Kuba

Steinmeier-Reise eröffnet neue Chancen

Renovierungsbedürftiger 1958er Classic Chevy auf einer Kopfsteinpflasterstrasse im Kolonialviertel von Trinidad in Kuba.
Morbider Charme des Kolonialviertels von Trinidad auf Kuba © imago/blickwinkel
Bernd Wulffen im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
Es ist der erste Besuch eines bundesdeutschen Außenministers, wenn Frank-Walter Steinmeier heute nach Kuba reist. Der Buchautor und frühere Botschafter Bernd Wulffen glaubt an den Wandel auf der Karibikinsel.
"Ich denke, dass es wichtig ist, dass wir jetzt gerade Flagge zeigen in Kuba", sagte der frühere Botschafter in Havanna, Bernd Wulffen, im Deutschlandradio Kultur. "Die EU hat schon einige Schritte in Richtung Kuba getan." Kuba habe als möglicher Partner einiges zu bieten. Die Entwicklung der Wirtschaft habe auf der Insel einiges nachzuholen. "Wenn Sie nach Kuba reisen, ist es immer noch ein großes Museum", sagte der Autor von Kuba-Büchern. Das Land sei technisch sehr rückständig, deshalb könne Deutschland dort einiges leisten. Kuba steuere jetzt Schritt für Schritt neue Ziele an. "Wir haben ja in den letzten Jahren bereits einiges an Wandel erlebt in Kuba." Allerdings gehe das noch nicht weit genug.
Dialog mit Kuba wichtig
Wulffen sagte, es sei vor allem wichtig, den Dialog mit Kuba wieder aufnehmen. Dazu gehöre auch, dass über das unterschiedliche Verständnis von Menschenrechten gesprochen werde. Er könne sich vorstellen, dass ein 2003 verhandeltes Kulturabkommen jetzt auf den Weg gebracht werde.

