Künstler blind verstehen
Mit elf Jahren erlitt Johann König einen Unfall und ist seitdem sehbehindert. Dennoch arbeitet er seit über zehn Jahren in der Berliner Kunstszene als erfolgreicher Galerist. Nun will er sich vergrößern und hat eine ehemalige Kirche samt Gemeindezentrum gekauft.
"Bin gestern aus New York gekommen, hab verschlafen, bin froh, wieder in Berlin zu sein und dass dieser Galerie-Marathon mit der Art Cologne, Galeriewochenende Berlin und New York vorbei ist."
Der Jetlag hat zugeschlagen. Am Vortag ist er von einer Kunstmesse aus New York zurückgekommen und hat seinen Biorhythmus noch nicht wieder gefunden. Also ist er zu spät, eilt mit wehendem Parka zur Verabredung und entschuldigt sich wortreich. Macht nichts.
"Die einzige Möglichkeit war die Galerie, weil da kann man sein Profil entwickeln und eine Haltung formulieren, ohne in einem großen System funktionieren zu müssen."
Johann König hat kurze, lockige, brünette Haare, die zur Stirn hin schon stark gelichtet sind, trägt einen schwarzen Baumwollpullover, Jeans und grüne Turnschuhe sowie eine massive Hornbrille. Er ist Kunsthändler, Liebhaber von Musik aus den 60er-Jahren - und gerade einmal 31 Jahre alt.
Johann König stammt aus einer Kunst-Familie: Der Vater Kaspar leitet das Museum Ludwig in Köln, Onkel Walther gehören Kunstbuchhandlungen in diversen deutschen Städten, Bruder Leo ist in New York im Kunsthandel erfolgreich - man könnte meinen, Johann König hätte gar keine Chance gehabt, "was ohne Kunst" zu machen.
"An sich hat sich unser Vater für uns was anderes gewünscht, beziehungsweise uns dann geraten, was anderes zu machen. Das stand nicht auf der Agenda, sondern eher im Gegenteil."
Wie wohl alle Väter wollte auch Kaspar König, dass sein Sohn studiert und einen richtigen Beruf erlernt. Aber genau das passte nicht. Im Jahr 2002 - da war Johann König gerade einmal 20 Jahre alt - eröffnete er eine Galerie in Berlin. Die - wie er fand - einfachste Möglichkeit, "etwas mit Kunst" zu machen.
"Ich wusste ja nicht, dass es laufen wird, das ist keine sichere Sache gewesen, sondern es barg viele Risiken in sich und ich glaub, ich war einfach naiv, ich war auch noch sehr jung und hatte nicht diesen Horizont, was alles schiefgehen kann. Und wenn ich jetzt zurückblicke, war das schon sehr waghalsig."
Man könnte meinen, mit der Familie im Hintergrund sei das kein Problem. Aber es gab ein Handicap: Im Alter von elf Jahren hat Johann König durch einen Unfall das Augenlicht verloren.
"Erstmal muss man das ein bisschen relativieren, weil ich war zwar gesetzlich blind und bin es eigentlich im Prinzip immer noch, es ist nur so, ich war ja auf einer Blindenschule. Die Kinder, die dort zur Schule gegangen sind, haben dennoch einen Sehrest, es war nicht so, dass es quasi zappenduster war, sondern ich konnte mit unterschiedlichen Sehhilfen mich schon zurecht finden."
Trotzdem: Man würde nicht erwarten, dass jemand mit einer so massiven Sehbehinderung sich ausgerecht die Bildende Kunst als Grundlage seiner Existenz aussucht. Allerdings - energiegeladen und aufgedreht, wie Johann König ist, kann man sich vorstellen, dass er sich nicht leicht von Problemen einschüchtern lässt.
"Ich hatte auch kurzzeitig überlegt, auch andere Sachen zu machen. Es ist nur so, dass ich gemerkt habe, ich muss irgendwie mit Künstlern arbeiten. Ich merkte, dass da meine Energie am höchsten war und hab nicht studiert, sondern hab eigentlich vor meinem Abitur schon die Galerie hier eröffnet gehabt."
