Der Traum vom saudischen Bauhaus
06:23 Minuten
Ahmads Angawis Kunst ist von der Bautradition seiner Heimat Saudi-Arabien und der Natur inspiriert. Er verbindet moderne Kunst, islamische Tradition und altes Kunsthandwerk. In den Grenzen der Meinungsfreiheit seines Landes sieht er auch eine Chance.
Ahmad Angawi sitzt in seinem Atelier in der saudi-arabischen Hafenstadt Dschidda und zeigt auf seinem Laptop Fotos aus London. Der heute 38-Jährige hatte im vergangenen Jahr den Auftrag, für Fenster der neuen Galerie für islamische Kunst im British Museum Holzgitter herzustellen – anknüpfend an eine Tradition seiner Heimatstadt.
Angawi, der Dinge nicht nur entwerfen will, sondern an ihrer Produktion gern bis zum Schluss beteiligt ist, richtete für einige Monate eine kleine Werkstatt in London ein, in der Menschen aus verschiedenen Ländern mitarbeiteten.
"Ich wollte diese Holzgitter mit lokalen Handwerkern herstellen. Das war mir wichtig, denn es sollte ja dort im Museum sein, da können die Leute hingehen und es sich anschauen – mehr als ich, der ich in Saudi-Arabien lebe. Ich glaube, auch hier in der Küstenregion Hijaz war das immer so: Kunsthandwerker aus verschiedenen Ländern kamen und arbeiteten zusammen. Was wir dabei immer gewinnen, ist der Austausch von Wissen unterschiedlicher Herkunft."
"Ich wollte diese Holzgitter mit lokalen Handwerkern herstellen. Das war mir wichtig, denn es sollte ja dort im Museum sein, da können die Leute hingehen und es sich anschauen – mehr als ich, der ich in Saudi-Arabien lebe. Ich glaube, auch hier in der Küstenregion Hijaz war das immer so: Kunsthandwerker aus verschiedenen Ländern kamen und arbeiteten zusammen. Was wir dabei immer gewinnen, ist der Austausch von Wissen unterschiedlicher Herkunft."
Verbindung von Kulturen durch Kunsthandwerk
Die Türen seiner Londoner Werkstatt standen immer offen, erzählt Angawi und zeigt einen kurzen Film aus dieser Zeit. Beim Bearbeiten des Holzes legte er arabische Musik oder Koranrezitationen auf und ließ eine Kamera laufen. Eines Tages kam ein orthodoxer Jude mit Kippa und langem Bart auf dem Fahrrad vorbei und hielt an:
"Es entstand diese schöne Stille in gegenseitiger Anerkennung. Ich arbeitete, er schaute mir zu und konnte damit etwas anfangen. Es war ein Beispiel dafür, wie Kunst und Handwerk verschiedene Kulturen verbinden können. Wir lächelten uns an. Ich merkte, wie er der Koranrezitation lauschte und wollte diese Stimmung nicht zerstören. Er stand für ein, zwei Minuten bewundernd da. Viele Leute kamen so vorbei und haben mit mir geredet. Es war eine sehr bewegende Zeit."
"Es entstand diese schöne Stille in gegenseitiger Anerkennung. Ich arbeitete, er schaute mir zu und konnte damit etwas anfangen. Es war ein Beispiel dafür, wie Kunst und Handwerk verschiedene Kulturen verbinden können. Wir lächelten uns an. Ich merkte, wie er der Koranrezitation lauschte und wollte diese Stimmung nicht zerstören. Er stand für ein, zwei Minuten bewundernd da. Viele Leute kamen so vorbei und haben mit mir geredet. Es war eine sehr bewegende Zeit."
Bauhaus-Traum von Vater und Sohn
Kunst, Design und Handwerk zu verbinden, ist ein wichtiges Anliegen von Ahmad Angawi. Sein Vater Sami ist Architekt, früherer Mitarbeiter und großer Bewunderer des deutschen Architekten Frei Otto, der auch in Mekka seine typischen Zeltdächer gebaut hat. Vater und Sohn Angawi haben einen Traum:
"Wir wollen eine richtige Schule einrichten, in der Design, Architektur und Handwerk vereint sind – ähnlich wie das Bauhaus. Dort hat man tolle Dinge durch die Verbindung dieser Berufe gemacht. Hier gibt es viel, auf das man aufbauen könnte. Unsere Region, Mekka und Medina waren immer wichtig und mit der ganzen islamischen Welt verbunden. Was hier schon früher eingeflossen ist, könnte wieder kommen und sich weiterentwickeln – das ist sehr interessant."
