Krude, chaotisch, aber eigenständig
Ende der sechziger Jahre versuchten sich deutsche Rock- und Popmusiker in einem neuen, eigenständigen Stil. "Krautrock" nannten's die Briten. Henning Dedekind hat ein spannendes Buch darüber geschrieben: Mit vielen Interviews vermittelt es das Lebensgefühl einer Zeit, die stark unter dem Eindruck des Vietnam-Krieges und der Anti-Atomkraftbewegung stand.
Die ersten Schritte hin zu einer eigenen Ausdrucksform gelangen deutschen Rock- und Popmusikern erst Ende der sechziger Jahre. Nachdem der Rock'n Roll in den späten 50er Jahren die Wirtschaftswundergeneration durcheinanderwirbelte und danach der Beat zu ziemlich genauen Kopien der anglo-amerikanischen Vorbilder führte, suchten viele Musiker ab Ende der 60er Jahre nach neuen musikalischen Ausdrucksformen.
Der Musikjournalist und Autor Henning Dedekind hat aus Gesprächen mit Musikern und Zeitzeugen eine Bestandsaufnahme dieser wichtigen Phase der deutschen Musikszene gemacht, die nicht nur diese selbst, sondern auch die gesellschaftlichen Zustände der Zeit dokumentiert.
Mit den beginnenden fünfziger Jahren und dem Wirtschaftswunder entwickelten die Jugendlichen über die Kultur der Besatzungsmächte wieder eigene Interessen. Die dazugehörige Begleitmusik lieferten amerikanische Kinofilme und der Rock'n Roll. Nachdem im Hamburger Star-Club die Beatles und viele andere britische Bands Anfang der sechziger Jahre Lehrstunden in Sachen "Beat" gegeben hatten, wurden auch in Deutschland die ersten Bands gegründet.
Dabei war zunächst nur eine möglichst genaue Kopie der Originale gefragt. Doch schon bald wollten sich deutsche Rockmusiker von den Vorbildern absetzen und arbeiteten an einer eigenen Identität, die anfangs krude und chaotisch, aber immerhin eigenständig klang. "Krautrock" entstand aus den Ideen des kalifornischen Psychedelic-Rocks und des englischen Progressive-Rocks, die mit Einflüssen der zeitgenössischen Experimentalmusik und des Free-Jazz versetzt wurden.
Der Begriff "Krautrock" wurde von der englischen Musikpresse geprägt, die die stereotype Bezeichnung für die Deutschen mit der Bezeichnung für deren unausgegorene Musikmischung verband. Den Anstoß dazu hatte wohl auch die Münchener Musikerkommune Amon Düül mit ihrem Song "Mama Düül and her Sauerkrautband Start Up" geliefert.
Fortan subsumierte man im Ausland alles, was an Rockmusik aus Deutschland kam, als "Krautrock". Dabei war es egal, ob es sich um musikalisch so unterschiedliche Bands wie Tangerine Dream, Kraftwerk, Amon Düül oder Kraan handelte. Einige der anfangs im Ausland belächelten Gruppen wurden Jahre später als stilbildende Trendsetter gefeiert. Im eigenen Land hatten es die Krautrocker dagegen schwer, sich durchzusetzen.
Henning Dedekind, Jahrgang 1968, analysiert diese Frühphase deutscher Rockmusikgeschichte mit wissenschaftlicher Gründlichkeit, beleuchtet die Gründe für die Entstehung der Musik, seziert die unterschiedlichen Strömungen wie Polit-Rock, Elektronik-Experimente, Weltmusikversuche oder Jazz-Rock-Ideen und setzt sie in den Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen.
Am Ende sucht Dedekind nach den Gründen für das Verschwinden des Kraut-Rock-Phänomens und lässt geschickter Weise in einem Epilog die Musiker und Protagonisten selbst ein Resümee ziehen.
Dedekind gelang mit "Krautrock. Underground, LSD und Kosmische Kuriere" ein faktenreiches und höchst informatives Buch, das nicht nur eine wichtige Phase der deutschen Pop-Musikgeschichte dokumentiert, sondern auch einen Blick auf die gesellschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland erlaubt.
Die Entwicklung der Musikszene in der ehemaligen DDR hat Dedekind bewusst ausgelassen, weil sich die gesellschaftlichen Umstände, unter denen dort Rockmusik entstand, deutlich unterschieden. Krautrock bleibt demnach ein westdeutsches Phänomen.
Ein spannendes und gleichzeitig unterhaltsames Buch. Der Autor erzählt darin nicht nur die Geschichte der wichtigsten Bands und Musiker der Krautrock-Phase, sondern vermittelt mithilfe vieler Interviews und Gespräche mit Krautrock-Protagonisten und Zeitzeugen darüber hinaus das Lebensgefühl einer Zeit, die stark unter dem Eindruck des Vietnam-Krieges und der Anti-Atomkraftbewegung stand und ganz allgemein großen gesellschaftlichen Veränderungen unterworfen war. So ist quasi nebenbei auch ein wichtiges Werk über einen Teilbereich der westdeutschen Kulturgeschichte entstanden.
