Bitcoin hat einen hohen Energieverbrauch, aber entscheidend ist doch, woher die Energie kommt. Kommt sie aus erneuerbaren Energien oder aus der Kohle? Und wenn sie aus erneuerbaren kommt, dann sehe ich da kein Problem. Man bekommt ja etwas dafür. Es ist ja ein Investment. Viele Dinge brauchen Energie und bei Bitcoin ist sie meiner Meinung nach gut investiert.
Krypto-Boom in Lateinamerika
Auch dieser kleine Laden in El Salvadors Hauptstadt akzeptiert Bitcoins. © picture alliance / AP Foto / Salvador Melende
Bitcoin statt Gold
24:43 Minuten
Viele Menschen in Lateinamerika setzen ihre Hoffnung auf virtuelle Währungen. Die unterliegen starken Schwankungen, aber daran sind die Finanzjongleure wider Willen gewöhnt. Wegen hoher Inflationsraten war das klassische Sparen noch nie eine Option.
In einem alten, verlassenen Sägewerk im Osten Paraguays machen rund 600 Hochleistungsrechner einen Höllenlärm. Sie rattern rund um die Uhr, blasen dazu heiße Luft aus, wie ein Föhn auf höchster Stufe. Riesige Kühl-Ventilatoren kämpfen dagegen an, dass die Maschinen in der tropischen Hitze Südamerikas nicht durchbrennen.
Hier wird geschürft – und zwar im Netz. „Heute gibt es praktisch nur noch solche Hightech-Computer, die ausschließlich Bitcoins schürfen. Das zu Hause mit seinem PC zu versuchen, ergibt keinen Sinn,“ sagt Antonio Li.
Drecksarbeit in der Mining-Farm
Den Schatz, den er hier schürft, kann man nicht anfassen, er ist rein virtuell. Li erschafft Kryptowährungen wie Bitcoin. Li schürft für sich selbst, stellt aber auch für seine Kunden Rechner auf – der Gewinn wird geteilt. „Ich mache hier sozusagen die Drecksarbeit, die die Leute nicht machen wollen, denn die Maschinen produzieren jede Menge Hitze und Lärm. Ein Vergleich: Stell dir einen Hühnerstall vor: Wenn du Hühner züchten willst, okay. Ich kümmere mich um den Stall.“
Dass dieser Stall in Paraguay steht, hat Gründe: Die Hightech-Computer fressen Unmengen Strom – und der ist in dem südamerikanischen Land so billig wie kaum irgendwo sonst. Dank Itaipú, dem drittgrößten Wasserkraftwerk der Welt. Dessen 20 Turbinen liefern weit mehr Strom, als das landwirtschaftlich geprägte Paraguay mit seinen acht Millionen Einwohnern selbst verbraucht. Etwas über drei Eurocent kostet eine Kilowattstunde – zwölfmal weniger als in Deutschland. Und nicht nur in Paraguay hat billiger Strom die Krypto-Miner auf den Plan gerufen.
25.000 Dollar und Mut zum Risiko
Auch bei Valeria Frias brummt und rattert es im Keller. Die 52-jährige Argentinierin steht in ihrem Einfamilienhaus im Viertel Chacarita von Buenos Aires, dreht an unzähligen Schrauben und steckt USB-Anschlüsse ineinander. Mein Fort Knox, sagt die schlanke, schwarzhaarige Frau stolz. „Vor zwei Jahren habe ich mich vom Vater meiner zwei Kinder getrennt, er sagte, ich zahl dir keinen Peso mehr. Dann kam die Pandemie, ich wurde auf Kurzarbeit gesetzt, mein Lohn reichte nicht aus. Ich hatte ein paar Dollar zur Seite gelegt, aber ich musste gut überlegen, wie ich sie anlegte, denn einen Fehler konnte ich mir nicht erlauben.“
Valeria investierte all ihr Erspartes, knapp 25.000 US-Dollar, in Hochleistungsmaschinen zum Schürfen, sogenannte Mining Rigs. Ihre Anfangsinvestition hat Valeria Frias längst wieder raus. Der argentinische Staat unterstützt sie indirekt, nämlich durch großzügige Subventionen auf Elektrizität. Heute baut die 52-Jährige selbst Rigs zusammen und verkauft sie im ganzen Land – denn das Geschäft boomt.
Argentinien steckt seit Jahren in der Wirtschaftskrise. Die Bewohner hat das gezwungenermaßen zu Finanz-Jongleuren gemacht. Denn der heimischen Währung, dem Peso, vertraut keiner mehr, wer kann, spart in US-Dollar – auch die meisten Preise, zum Beispiel für Autos oder Wohnungen, orientieren sich an der US-Währung. Doch der Kauf der Devise ist beschränkt, Dollar sind meist nur auf dem teuren Schwarzmarkt zu haben. Bitcoin, Ethereum und Co erscheinen da als beliebte Alternative.
Zuversicht trotz extremer Schwankungen
Es ist ein Geschäft, bei dem die Banken außen vor bleiben, ebenso der Staat. Wer seine Bitcoins oder Ethereum gegen Dollar eintauschen will, kann dies in den "Cuevas" tun, den illegalen Wechselstuben. Dazu gibt es mittlerweile zwölf Geldautomaten im Land, an denen man Kryptowährungen in Pesos tauschen kann. Valeria checkt den aktuellen Umtausch-Kurs per App.