Eine Operation vor drei Jahren brachte eine wesentliche, wenn auch nicht vollständige Verbesserung der Sehfähigkeit. König erlebte einen überraschenden Ansturm visueller Informationen, er musste sich ein neues Sehen antrainieren.
Die Galerie Johann König liegt im Zentrum Berlins in einer Seitenstraße. Nur wenige Meter entfernt befinden sich das Berliner Abgeordnetenhaus und der Gropius-Bau, eine der wesentlichen Ausstellungshallen der Stadt. In der Mitte der ehemaligen Werkstatt liegt ein runder Teppich, darauf zwei monumentale kubische Körper, die entfernt an zerschlagene Basaltsäulen erinnern. Großformatige Bilder hängen an den Wänden. Fußboden und Wände sind farbig bemalt oder bespritzt. Ein angemaltes Sofa fristet im Schatten der Skulpturen ein undefiniertes Dasein.
"Ich arbeite mit Künstlern zusammen, deren Karrieren ich begleite und aufbaue und in die ich investiere und am Ende lohnt sich das oder auch nicht. Bisher hat es sich immer gelohnt, auch wenn es sich wirtschaftlich nicht gelohnt hat, weil: Es hat sich eben kulturell gelohnt."
Nach zehn Jahren im Geschäft und zwei Umzügen hat Johann König beschlossen, sich zu vergrößern: Er hat die aufgegebene Kirche St. Agnes gekauft. Sagt es und schaut sehr gelassen.
"Genau genommen ist es ein Gemeindezentrum mit Kirche, Gemeindesaal, Pfarrwohnungen und Kindergarten und einem großen Garten."
Spätestens hier hat sogar die von Natur aus nicht kleinkarierte Branche der Kunsthändler signalisiert: Das grenzt an Größenwahn!
"Und das Ziel soll sein in den nächsten Jahren, die Galerie dort anzusiedeln und neben uns noch kreative Berufe, es soll ein Restaurant geben und Künstlerateliers und solche Dinge."
Ein großes, ein wagemutiges Projekt. Der Kunstbetrieb ist immer ein spekulatives Unternehmen. Niemand kann sagen, welcher Künstler sich auf dem Markt durchsetzt. Aber ein komplettes Gemeindezentrum zu einem Ort der Kunst ausbauen?
"Ich brauch schon die ständige Herausforderung und nächste Hürde, die ich mir sozusagen selber lege, aber man ist ja dabei, um irgendwie weiterzukommen und sich neuen Herausforderungen zu stellen und es muss ja auch spannend bleiben."
Der Jetlag hat zugeschlagen. Am Vortag ist er von einer Kunstmesse aus New York zurückgekommen und hat seinen Biorhythmus noch nicht wieder gefunden. Also ist er zu spät, eilt mit wehendem Parka zur Verabredung und entschuldigt sich wortreich. Macht nichts.
"Die einzige Möglichkeit war die Galerie, weil da kann man sein Profil entwickeln und eine Haltung formulieren, ohne in einem großen System funktionieren zu müssen."
Johann König hat kurze, lockige, brünette Haare, die zur Stirn hin schon stark gelichtet sind, trägt einen schwarzen Baumwollpullover, Jeans und grüne Turnschuhe sowie eine massive Hornbrille. Er ist Kunsthändler, Liebhaber von Musik aus den 60er-Jahren - und gerade einmal 31 Jahre alt.
Johann König stammt aus einer Kunst-Familie: Der Vater Kaspar leitet das Museum Ludwig in Köln, Onkel Walther gehören Kunstbuchhandlungen in diversen deutschen Städten, Bruder Leo ist in New York im Kunsthandel erfolgreich - man könnte meinen, Johann König hätte gar keine Chance gehabt, "was ohne Kunst" zu machen.
"An sich hat sich unser Vater für uns was anderes gewünscht, beziehungsweise uns dann geraten, was anderes zu machen. Das stand nicht auf der Agenda, sondern eher im Gegenteil."
