Kühn und schön
Der Kommune 1 gab sie ein bildhübsches Gesicht, mit den Rolling Stones durchlebte sie aufregende Zeiten, heute entwirft die mittlerweile 60-jährige Uschi Obermaier Schmuck. In ihrem Buch "High Times" blickt sie zurück auf ein "wildes Leben".
Man möchte ja gleich mit dem Schlagerkalauer "Ach, Uschi mach kein Quatsch" anfangen. Doch lässt man das und schiebt eine grundsolide Recherche nach. Man fragt junge und beinah noch junge Menschen von heute: Wisst ihr eigentlich, wer Uschi Obermaier ist? Müdes Lächeln, schnelle Antwort: Na klar. War doch diese Tussi, die mit Mick Jagger und Keith Richards rum gemacht und so ein bisschen Kommune 1 mitgespielt hat. Aber ist das wichtig?
Nein, antwortet die Hoch-Erwachsene, um nicht zu sagen ältere Fragerin, und ist doch betrübt, dass die Kämpfe unserer frühen Tage so sehr vom Winde verweht wurden.
Nun aber mal ganz im Ernst. Uschi Obermaier, gerne als Ikone der Kommune 1 heilig gesprochen, war ein frühreifes, bildhübsches Mädchen, das sich gerne fotografieren ließ, ungebremsten Spaß am Sex hatte, keinen guten Joint verachtete und mehr durch Zufall in die Berliner Kommune 1 der APO – der außerparlamentarischen Opposition – gelangte. Dort, in der ersten politisch motivierten Wohngemeinschaft gab es den netten, wuschelköpfigen Kommunarden Rainer Langhans, in den wir uns fast alle damals kurzzeitig verguckt haben. Sogar im Osten hatten wir das Duo an der Pinnwand. Uschi und Rainer wurden ein Paar. Er war so schlau und sie war so schön. Von den beiden ließen sich hinreißende Fotos machen: in Jeans, beide mit nacktem Oberkörper. Sie die netten kleinen, festen Apfelbrüste keck und ohne Scheu und Schmierigkeit auf die Kamera gerichtet – er verträumt, den Blick ins nächste Nirvana gerichtet. Wenn das keine Motive waren: er, der sanft Sinnende, sie, die herausfordernde Panterin, die nicht wartete gefragt zu werden, die selber handelte. Das war durchaus neu, auch wenn sich das heutige Großstädter und -Innen im geschlechtsreifen Alter kaum vorstellen können, wie ich das in der neueste BRAVO mal wieder erlebte. Oder die nackten Kommunarden – Uschi immer mittendrin – strecken uns ihre Hintern entgegen – so im Stil einer polizeilichen Festnahme: Hände an die Wand, Beine breit. Diese Ironie gefiel damals ungemein: der Staatsmacht und überhaupt allen Wichtigmännern den Nackten zeigen. Schließlich Uschi in leicht militärischem Look, die Arme zornig vor der Brust verschränkt, die üppige Mähne bis zu den Schultern, den Blick trotzig nach vorne gerichtet – hinter ihr eine Reihe von martialisch anmutenden Polizisten. Die, Heroine in der Schlacht. Ja, so wären viele Frauen damals gerne gewesen – so männlich kühn und weiblich schön.
Dann wurde es der Uschi in der Kommune zu siffig, zu langweilig und die Politik war auch nicht ihr Fall. Doch nach dem Motto: Alles Private ist politisch, ließ sich Uschi privat nicht an den einen Rainer ketten, der ohnehin immer Orgasmusschwierigkeiten hatte, sondern tobte sich in den Betten der wichtigsten Stones aus. Einmal standen sogar Mick und Keith beide vor der Tür und balzten, was das Zeug hielt. Da kann man doch als Frau nur davon träumen. Am Ende war Keith doch der wahre Freund, denn hinter Mick stand bald die Furie Bianca.
Irgendwann hatte die Uschi auch die Stones satt, denn bei denen kam ja immer erst die Musik, dann eine Weile gar nichts und dann erst die Frauen. Und die häufig gleich im Zweier- oder Dreierpack. Halt so richtige Machos. Dabei mochte sie ja Machos, denn der Dieter Bockhorn, den sie in Hamburg zu ihrem Dauergefährten erwählte – immer mit kleinen Affären daneben – der Bockhorn war der König vom Kiez. Typ Lude mit fröhlichen Augen, gutem Herzen und lockerer Faust. Nur, dass er keine Mädchen für sich anschaffen ließ. In den hat sich die Uschi so richtig verknallt und geprügelt haben sich die beiden auch schon mal. Am Heroin hingen beide immer mal wieder sehr heftig. Sie sind dann lange mit einem verrückten Bus durch die Welt gefahren, bis der Bockhorn, der alle Räusche durchprobiert hat, mit einem Motorrad die letzte Reise angetreten hat.