"Wir wollen eine richtige Schule einrichten, in der Design, Architektur und Handwerk vereint sind – ähnlich wie das Bauhaus. Dort hat man tolle Dinge durch die Verbindung dieser Berufe gemacht. Hier gibt es viel, auf das man aufbauen könnte. Unsere Region, Mekka und Medina waren immer wichtig und mit der ganzen islamischen Welt verbunden. Was hier schon früher eingeflossen ist, könnte wieder kommen und sich weiterentwickeln – das ist sehr interessant."
Heimische Bautradition beeinflusst Angawis Möbeldesign
Auch nach seiner Rückkehr aus London arbeitet Angawi gern weiter mit Holz – und mit Motiven, die er in den hölzernen Erkerfenstern von Dschidda findet. Aus der Grundform eines Sechsecks hat er ein sternförmiges Element entwickelt, das sich immer wieder neu zusammenhaken lässt. Kistenweise stehen diese Holzstücke in seinem Atelier; gerade fügt er ein neues Werk für das Kulturministerium zusammen.
Simplicity in multiplicity nennt er die Werkreihe, die schon bei der Art Paris zu sehen war. Auch die Natur hat ihn dazu inspiriert – im Haus seines Vaters hat sich immer wieder ein wildes Bienenvolk in einem der Erkerfenster eingerichtet und auf dem Glas einen eigenen Bienenstock gebaut. In den Waben ebenso wie in Blumen, Schneekristallen oder der menschlichen DNA findet Angawi geometrische Formen – für ihn sprechen sie eine universelle Sprache.
"Ich glaube, selbst die Atome sind Teil der gleichen Sprache. Ob man es nun aus einer Design-Perspektive oder wissenschaftlich betrachtet: Es gibt eine Ordnung. Die einzige Streitfrage ist, wer diese Ordnung geordnet hat – sie sich selbst oder hat jemand sie geordnet?"
"Ich glaube, selbst die Atome sind Teil der gleichen Sprache. Ob man es nun aus einer Design-Perspektive oder wissenschaftlich betrachtet: Es gibt eine Ordnung. Die einzige Streitfrage ist, wer diese Ordnung geordnet hat – sie sich selbst oder hat jemand sie geordnet?"
Mekka einst und heute
Angawis Familie stammt aus Mekka und besitzt eine ganze Sammlung von Karten und alten Fotoaufnahmen aus der heiligsten Stadt der Muslime. Ahmad Angawi hat auch das schon verarbeitet: Er hat zwei Ansichten der Stadt und des muslimischen Heiligtums der Kaaba so montiert, dass aus der einen Perspektive nur das alte, aus der anderen nur das aktuelle Mekka zu sehen ist.
Bei einer Ausstellung in Riad hat König Salman länger vor diesem Werk innegehalten und mit dem Künstler gesprochen – für Ahmad Angawi ein sehr wichtiger Moment, denn er schätzt König Salman und dessen wirtschaftliche und soziale Reformen sehr. Endlich stünden Tradition und Weiterentwicklung im Königreich im richtigen Gleichgewicht, sagt er.
Grenzen der Meinungsfreiheit als Chance für die Kunst
Angawi weiß zwar um die harte Einschränkung der Meinungsfreiheit in seinem Land, aber er findet: "Wenn man sich ausdrückt, hat man keine absolute Freiheit. Das gibt es gar nicht. Wenn ich meinen Nachbarn schlage, geht es da um seine Freiheit, nicht meine. Was Kulturen betrifft, finde ich es gut, wenn Künstler mit diesen Begrenzungen kreativ umgehen müssen. Denn es führt dazu, dass sie neue Ausdruckswege finden. Und das macht dann saudische, iranische oder indische Kultur aus – man arbeitet mit diesen schönen kulturellen Grenzen. Dann ist es weniger eine Begrenzung als ein Weg, Dinge zu zeigen und auszudrücken. Und das halte ich für wichtig."