Fernsehrechtehändler und die berichtenden Medien. "Das ist eine schwierige Gemengelage, und es wäre wichtig, dass dort sehr viel klarere Grenzen gezogen werden von allen Beteiligten", so Schenk. Man dürfe sich nicht von der Emotionalität des Sports hinreißen lassen, sondern müsse professionell mit der Sache umgehen.

Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Klare Ansage von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach bei einer gestern einberufenen Pressekonferenz. Woran liegt es nur, dass man immer nur sagen möchte, wer es glaubt, wird selig. Dass es an sich schon verwunderlich ist, wenn Blatters FIFA 250 Millionen Schweizer Franken Organisationszuschuss in Aussicht stellt, dafür aber ein Darlehen von 10 Millionen verlangt, also 1 Millionen soll man borgen dafür, dass man dann 250 bekommt.
Die FIFA hat gestern reagiert und gesagt, derlei Gebaren entspräche nicht ihren Standards, dass man Geld von ihr nur bekäme, wenn man vorher auch was auf den Tisch legt. Ganz klar, das ist ein Fall mindestens für Transparency International Deutschland, und dort für die Abteilung Sport zuständig ist Sylvia Schenk. Frau Schenk, guten Morgen!
Sylvia Schenk: Hallo, guten Morgen!
Klarheit in einigen Punkten, größere Unklarheit in anderen
von Billerbeck: Nach dem gestrigen Auftritt des DFB-Präsidenten und der Reaktionen der FIFA – ist jetzt alles vom Tisch oder alles noch viel schlimmer als vorher?
Schenk: Es sind ein paar Punkte etwas klarer geworden und ein paar Punkte etwas unklarer, und das Schlimme ist ja, dass ein Teil der Personen, die mehr wissen müssten, bisher nichts gesagt haben, also Horst R. Schmidt, der damalige Generalsekretär des DFB, Herr Dr. Zwanziger, der Präsident des DFB zur damaligen Zeit und dem Organisationskomitee für Finanzen zuständig, die waren ja viel dichter noch dran an den Zahlungen damals als der Herr Niersbach, und von Herrn Beckenbauer haben wir auch nichts direkt gehört, obwohl er 2002, als diese Zahlung an die FIFA erfolgt sein soll, direkt dabei war, das haben wir jetzt nur über Herr Niersbach vermittelt bekommen. Ja, es ist halt schwierig.
Intransparente Geldtransfers
von Billerbeck: Dann fangen wir doch mal an: Was ist denn klar?
Schenk: Klar ist, dass im Jahr 2005 eine Zahlung von 6,7 Millionen Euro vom Organisationskomitee beschlossen wurde für eine Kulturgala, die der André Heller vorbereiten sollte. Das war damals auch in der Diskussion, da wurde auch was vorbereitet. Diese Zahlung ging an die FIFA, von dort allerdings, nach allem, was ich weiß und was auch so jetzt von niemandem bestritten wurde, an den Louis-Dreyfus weiter, und das war also offensichtlich Geld, was fehlgeleitet wurde oder auf eine sehr merkwürdige intransparente Weise überwiesen wurde.
Und das, was Herr Niersbach gesagt hat, wieso es dazu kam, war eben, dass im Jahr 2002, nach den Angaben von Herrn Beckenbauer gegenüber Herr Niersbach – das, was Sie am Anfang schon gesagt hatten –, die FIFA sagt, ihr kriegt 250 Millionen Schweizer Franken Organisationskostenzuschuss, wenn ihr uns jetzt 10 Millionen Schweizer Franken zahlt. Dazu muss man natürlich wissen, die großen Einnahmen aus der WM, die kamen natürlich erst 2006, sowohl für die FIFA als Anteile davon als auch für den DFB, insofern hört es sich so an, als ob die FIFA klamm war im Jahr 2002 und deshalb sozusagen einen Vorschuss auf die späteren Einnahmen haben wollte.
Auf Beckenbauers Gedächtnis angewiesen
von Billerbeck: Aber ehrlich gesagt, wenn es um so viel Geld geht, 250 Millionen, dann will man doch einen größeren Vorschuss haben und nicht bloß 10 Millionen – das sind doch Peanuts im Vergleich.
Schenk: Ja, aber das OK hatte ja auch noch kein Geld zu dem Zeitpunkt. Die hatten ja offensichtlich Schwierigkeiten, nach dem, wie es jetzt heißt, die 10 Millionen überhaupt zu besorgen und mussten dazu auf Louis-Dreyfus zurückgreifen.
von Billerbeck: Den damaligen Adidas-Chef.