Danach gab es glücklicherweise allerlei nette Leute, die der Uschi wieder in die Spur geholfen haben. Heute ist sie eine attraktive 60-Jährige, die Schmuck entwirft, sich noch mal auf ihre alten Tage ansehnlich für den Playboy ausgezogen hat und mit sich im Reinen ist. Das können nach einem solchen wilden Leben nicht viele von sich behaupten.
Sie hat diese Geschichte nicht selber aufgeschrieben, sondern dem Journalisten Olaf Kraemer ins Mikrophon erzählt. Aus den rund 50 Stunden hat er die Story nun komprimiert. Der Stil ist dem Erzählton vermutlich angepasst: einfach, niemals reflektierend, deftig bis leicht dreckig. Aber auch bei den etwas dreckigen Passagen ahnt man das naive, erdverbundene bayerische Mädel, das vor allem eines wollte: raus aus dem Provinziellen, etwas erleben. Sie bekennt sich unverblümt zu ihrem Exibitionismus, verschweigt auch nicht die wenig glamourösen Zeiten in ihrem Leben, sonnt sich ungeniert in der Aura einer Kiezbraut. Und vor allem erklärt sie die Dinge nie, tut nicht so, als würde sie inzwischen die reflektierende Intellektuelle geben müssen. Das Leben passiert ihr oder sie will es einfach. Aber ab und an hat sie auch einen recht genauen Blick. So, wenn sie das aufgemotzte Ludenmilieu mit Rolex und viel Gold als im Grunde ziemlich spießig erahnt.
Manches hätte man zweifellos ein wenig auswringen können. Nicht jedes Namedroping ist so interessant. Manche Erinnerung an die Teenagerzeit ist wirklich im Stil einer 13-Jährigen notiert. Da hätte ich mir schon gewünscht, dass Kraemer ihr ein bisschen Selbstironie aus der Distanz durch gescheites Nachfragen abverlangt hätte. Sie ist dazu bestimmt fähig.
Aber eines ist sicher, hier erzählt eine Frau, die bei sich ist. Mit psychologischen Schmonzetten hat sie nichts am Hut. Und die Damen Gsell oder Hilton sind wirklich Kunstblumen gegen das wilde Gewächs. Uschi Obermaier braucht bestimmt nie einen Therapeuten.
Rezensiert von Astrid Kuhlmey
Uschi Obermaier: High Times - Mein wildes Leben
Heyne Verlag 2007
272 Seiten, 14 Euro
Nein, antwortet die Hoch-Erwachsene, um nicht zu sagen ältere Fragerin, und ist doch betrübt, dass die Kämpfe unserer frühen Tage so sehr vom Winde verweht wurden.
Nun aber mal ganz im Ernst. Uschi Obermaier, gerne als Ikone der Kommune 1 heilig gesprochen, war ein frühreifes, bildhübsches Mädchen, das sich gerne fotografieren ließ, ungebremsten Spaß am Sex hatte, keinen guten Joint verachtete und mehr durch Zufall in die Berliner Kommune 1 der APO – der außerparlamentarischen Opposition – gelangte. Dort, in der ersten politisch motivierten Wohngemeinschaft gab es den netten, wuschelköpfigen Kommunarden Rainer Langhans, in den wir uns fast alle damals kurzzeitig verguckt haben. Sogar im Osten hatten wir das Duo an der Pinnwand. Uschi und Rainer wurden ein Paar. Er war so schlau und sie war so schön. Von den beiden ließen sich hinreißende Fotos machen: in Jeans, beide mit nacktem Oberkörper. Sie die netten kleinen, festen Apfelbrüste keck und ohne Scheu und Schmierigkeit auf die Kamera gerichtet – er verträumt, den Blick ins nächste Nirvana gerichtet. Wenn das keine Motive waren: er, der sanft Sinnende, sie, die herausfordernde Panterin, die nicht wartete gefragt zu werden, die selber handelte. Das war durchaus neu, auch wenn sich das heutige Großstädter und -Innen im geschlechtsreifen Alter kaum vorstellen können, wie ich das in der neueste BRAVO mal wieder erlebte. Oder die nackten Kommunarden – Uschi immer mittendrin – strecken uns ihre Hintern entgegen – so im Stil einer polizeilichen Festnahme: Hände an die Wand, Beine breit. Diese Ironie gefiel damals ungemein: der Staatsmacht und überhaupt allen Wichtigmännern den Nackten zeigen. Schließlich Uschi in leicht militärischem Look, die Arme zornig vor der Brust verschränkt, die üppige Mähne bis zu den Schultern, den Blick trotzig nach vorne gerichtet – hinter ihr eine Reihe von martialisch anmutenden Polizisten. Die, Heroine in der Schlacht. Ja, so wären viele Frauen damals gerne gewesen – so männlich kühn und weiblich schön.
