Das Konzert von "Barocco" findet am 17. Juli 2016 in den Mozartsälen Hamburg statt.
"Niemand hier ist steif"
Kubaner und Alte Musik haben kulturell recht wenig miteinander zu tun: Deswegen hat die "Cuban-European Youth Academy" junge Musiker von der karibischen Insel nach Hamburg zum gemeinsamen Musizieren und Lernen eingeladen.
Es ist die erste Tutti-Probe an diesem Mittwoch-Vormittag im Tagungshaus in Hamburg-Blankenese. Neben der Basso-Continuo-Gruppe haben sich rund zwei Dutzend Geiger und Geigerinnen stehend um die Pulte versammelt. Eine davon ist Amelia Fébles Diaz. Im vergangenen Jahr hat die 24-Jährige ihr Violin-Studium in Havanna beendet, wo sie in gleich zwei Orchestern spielt und unterrichtet.
"Wir haben keine wirkliche Alte-Musik-Szene"
Biber habe sie schon gespielt, aber nein, im Grunde seien das alles unbekannte Komponisten für sie: Jean Marie-Leclair oder auch Pietro Locatelli, 1695 geborener Violin-Virtuose und Komponist, der als eine Art teuflischer "Großvater" Paganinis gilt.
"Wir haben keine wirkliche Alte-Musik-Szene. Wir leben nicht auf dem alten Kontinent und sind deshalb darauf angewiesen, zurückzugreifen auf die Bilder, auf die Erfahrungen und Referenzen von Barock-Musikern hier in Europa. Es ist uns nicht von Natur aus gegeben, diese Musik zu spielen."
Die gewünschten Erfahrungen liefert vor allem die künstlerische Leiterin von "Barocco", dieses ersten Barock-Projekts der "Cuban-European Academy": Die armenisch-französische Geigerin Chouchane Siranossian hat ein Solistendiplom in Zürich abgelegt, außerdem in Salzburg bei Reinhard Goebel - einst Leiter der Musica antiqua Köln - historische Aufführungspraxis studiert und in verschiedenen Ensembles solistisch gearbeitet.
Mit Jahrgang 1984 ist sie kaum älter als die insgesamt 30 kubanischen und europäischen Teilnehmer ihres knapp einwöchigen Projekts: Die Jüngsten sind 19, die ältesten 28 Jahre alt.
Die Kubaner mussten, um hier dabei sein zu können, ein Vorspiel in Havanna mit barockem Repertoire absolvieren. Ein Drittel der Bewerber schaffte es. Neben Solisten der "Balthasar Neumann Akademie" suchten die Stipendiaten Jose Antonio Mendez aus. Der Cembalist und Dirigent des kubanischen Projekts Lyceum Mozartiano ist zugleich Assistent director beim Nationalen Symphonie-Orchester seiner Heimat und ein echter Fan von CuE - dieses transatlantischen Jugendprojekts:
"Ich halte das für eine sehr gute Verbindung. Das ist eine Vereinigung von zwei unterschiedlichen Kulturen - und das Ergebnis ist wunderbar: diese Mixtur aus Leidenschaft, aus klarem Rhythmus, klarem Tempo, vielen Affekten. Von kubanischer Seite ist da dieser starke Wunsch, zu entdecken und zu lernen. Die Europäer haben im 16. Jahrhundert Amerika entdeckt - und jetzt entdecken wir Europa und das ist für uns eine sehr gute Sache."
Unterstützt wird die Entwicklung der Alten Musik von europäischer Seite auch ganz konkret. Barockinstrumente sind Mangelware in Kuba.
Unterstützt wird die Entwicklung der Alten Musik von europäischer Seite auch ganz konkret. Barockinstrumente sind Mangelware in Kuba.
Alte Musik spielen - in Kuba "ist das sehr schwierig"
In Hamburg spielen alle Musiker aus Havanna nun auf geliehenen alten Instrumenten. Manche wollen vor ihrer Abreise wenigstens noch chinesische Barockbögen in Hamburg besorgen, wenn es das Portemonnaie erlaubt. Amelia Febles Diaz, die junge Geigerin, die mittlerweile ins Englische gewechselt ist, würde eigentlich liebend gern nur Alte Musik spielen.