Das Buch "Krautrock. Underground, LSD und kosmische Kuriere" hat 300 Seiten, etliche Fotos sowie einen lexikalischen Teil, in dem 32 der wichtigsten Bands ausführlich und 39 Gruppen kurz aufgeführt werden.
Rezensiert von Uwe Wohlmacher
Henning Dedekind: Krautrock, Underground, LSD und kosmische Kuriere
Hannibal Verlag, 2008
300 Seiten, 24,90 Euro
Der Musikjournalist und Autor Henning Dedekind hat aus Gesprächen mit Musikern und Zeitzeugen eine Bestandsaufnahme dieser wichtigen Phase der deutschen Musikszene gemacht, die nicht nur diese selbst, sondern auch die gesellschaftlichen Zustände der Zeit dokumentiert.
Mit den beginnenden fünfziger Jahren und dem Wirtschaftswunder entwickelten die Jugendlichen über die Kultur der Besatzungsmächte wieder eigene Interessen. Die dazugehörige Begleitmusik lieferten amerikanische Kinofilme und der Rock'n Roll. Nachdem im Hamburger Star-Club die Beatles und viele andere britische Bands Anfang der sechziger Jahre Lehrstunden in Sachen "Beat" gegeben hatten, wurden auch in Deutschland die ersten Bands gegründet.
Dabei war zunächst nur eine möglichst genaue Kopie der Originale gefragt. Doch schon bald wollten sich deutsche Rockmusiker von den Vorbildern absetzen und arbeiteten an einer eigenen Identität, die anfangs krude und chaotisch, aber immerhin eigenständig klang. "Krautrock" entstand aus den Ideen des kalifornischen Psychedelic-Rocks und des englischen Progressive-Rocks, die mit Einflüssen der zeitgenössischen Experimentalmusik und des Free-Jazz versetzt wurden.
Der Begriff "Krautrock" wurde von der englischen Musikpresse geprägt, die die stereotype Bezeichnung für die Deutschen mit der Bezeichnung für deren unausgegorene Musikmischung verband. Den Anstoß dazu hatte wohl auch die Münchener Musikerkommune Amon Düül mit ihrem Song "Mama Düül and her Sauerkrautband Start Up" geliefert.
Fortan subsumierte man im Ausland alles, was an Rockmusik aus Deutschland kam, als "Krautrock". Dabei war es egal, ob es sich um musikalisch so unterschiedliche Bands wie Tangerine Dream, Kraftwerk, Amon Düül oder Kraan handelte. Einige der anfangs im Ausland belächelten Gruppen wurden Jahre später als stilbildende Trendsetter gefeiert. Im eigenen Land hatten es die Krautrocker dagegen schwer, sich durchzusetzen.
Henning Dedekind, Jahrgang 1968, analysiert diese Frühphase deutscher Rockmusikgeschichte mit wissenschaftlicher Gründlichkeit, beleuchtet die Gründe für die Entstehung der Musik, seziert die unterschiedlichen Strömungen wie Polit-Rock, Elektronik-Experimente, Weltmusikversuche oder Jazz-Rock-Ideen und setzt sie in den Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen.
Am Ende sucht Dedekind nach den Gründen für das Verschwinden des Kraut-Rock-Phänomens und lässt geschickter Weise in einem Epilog die Musiker und Protagonisten selbst ein Resümee ziehen.
Dedekind gelang mit "Krautrock. Underground, LSD und Kosmische Kuriere" ein faktenreiches und höchst informatives Buch, das nicht nur eine wichtige Phase der deutschen Pop-Musikgeschichte dokumentiert, sondern auch einen Blick auf die gesellschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland erlaubt.
Die Entwicklung der Musikszene in der ehemaligen DDR hat Dedekind bewusst ausgelassen, weil sich die gesellschaftlichen Umstände, unter denen dort Rockmusik entstand, deutlich unterschieden. Krautrock bleibt demnach ein westdeutsches Phänomen.
Ein spannendes und gleichzeitig unterhaltsames Buch. Der Autor erzählt darin nicht nur die Geschichte der wichtigsten Bands und Musiker der Krautrock-Phase, sondern vermittelt mithilfe vieler Interviews und Gespräche mit Krautrock-Protagonisten und Zeitzeugen darüber hinaus das Lebensgefühl einer Zeit, die stark unter dem Eindruck des Vietnam-Krieges und der Anti-Atomkraftbewegung stand und ganz allgemein großen gesellschaftlichen Veränderungen unterworfen war. So ist quasi nebenbei auch ein wichtiges Werk über einen Teilbereich der westdeutschen Kulturgeschichte entstanden.
Das Buch "Krautrock. Underground, LSD und kosmische Kuriere" hat 300 Seiten, etliche Fotos sowie einen lexikalischen Teil, in dem 32 der wichtigsten Bands ausführlich und 39 Gruppen kurz aufgeführt werden.
Rezensiert von Uwe Wohlmacher
Henning Dedekind: Krautrock, Underground, LSD und kosmische Kuriere
Hannibal Verlag, 2008
300 Seiten, 24,90 Euro