Kronjurist des Dritten Reiches
Carl Schmitt hat nahezu alles aufgehoben, jeden Zettel und jede Kalendernotiz, die er in seinem langen Leben aufschrieb. Vor allem die Tagebuchaufzeichnungen bis 1934, die Rainer Mehring zugänglich waren (danach sind sie noch nicht aus der Schmittschen Kurzschrift transkribiert worden), geben Aufschluss über Schmitts Charakter, über seine Arroganz, seine Überheblichkeit, seinen Antisemitismus, der schon früh in der Zeit der Weimarer Republik aufbricht.
Schmitt hat nicht nur alles aufgehoben, er hat auch alles Mögliche in seinen Tagebüchern festgehalten, Gedanken, wie sie ihm gerade durch den Kopf gingen, und Ereignisse bis hin zu seinen Erregungen und Ejakulationen. Schmitt und die Frauen, das wäre vielleicht ein eigenes Kapitel gewesen – wie er der Hochstaplerin Paula Dorotic auf den Leim ging, seiner ersten Frau, wegen der er exkommuniziert wurde. Oder wie er seine zweite Frau ständig betrog, vor allem als diese krank war und während ihrer Schwangerschaft.
Es gibt aber kein eigenes Kapitel, sondern Rainer Mehring berichtet, im Stakkato, geradezu atemlos über alles Mögliche: über Privates, über Schmitts Werk, über seine Karriere, über die politischen Ereignisse. 1927, Schmitt ist schon einer der führenden Staatsrechtler der Republik, schließt er seine Schrift über den "Begriff des Politischen" ab. Danach macht er regelmäßige Schießübungen mit Pistole und Gewehr. Warum er dies tut, erfahren wir leider nicht.
Und so ist es im ganzen Buch: detailreiche Berichte, viele Namen, viele Daten werden einfach chronologisch aneinandergereiht. Das ist mühsam zu lesen, und wer sich zum ersten Mal mit Carl Schmitt befasst, wird das Lebensbild kaum erkennen. Mehring lässt zwar nichts aus, er beschönigt nichts an Carl Schmitts fulminanter Karriere vor und nach 1933.
Man erfährt, wie er nach dem Machtwechsel NSDAP-Mitglied wurde und sich den Nazis als Kronjurist andiente. Mit den jüdischen Freunden brach er den Kontakt ab. Carl Schmitt rechtfertigte die Morde nach dem angeblichen Röhmputsch mit seiner Schrift "Der Führer schützt das Recht", feierte den Nürnberger Parteitag der NSDAP von 1935, an dem die Rassegesetze verkündet wurden, als "Reichsparteitag der Freiheit". Antisemitisches findet man schon in seinen frühen Tagebüchern von 1912 bis 1919 – und in seinen späteren, 1947, als Schmitt Ende 50 war. Zeit seines langen Lebens, er starb 1985 im Alter von 97 Jahren, sah er keinen Anlass, sein Denken zu revidieren oder gar Reue für sein Verhalten zu empfinden – zumal er in Plettenberg, wo er nach dem Krieg lebte, von zahlreichen Bewunderern aufgesucht wurde.
Rainer Mehring hat das alles aufgeschrieben, aber in großen Teilen leider nur protokollarisch. Auf eine interpretierende Darstellung verzichtet er weitgehend. Er hat eine Fülle von Material ohne jede Dramaturgie zusammengestellt. Auch sprachlich lässt das Buch zu wünschen übrig. Er schreibt zum Beispiel über Schmitts Ehebrüche: "Auch andere Frauen, so Corina Sombart, kommen ihm bedrohlich nahe. Es fehlt der Halt an engen Männerfreundschaften." Warum "bedrohlich" und warum braucht man Männerfreundschaften, um seiner Frau die Treue zu halten? Mehring hat sich, wie er im Vorwort schreibt, um große Faktizität bemüht. Das mag ihm gelungen sein. Eine gut lesbare Biografie hat er jedoch nicht vorgelegt.
Besprochen von Annette Wilmes
Reinhard Mehring, Carl Schmitt - Aufstieg und Fall. Eine Biographie.
C.H. Beck, München 2009
747 Seiten, 29,90 Euro
Es gibt aber kein eigenes Kapitel, sondern Rainer Mehring berichtet, im Stakkato, geradezu atemlos über alles Mögliche: über Privates, über Schmitts Werk, über seine Karriere, über die politischen Ereignisse. 1927, Schmitt ist schon einer der führenden Staatsrechtler der Republik, schließt er seine Schrift über den "Begriff des Politischen" ab. Danach macht er regelmäßige Schießübungen mit Pistole und Gewehr. Warum er dies tut, erfahren wir leider nicht.
Und so ist es im ganzen Buch: detailreiche Berichte, viele Namen, viele Daten werden einfach chronologisch aneinandergereiht. Das ist mühsam zu lesen, und wer sich zum ersten Mal mit Carl Schmitt befasst, wird das Lebensbild kaum erkennen. Mehring lässt zwar nichts aus, er beschönigt nichts an Carl Schmitts fulminanter Karriere vor und nach 1933.
Man erfährt, wie er nach dem Machtwechsel NSDAP-Mitglied wurde und sich den Nazis als Kronjurist andiente. Mit den jüdischen Freunden brach er den Kontakt ab. Carl Schmitt rechtfertigte die Morde nach dem angeblichen Röhmputsch mit seiner Schrift "Der Führer schützt das Recht", feierte den Nürnberger Parteitag der NSDAP von 1935, an dem die Rassegesetze verkündet wurden, als "Reichsparteitag der Freiheit". Antisemitisches findet man schon in seinen frühen Tagebüchern von 1912 bis 1919 – und in seinen späteren, 1947, als Schmitt Ende 50 war. Zeit seines langen Lebens, er starb 1985 im Alter von 97 Jahren, sah er keinen Anlass, sein Denken zu revidieren oder gar Reue für sein Verhalten zu empfinden – zumal er in Plettenberg, wo er nach dem Krieg lebte, von zahlreichen Bewunderern aufgesucht wurde.
Rainer Mehring hat das alles aufgeschrieben, aber in großen Teilen leider nur protokollarisch. Auf eine interpretierende Darstellung verzichtet er weitgehend. Er hat eine Fülle von Material ohne jede Dramaturgie zusammengestellt. Auch sprachlich lässt das Buch zu wünschen übrig. Er schreibt zum Beispiel über Schmitts Ehebrüche: "Auch andere Frauen, so Corina Sombart, kommen ihm bedrohlich nahe. Es fehlt der Halt an engen Männerfreundschaften." Warum "bedrohlich" und warum braucht man Männerfreundschaften, um seiner Frau die Treue zu halten? Mehring hat sich, wie er im Vorwort schreibt, um große Faktizität bemüht. Das mag ihm gelungen sein. Eine gut lesbare Biografie hat er jedoch nicht vorgelegt.
Besprochen von Annette Wilmes
Reinhard Mehring, Carl Schmitt - Aufstieg und Fall. Eine Biographie.
C.H. Beck, München 2009
747 Seiten, 29,90 Euro