Dass der immer wieder Berg- und Talfahrten hinlegt, der Gewinn eines Tages am nächsten genauso schnell wieder zerrinnen kann, schreckt die 52-Jährige nicht ab. „Wir sind daran gewöhnt, dass der Wert unserer Währung ständig schwankt. Deswegen haben wir auch kein Problem mit den Schwankungen der Kryptowährungen. Mal geht es hoch, mal runter, mit diesem Risiko umzugehen, das haben wir sowieso schon verinnerlicht.“
Dass sich Ethereum, Bitcoin und Co. in Argentinien so schnell verbreiten, wundert Sebastián Mora nicht. Er forscht zu Kryptowährungen und Fintech an der renommierten Universität Torcuato di Tella von Buenos Aires. „In Argentinien trifft man auf ein perfektes Gemisch, das den Boden für den Krypto-Boom bereitet hat", meint er. "Die hohe Inflation und die Devisenbeschränkungen sind das eine. Aber auch wenn viele deswegen die Kryptowelt als Alternative entdeckt haben, hat sich der Boom verselbstständig. Unsere Gesellschaft ist sehr technik-affin, es gibt weniger Skepsis gegenüber der Krypto-Welt." Dazu komme, dass es in Argentinien viele technisch gut ausgebildete Leute gibt. "Die Akzeptanz und die Annahme von Kryptowährungen sind in Argentinien so hoch wie in kaum einem anderen Land der Region und auch weltweit.“
„Geldwäsche kann man bekämpfen“
Das Dreiländereck Paraguay, Argentinien und Brasilien gilt als Drehkreuz für Schmuggler und Fälscher und sonstige halbseidenen Geschäftsleute. Dabei spielen Kryptowährungen eine immer größere Rolle, wie aus einem aktuellen Bericht des INBC, des Suchtkontrollrates, hervorgeht.
Demnach waschen Kriminelle ihre Erträge aus schmutzigen Geschäften zunehmend auch über Kryptowährungen. Das lässt sich verhindern, mein Sebastián Mora. "Wenn ein Staat das Ziel hat, Geldwäsche zu bekämpfen, hat er dazu Möglichkeiten, vor allem die enge Zusammenarbeit mit den Exchanges, also den Kryptowährungsbörsen. Denn auf diese Plattformen sind Transaktionen mit den gängigen Kryptowährungen ja keinesfalls anonym, sondern lediglich 'pseudonym' abgewickelt. Die Adressen der virtuellen Geldbörsen sind vergleichbar mit Kontonummern und können eindeutig einem Kunden zugeordnet werden, da sie in sogenannten Blockchain-Datenbanken dokumentiert sind."
Aber dazu braucht es den Willen und Gesetze, die den Geldfluss regulieren und überprüfbar machen. Sowohl in Argentinien als auch in Paraguay wird an einer solchen Regulierung gearbeitet, denn man sieht mehr Chancen als Risiken im Krypto-Geschäft. Auch mit Blick auf China. Es haben sich bereits mehrere chinesische Mining-Unternehmen in Paraguay angesiedelt, denn in China selbst wird das Schürfen von Kryptogeld restriktiv gehandhabt.
Experimentierfeld El Salvador
Bereits im vergangenen Jahr hat der Präsident El Salvadors, Nayib Bukele, quasi im Alleingang den Bitcoin zum offiziellen Zahlungsmittel in dem mittelamerikanischen Land erklärt. Nach einem halben Jahr kann man erste Ergebnisse sehen: Der Bitcoin wird von einer kleinen digital-affinen Minderheit angenommen, rund 65 Prozent der Bevölkerung ist aber gegen das Bitcoin-Gesetz. Eine Frage der Zeit, glaubt der Präsident. Er will internationale Investoren und Kapital anlocken und Pioniergeist zeigen.
El Salvador ist für Gewalt, Migration und Armut bekannt, das Bitcoin-Experiment soll dem Land ein neues, modernes Image verpassen. Bisher ist das aber – wenn überhaupt – nur in der Bitcoin-Vorzeigestadt El Zonte am Pazifik gelungen. Auch die Idee, die energiefressende Industrie über die Vulkane in El Salvador zu speisen, ist noch nicht umgesetzt.
Wie effizient das Schürfen in Zukunft bleibt, ist sowieso ungewiss. Der Klimawandel setzt zum Beispiel den Wasserkraftwerken in Paraguay enorm zu. Es regnet zu wenig. Und Argentinien muss jetzt schon mit fossilen Brennstoffen unterstützen, deren Preise auch im Zuge des Ukraine-Krieges explodiert sind. Dazu kommt: Das hoch verschuldete Land hat soeben ein Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds zugestimmt, wonach die Subventionen für Strom drastisch heruntergefahren werden müssen.
Nun will man im Norden Argentiniens eine Schürffabrik allein durch Solarkraft betreiben. Die Hoffnung ist größer als die Angst vor dem Scheitern.
Bitcoin-Mining: Die Stromfesser von Plattsburgh
In dem US-amerikanischen Plattsburgh kommt die Energie aus einem Wasserkraftwerk am Niagara-Fluss und ist billig. Das hat Bitcoin-Miner angezogen. Ein Ärgernis für die Bewohner des Ortes.