Dann wurde es der Uschi in der Kommune zu siffig, zu langweilig und die Politik war auch nicht ihr Fall. Doch nach dem Motto: Alles Private ist politisch, ließ sich Uschi privat nicht an den einen Rainer ketten, der ohnehin immer Orgasmusschwierigkeiten hatte, sondern tobte sich in den Betten der wichtigsten Stones aus. Einmal standen sogar Mick und Keith beide vor der Tür und balzten, was das Zeug hielt. Da kann man doch als Frau nur davon träumen. Am Ende war Keith doch der wahre Freund, denn hinter Mick stand bald die Furie Bianca.
Irgendwann hatte die Uschi auch die Stones satt, denn bei denen kam ja immer erst die Musik, dann eine Weile gar nichts und dann erst die Frauen. Und die häufig gleich im Zweier- oder Dreierpack. Halt so richtige Machos. Dabei mochte sie ja Machos, denn der Dieter Bockhorn, den sie in Hamburg zu ihrem Dauergefährten erwählte – immer mit kleinen Affären daneben – der Bockhorn war der König vom Kiez. Typ Lude mit fröhlichen Augen, gutem Herzen und lockerer Faust. Nur, dass er keine Mädchen für sich anschaffen ließ. In den hat sich die Uschi so richtig verknallt und geprügelt haben sich die beiden auch schon mal. Am Heroin hingen beide immer mal wieder sehr heftig. Sie sind dann lange mit einem verrückten Bus durch die Welt gefahren, bis der Bockhorn, der alle Räusche durchprobiert hat, mit einem Motorrad die letzte Reise angetreten hat.
Danach gab es glücklicherweise allerlei nette Leute, die der Uschi wieder in die Spur geholfen haben. Heute ist sie eine attraktive 60-Jährige, die Schmuck entwirft, sich noch mal auf ihre alten Tage ansehnlich für den Playboy ausgezogen hat und mit sich im Reinen ist. Das können nach einem solchen wilden Leben nicht viele von sich behaupten.
Sie hat diese Geschichte nicht selber aufgeschrieben, sondern dem Journalisten Olaf Kraemer ins Mikrophon erzählt. Aus den rund 50 Stunden hat er die Story nun komprimiert. Der Stil ist dem Erzählton vermutlich angepasst: einfach, niemals reflektierend, deftig bis leicht dreckig. Aber auch bei den etwas dreckigen Passagen ahnt man das naive, erdverbundene bayerische Mädel, das vor allem eines wollte: raus aus dem Provinziellen, etwas erleben. Sie bekennt sich unverblümt zu ihrem Exibitionismus, verschweigt auch nicht die wenig glamourösen Zeiten in ihrem Leben, sonnt sich ungeniert in der Aura einer Kiezbraut. Und vor allem erklärt sie die Dinge nie, tut nicht so, als würde sie inzwischen die reflektierende Intellektuelle geben müssen. Das Leben passiert ihr oder sie will es einfach. Aber ab und an hat sie auch einen recht genauen Blick. So, wenn sie das aufgemotzte Ludenmilieu mit Rolex und viel Gold als im Grunde ziemlich spießig erahnt.
Manches hätte man zweifellos ein wenig auswringen können. Nicht jedes Namedroping ist so interessant. Manche Erinnerung an die Teenagerzeit ist wirklich im Stil einer 13-Jährigen notiert. Da hätte ich mir schon gewünscht, dass Kraemer ihr ein bisschen Selbstironie aus der Distanz durch gescheites Nachfragen abverlangt hätte. Sie ist dazu bestimmt fähig.
Aber eines ist sicher, hier erzählt eine Frau, die bei sich ist. Mit psychologischen Schmonzetten hat sie nichts am Hut. Und die Damen Gsell oder Hilton sind wirklich Kunstblumen gegen das wilde Gewächs. Uschi Obermaier braucht bestimmt nie einen Therapeuten.
Rezensiert von Astrid Kuhlmey
Uschi Obermaier: High Times - Mein wildes Leben
Heyne Verlag 2007
272 Seiten, 14 Euro