Schenk: Nein, 2002 war er schon nicht mehr Adidas-Chef. Nach meiner Information nur bis 2001. Also das ist natürlich alles von außen Stehenden schwer zu glauben, ich wäre aber auch sehr verzweifelt, wenn ich für die Aufklärung einer solchen Sache auf das Gedächtnis von Franz Beckenbauer über Vorgänge aus dem Jahr 2002 angewiesen wäre. Ich weiß nicht, ob man da wirklich die ganzen auch wichtigen Details bekommt, das ist halt ein Problem.
"Korruption kann man überhaupt noch nicht sehen"
von Billerbeck: Was ist denn das nun für Sie, was ist das für ein Fall? Ist das ein Fall von Korruption, ist das ein Fall von Verschleierung, was sehen Sie da?
Schenk: Bisher ist es nur ein Fall von merkwürdigen, vielleicht auch teilweise verschleierten Zahlungsvorgängen. Korruption kann man überhaupt noch nicht sehen. Es ist auch nicht zu erkennen, dass irgendjemand vom DFB sich Geld eingesteckt hat. Die FIFA hat ja auch noch nicht völlig bestritten, dass diese Zahlung im Jahr 2002 stattgefunden hat, sie hat nur gesagt, es entsprach nicht unseren damaligen Standards. Das ist noch mal ein kleiner Unterschied. Da wundert man sich ja auch schon.
Und es gibt keine weitere Anhaltspunkte für irgendwas anderes, als dass da 10 Millionen einmal zur FIFA geflossen sind und dann wieder über die FIFA zurück an Herrn Dreyfus. Man muss einfach abwarten, man muss schauen, was findet die FIFA in den Büchern. Da hätte ich gerne noch eine klarere Aussage, und zum anderen auch noch mal wirklich direkt Herrn Beckenbauer, Herrn Dr. Zwanziger und Horst R. Schmidt befragen.
von Billerbeck: Und Geber des Darlehens – das hatten wir ja schon mehrfach erwähnt – war Robert Louis-Dreyfus, der, wie Sie sagten, damals nicht mehr Adidas-Chef war, aber er was es ja zuvor – welche Rolle spielt er? Der taucht ja in vielen Geschichten auf, auch im Zusammenhang mit Uli Hoeneß, er hat ja da unter anderem für das Spielgeld gesorgt zum Zocken.
Schenk: Das war offensichtlich ein sehr, sehr reicher Mensch. Ich habe gelesen, er war ein Milliardär, der in den Fußball völlig vernarrt war und dann mit dem Geld um sich geschmissen hat. Da er 2009 gestorben ist, kann man auch dort ja überhaupt nichts mehr nachvollziehen.
Professionalität statt Emotionalität
von Billerbeck: Ganz generell gibt es ja immer eine große Nähe zwischen Funktionären und Sportartikelherstellern – das ist doch auch nicht die reine Borste, oder?
Schenk: Es gibt eine große Nähe zwischen Sport, Politik, der Wirtschaft, sowohl Sportartikelhersteller als auch sonstige Sponsoren – im Fall Hoeneß im Aufsichtsrat waren ja noch ein paar andere Großunternehmen vertreten, die plötzlich dort alle ihre Compliance-Vorschriften vergessen hatten – und die Medien. Sie müssen sehen, sowohl Fernsehrechtehändler als auch die berichtenden Medien sind ja auch ganz dicht dran. Das ist eine schwierige Gemengelage, und es wäre wichtig, dass dort sehr viel klarere Grenzen gezogen werden von allen Beteiligten, dass man wirklich professionell damit umgeht und sich nicht von der Emotionalität des Sports dazu hinreißen lässt, dass man doch alle eigentlich an derselben Sache interessiert ist.
von Billerbeck: Das hält sich bei mir in Grenzen, deshalb die Frage, wie haben Sie denn gestern den Auftritt von Wolfgang Niersbach gesehen?
Kein gutes Krisenmanagement
Schenk: Man hat ja gesehen, wie er mit sich gerungen hat, wie schwer es ihm gefallen ist zu sagen –
von Billerbeck: Ich habe eigentlich keine Ahnung.
Schenk: – ja, manche Fragen weiß ich auch noch nicht. Das ist ja eine ganz blöde Situation. Er hat deutlich gesagt, ich habe Fehler gemacht, dass ich mein Präsidium nicht rechtzeitig informiert habe. Er hat sicher auch überhaupt kein gutes Krisenmanagement betrieben, aber ich bin jetzt nicht in der Lage zu sagen, er hat was völlig Falsches erzählt. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte, und man muss immer sehr vorsichtig sein, bevor man etwas unterstellt.
von Billerbeck: Sylvia Schenk, die bei Transparency International Deutschland die Abteilung Sport leitet. Danke Ihnen für diese Einschätzungen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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