"Aber in Kuba ist das sehr schwierig. Wir haben da keine Darmsaiten, und sogar wenn wir welche bekommen, dann macht es die Hitze und die Feuchtigkeit echt hart. Es ist anstrengend. Aber wenn wir Alte Musik spielen, dann genieße ich das sehr. Wir können sehr viel mit dieser Musik anfangen. Wir spielen ja auch viel Bach. Wir kennen die Barockmusik. Aber was es uns schwer macht, das ist die Umsetzung dieser verschiedenen Stile, dieser kleinen Details und Effekte, die etwa die italienische oder die französische Musik voneinander unterscheiden. Den richtigen Ausdruck zu finden ist sehr schwierig, weil es nicht so offensichtlich ist wie etwa bei der romantischen Musik, die wir ansonsten viel spielen. Der Ausdruck hier ist viel subtiler. Wir müssen das mit kleinen Mitteln erreichen - und das ist schwer."
Ähnlich sieht das auch eine der europäischen Musikerinnen, die Geigerin Veronika Böhm, zukünftiges Mitglied der Balthasar Neumann Akademie:
"Ich bin geteilter Meinung: sehr nahe von phrasierungstechnischen Dingen, aber im Detail-Gespür ein anderes. Gestern toll gemerkt, Tanzkurs Barocktanz - und man hat gemerkt, für die Kubaner war es unheimlich schwierig, diese Pausen zu halten und sich nicht zu bewegen. Die Bewegung ganz frei, wo wiederum wir uns was abschauen können, wir Europäer."
"Aber in Kuba ist das sehr schwierig. Wir haben da keine Darmsaiten, und sogar wenn wir welche bekommen, dann macht es die Hitze und die Feuchtigkeit echt hart. Es ist anstrengend. Aber wenn wir Alte Musik spielen, dann genieße ich das sehr. Wir können sehr viel mit dieser Musik anfangen. Wir spielen ja auch viel Bach. Wir kennen die Barockmusik. Aber was es uns schwer macht, das ist die Umsetzung dieser verschiedenen Stile, dieser kleinen Details und Effekte, die etwa die italienische oder die französische Musik voneinander unterscheiden. Den richtigen Ausdruck zu finden ist sehr schwierig, weil es nicht so offensichtlich ist wie etwa bei der romantischen Musik, die wir ansonsten viel spielen. Der Ausdruck hier ist viel subtiler. Wir müssen das mit kleinen Mitteln erreichen - und das ist schwer."
Ähnlich sieht das auch eine der europäischen Musikerinnen, die Geigerin Veronika Böhm, zukünftiges Mitglied der Balthasar Neumann Akademie:
"Ich bin geteilter Meinung: sehr nahe von phrasierungstechnischen Dingen, aber im Detail-Gespür ein anderes. Gestern toll gemerkt, Tanzkurs Barocktanz - und man hat gemerkt, für die Kubaner war es unheimlich schwierig, diese Pausen zu halten und sich nicht zu bewegen. Die Bewegung ganz frei, wo wiederum wir uns was abschauen können, wir Europäer."
"Wir sind diejenigen, die steif sind"
Apropos kubanisches Blut. Die erste Tutti-Probe zeigte in der Körpersprache eher bedächtige, fast schon vorsichtige Kubaner. Amelia Febles Diaz und Jose Antonio Mendez waren überrascht, wie sich im Miteinander nationale Klischees regelrecht ins Gegenteil verkehrt haben:
"Die Interaktion ist wunderbar. In Kuba haben wir ja so unsere Vorstellung von Deutschen, genauso, wie die sich vermutlich ihr Bild von uns Kubanern machen. Aber niemand hier ist steif, wie wir dachten - und vielleicht merken umgekehrt die Europäer, dass wir nicht so verrückt und laut sind, wie sie sich die Kubaner vorgestellt hatten: Weil diese Musik uns nicht so leicht fällt, sind wir hier nämlich diejenigen, die steif sind."
"Und dann die Pünktlichkeit auf kubanischer Seite! Eigentlich sind diese Musiker alle ein bisschen desorganisiert zu Hause in Kuba - und jetzt herrscht hier eine sehr gute Disziplin. Und was die Europäer angeht: das Lachen. Ständig sind hier alle am Lachen und wir sind davon so überrascht."
"Die Interaktion ist wunderbar. In Kuba haben wir ja so unsere Vorstellung von Deutschen, genauso, wie die sich vermutlich ihr Bild von uns Kubanern machen. Aber niemand hier ist steif, wie wir dachten - und vielleicht merken umgekehrt die Europäer, dass wir nicht so verrückt und laut sind, wie sie sich die Kubaner vorgestellt hatten: Weil diese Musik uns nicht so leicht fällt, sind wir hier nämlich diejenigen, die steif sind."
"Und dann die Pünktlichkeit auf kubanischer Seite! Eigentlich sind diese Musiker alle ein bisschen desorganisiert zu Hause in Kuba - und jetzt herrscht hier eine sehr gute Disziplin. Und was die Europäer angeht: das Lachen. Ständig sind hier alle am Lachen und wir sind davon so überrascht."