Das Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Frank-Walter Steinmeier ist der erste Außenminister der Bundesrepublik, der nach Kuba reist. Das als historisch zu beschreiben, ist vielleicht ein bisschen zu hoch gegriffen, vielleicht ein bisschen zu früh, aber es zeigt natürlich, dass da ganz offenbar etwas in Bewegung ist im Karibikstaat. Was und in welche Richtung und ob es eine gute ist, darüber spreche ich jetzt mit Bernd Wulffen. Er war von 2001 bis 2005 Deutscher Botschafter in Havanna, hat Bücher geschrieben über Kuba, zuletzt unter anderem "Kuba im Aufbruch". Guten Morgen, Herr Wulffen!
Bernd Wulffen: Guten Morgen, Herr Frenzel!
Frenzel: Kuba im Aufbruch – könnte man jetzt auch sagen Kuba und Deutschland im Aufbruch zu neuen Beziehungen?
Wulffen: Ja, ich denke schon. Ich denke, dass es wichtig ist, dass wir jetzt gerade auch Flagge zeigen in Kuba. Die Europäische Union hat ja bereits einige Schritte in Richtung Kuba getan. Sie erinnern sich vielleicht, dass vor ein paar Wochen Präsident Hollande in Havanna gewesen ist, davor auch der niederländische Außenminister. Die Außenbeauftragte, Frau Mogherini. Also, ich denke, das ist ein Handlungsstrang, der wichtig ist, zumal Kuba auch ja einiges zu bieten hat.
Wir könnten sehr gute Partner sein in Kulturfragen. Die Kubaner sind ein kunstbeflissenes Volk, sie sind erfindungsreich, sie haben auch große Leistungen in Wissenschaft und Forschung erbracht. Und umgekehrt sind wir ein guter Partner. Ich denke immer noch daran, dass Ramon Castro, der ältere Bruder von Fidel Castro mir mal sagte, dass der Vater Angel sehr angetan war von deutscher Technik und das eben auch auf seine Söhne übertragen hat. Also ich glaube, da ist ein interessantes Feld. Im Übrigen haben wir ja auf dem Wirtschaftssektor in Kuba erheblichen Nachholbedarf. Wenn Sie nach Kuba reisen, ist das immer noch ein großes Museum, ein schönes Museum, aber technisch doch etwas rückständig. Und da können wir einiges bieten.
Verschiedene Auffassungen zu Menschenrechten
Frenzel: Ja, dieses Museum, das ist ja auch genau das, was wir auch lieben, was mich eigentlich auch zu der nächsten Frage führt, was das eigentlich bedeuten kann, eine Annäherung, auch ein Wandel in Kuba. Da denken wahrscheinlich, Sie haben es auch gerade schon angesprochen, viele an die Wirtschaft, das berühmte Stichwort "Wandel durch Handel". Ist es am Ende letztendlich eine Entwicklung, die durch Geld, die durch Handel getrieben wird.
Wulffen: Ich könnte mir vorstellen, dass das auch eine Rolle spielt, aber ich glaube, viel wichtiger ist, dass wir den Dialog mit Kuba wieder aufnehmen. Und dass wir uns austauschen auf den verschiedensten Sektoren, natürlich auch auf dem Sektor der Menschenrechte. Das ist ganz wichtig. Da bestehen unterschiedliche Auffassungen in Kuba und bei uns, und ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt. Aber auf der anderen Seite, wir waren ja zu meiner Zeit damals, 2003, so weit, ein Kulturabkommen abzuschließen. Das war verhandelt und bereits paraphiert worden, und ich könnte mir vorstellen, dass man daran anknüpfen kann, dass man also jetzt den Versuch unternimmt, die kulturellen Beziehungen auf eine rechtliche Grundlage zu stellen. Und das wäre ein wichtiger Schritt.
Frenzel: Haben Sie denn den Eindruck, dass sich Kuba da in der richtigen Art und Weise öffnet? Sie haben diese Kulturkooperation angesprochen. Es sollte ja auch ein Goethe-Institut gegründet werden, dass es bis heute nicht gibt. Ist es nicht leider so, dass Kuba sich reformiert und öffnet in wirtschaftlichen Fragen, aber politisch, Stichwort Menschenrechte, leider im Prinzip dieser Einparteienstaat bleibt?
Wulffen: Ja, das ist natürlich ein sehr schwieriges Thema. Ich habe das Gefühl, dass – Sie haben ja eben den Umbruch erwähnt, den es in Kuba gibt, das ist ja auch der Titel meines Buches, "Kuba im Umbruch", weil ich der Auffassung bin, dass Kuba ganz allmählich, Schritt für Schritt, neue Ziele ansteuert. Wir haben ja auch in den letzten Jahren bereits einiges an Wandel erlebt in Kuba. Es ist unterm Strich schon bedeutsam, aber es geht aus unserer Sicht noch nicht weit genug.
Und ich glaube, über den Dialog könnten wir da den Versuch unternehmen, vorwärts zu kommen im Austausch von vor allen Dingen auch jungen Menschen, Kubanern, die hierher kommen. Wir haben ja auch da eine lange Tradition. Denken Sie an die vielen Stipendiaten, die in der ehemaligen DDR gewesen sind und die heute immer noch auch für uns ein Schatz sind in Kuba, den wir heben können, die an den Universitäten arbeiten und die uns hier Türen öffnen.
Enge Beziehungen zu Europa
Frenzel: Haben Sie denn den Eindruck, dass die Kubaner, gerade die kubanische Jugend auch Richtung Europa schaut, vielleicht auch als Alternative zum nicht mehr verhassten Amerika, aber doch einem Amerika, dem man ja skeptisch gegenüber blickt mit seinem McDonalds und mit der Geschichte, die man auch miteinander hatte?
Wulffen: Die Beziehungen zwischen Europa, ich denke vor allen Dingen auch an Spanien, das ja die frühere Kolonialmacht war, sind eng, auch durch familiäre Bande gekennzeichnet. Man schaut auf Europa. Sie können sicher sein, dass auch die Dinge, die jetzt in Europa sich abspielen, Griechenland beispielsweise, große Aufmerksamkeit in Kuba finden. Die Mühe, die wir uns geben, und das könnte sich auch auf Kuba übertragen, dass wir hier in einen intensiven Dialog kommen, der die Menschen auf beiden Seiten auch beeinflusst und vorwärts geht.
Was in Kuba wichtig ist: Die Kubaner sind ein sehr stolzes Volk und die Kubaner möchten gern ihr eigenes Modell verwirklichen, dass sich langsam herauskristallisieren könnte. Und wir könnten ihnen beispielsweise durch kulturelle und wirtschaftliche Zusammenarbeit dabei helfen, dieses Modell weiterzuentwickeln und im Dialog dann auch Früchte zu bringen.
Frenzel: Sie haben das anfangs angesprochen, dieses nostalgische Bild von Kuba, die alten Häuser, die alten Straßenkreuzer – haben Sie manchmal Sorge, dass bei all den Veränderungen, die jetzt anstehen, das auch ganz verschwindet, dieses Kuba?
Wulffen: Das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass das verschwinden wird. Es wird sich einiges ändern im Straßenbild. Wir haben ja auch eine ganze Menge Gebäude, die dringend renovierungsbedürftig sind. Es fehlen eben in Kuba die Banken, die Versicherungen, die privaten Firmen, die so ein Gebäude dann praktisch wieder instand setzen können. Das fehlt. Und das wird wichtig sein. Es wird schon ein neues Bild in Kuba geben, aber ich glaube, dass Kuba doch auch traditionsbewusst ist und diese alte Kultur aufrechterhalten möchte.
Frenzel: Der frühere deutsche Botschafter in Havanna, Bernd Wulffen. Ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch!
Wulffen: Aber gern, Herr Frenzel! Auf Wiederhören!
Frenzel: 6:54 Uhr ist es, und das Gespräch haben wir geführt, weil heute etwas passierte, das es noch nie gab so in der Geschichte: Ein deutscher Außenminister, Frank-Walter Steinmeier reist heute nach Kuba. Unser Kollege Klaus Remme ist übrigens dabei, und er wird heute sicherlich an der einen oder anderen Stelle auch noch berichten bei uns im Programm, hier von Deutschlandradio Kultur.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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