Krypto-Währungen

Bloß nicht regulieren!

Illustration: Geschäftsmann jagt einer Bitcoin-Münze hinterher, die auf einem absteigenden Kursgrafen hinunterrollt.
Sollten Krypto-Währungen nach dem Mega-Crash besser kontrolliert werden? Nein, meint die in New York lebende Publizistin Heike Buchter. © Getty Images / fStop / Malte Müller
Ein Kommentar von Heike Buchter · 14.12.2022
Bis vor Kurzem war FTX die weltweit größte Börse für Krypto-Währungen. Als sie implodierte, verloren Anleger auch in Deutschland Milliarden. Wirtschaftsjournalistin Heike Buchter warnt trotzdem vor mehr Kontrolle. Das berge mehr Gefahren als Schutz.
Es ist der Wilde Westen der Finanzen. Mehr als hundert Zusammenbrüche und Hackerattacken gab es, seit vor 14 Jahren Unbekannte den Bitcoin, die bekannteste Kryptowährung erfanden. Doch der Zusammenbruch von FTX gilt als “Lehman”-Moment der Krypto-Branche. Das ist eine Referenz an den Untergang der Investmentbank Lehman Brothers 2008, der erst das Finanzsystem und dann die gesamte Weltwirtschaft in eine schwere Krise stürzte. Danach wurden Banken in den USA und Europa strenger reguliert. Nun kommt von Gegnern wie Fans der Ruf: Solche strengen Vorschriften müssen auch für Krypto her! Meine Antwort: Bloß nicht!  

Strengere Aufsicht würde Krypto legitimieren

Warum nicht? Eine Aufsicht analog zu der des traditionellen Finanzsystems würde die Krypto-Branche weiter legitimieren. Es wäre ein - falsches - Signal für Hedgefonds, Banken, Pensionskassen und Versicherer, noch tiefer als bisher dort einzusteigen. Ganz zu schweigen von den Kleinanlegern, die sich durch die staatlichen Wachhunde geschützt fühlen dürften.
Doch die Gefahr eines Crashs kann auch durch strengste Regeln nicht ausgeschlossen werden. Je stärker unser traditionelles Finanzsystem mit dem Krypto-Ökosystem verbunden ist, desto gefährlicher werden Krypto-Crashs und zwar nicht nur für die Akteure selbst, sondern für uns alle.
FTX hat zwar Milliarden Dollar pulverisiert, Tausende Anleger um ihr Geld gebracht und weitere Krypto-Institutionen vernichtet. Doch es hat weder unsere Banken noch unsere Pensionskassen und schon gar nicht unsere Unternehmen oder Jobs mitgerissen. Anders als damals Lehman Brothers, die als Investmentbank weltweit vernetzt war. Und anders als damals sahen sich auch die Zentralbanken und Regierungen nicht gezwungen, die angeschlagenen Krypto-Operationen auf Kosten der Allgemeinheit zu retten. 

Kryptos sind reines Spekulationsgeschäft

Fans der Kryptos werden einwenden, dass auch traditionelle Finanzinstitute dasselbe Schicksal wie FTX ereilen kann: Kunden, die das Vertrauen verlieren und in Panik ihre Einlagen abziehen, sodass die Einrichtung unter ihrem Ansturm zusammenbricht. Das nennt man im Englischen nicht grundlos einen bank run.
Dem kann man nicht widersprechen. Aber wir müssen diese Risiken in Kauf nehmen. Denn unsere Wirtschaft, ja unsere Gesellschaft kann nicht ohne das traditionelle Finanzsystem funktionieren, denn Fonds und Banken stellen die Mittel für Unternehmen, Kommunen, für Altersvorsorge und Infrastruktur bereit.
Bei den Kryptos dagegen stehen den Risiken lediglich die Spekulationsgewinne einiger weniger gegenüber.
Aber was ist mit dem Argument, die Kryptos seien unaufhaltsam, weil sie die Zukunft der Finanzen darstellten? Für die Technologie hinter den Kryptowährungen, die Blockchain, mag es vielversprechende Anwendungen geben. Für Bitcoin, Ether, Solana und Co. jedoch sind diese bisher nicht zu erkennen. Böse gesagt, sind sie eine Lösung auf der Suche nach einem Problem.
Wer seine Ersparnisse oder die seiner willigen Kunden auf diese Weise investieren will, der kann das gerne machen. Nur eben nicht nur auf eigene Rechnung, sondern auch auf eigenes Risiko. 

Kryptos aus dem Finanzsystem rauslassen 

Interessanterweise galt bis in die 90er-Jahre in den USA das Trennbanken-System. Es verbot Investmentbanken wie Lehman, die mit Wertpapieren spekulierten, gleichzeitig im klassischen Bankgeschäft aktiv zu sein. Seine Befürworter glauben bis heute, dass die Abschaffung des Trennbanken-Gesetzes die eigentliche Ursache für das Lehman-Debakel war.
Noch sind die Verbindungen zwischen den Märkten für Coins und Tokens und den herkömmlichen Vermögenswerten nicht eng. Die Aufgabe der zuständigen Aufseher sollte deshalb nicht sein, Regeln zu finden, die eine weitere Integration der Kryptos ermöglichen. Ihre Aufgabe sollte stattdessen sein, die Trennung der beiden Finanzwelten aufrechtzuerhalten oder zu verstärken. Wenn es eine Regel braucht, dann ist es diese: Haltet Kryptos raus aus unserem Finanzsystem!

Heike Buchter ist Journalistin und Autorin mit Fokus auf Wirtschaft und Finanzen. Nach dem Abitur an der Deutschen Schule in Barcelona studierte sie in Madrid und Reutlingen Betriebswirtschaft. Seit 2001 berichtet sie von der Wall Street, 2008 wurde sie Wirtschaftskorrespondentin der „Zeit“ in den USA. 2015 erschien ihr Buch: „BlackRock: Eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld“ im Campus Verlag.

Heike Buchter. Eine Frau mit kurzen Haaren steht auf einer Dachterrasse in New York.
© Stefan Falke
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