Wie wohl alle Väter wollte auch Kaspar König, dass sein Sohn studiert und einen richtigen Beruf erlernt. Aber genau das passte nicht. Im Jahr 2002 - da war Johann König gerade einmal 20 Jahre alt - eröffnete er eine Galerie in Berlin. Die - wie er fand - einfachste Möglichkeit, "etwas mit Kunst" zu machen.
"Ich wusste ja nicht, dass es laufen wird, das ist keine sichere Sache gewesen, sondern es barg viele Risiken in sich und ich glaub, ich war einfach naiv, ich war auch noch sehr jung und hatte nicht diesen Horizont, was alles schiefgehen kann. Und wenn ich jetzt zurückblicke, war das schon sehr waghalsig."
Man könnte meinen, mit der Familie im Hintergrund sei das kein Problem. Aber es gab ein Handicap: Im Alter von elf Jahren hat Johann König durch einen Unfall das Augenlicht verloren.
"Erstmal muss man das ein bisschen relativieren, weil ich war zwar gesetzlich blind und bin es eigentlich im Prinzip immer noch, es ist nur so, ich war ja auf einer Blindenschule. Die Kinder, die dort zur Schule gegangen sind, haben dennoch einen Sehrest, es war nicht so, dass es quasi zappenduster war, sondern ich konnte mit unterschiedlichen Sehhilfen mich schon zurecht finden."
Trotzdem: Man würde nicht erwarten, dass jemand mit einer so massiven Sehbehinderung sich ausgerecht die Bildende Kunst als Grundlage seiner Existenz aussucht. Allerdings - energiegeladen und aufgedreht, wie Johann König ist, kann man sich vorstellen, dass er sich nicht leicht von Problemen einschüchtern lässt.
"Ich hatte auch kurzzeitig überlegt, auch andere Sachen zu machen. Es ist nur so, dass ich gemerkt habe, ich muss irgendwie mit Künstlern arbeiten. Ich merkte, dass da meine Energie am höchsten war und hab nicht studiert, sondern hab eigentlich vor meinem Abitur schon die Galerie hier eröffnet gehabt."
Eine Operation vor drei Jahren brachte eine wesentliche, wenn auch nicht vollständige Verbesserung der Sehfähigkeit. König erlebte einen überraschenden Ansturm visueller Informationen, er musste sich ein neues Sehen antrainieren.
Die Galerie Johann König liegt im Zentrum Berlins in einer Seitenstraße. Nur wenige Meter entfernt befinden sich das Berliner Abgeordnetenhaus und der Gropius-Bau, eine der wesentlichen Ausstellungshallen der Stadt. In der Mitte der ehemaligen Werkstatt liegt ein runder Teppich, darauf zwei monumentale kubische Körper, die entfernt an zerschlagene Basaltsäulen erinnern. Großformatige Bilder hängen an den Wänden. Fußboden und Wände sind farbig bemalt oder bespritzt. Ein angemaltes Sofa fristet im Schatten der Skulpturen ein undefiniertes Dasein.
"Ich arbeite mit Künstlern zusammen, deren Karrieren ich begleite und aufbaue und in die ich investiere und am Ende lohnt sich das oder auch nicht. Bisher hat es sich immer gelohnt, auch wenn es sich wirtschaftlich nicht gelohnt hat, weil: Es hat sich eben kulturell gelohnt."
Nach zehn Jahren im Geschäft und zwei Umzügen hat Johann König beschlossen, sich zu vergrößern: Er hat die aufgegebene Kirche St. Agnes gekauft. Sagt es und schaut sehr gelassen.
"Genau genommen ist es ein Gemeindezentrum mit Kirche, Gemeindesaal, Pfarrwohnungen und Kindergarten und einem großen Garten."
Spätestens hier hat sogar die von Natur aus nicht kleinkarierte Branche der Kunsthändler signalisiert: Das grenzt an Größenwahn!
"Und das Ziel soll sein in den nächsten Jahren, die Galerie dort anzusiedeln und neben uns noch kreative Berufe, es soll ein Restaurant geben und Künstlerateliers und solche Dinge."
Ein großes, ein wagemutiges Projekt. Der Kunstbetrieb ist immer ein spekulatives Unternehmen. Niemand kann sagen, welcher Künstler sich auf dem Markt durchsetzt. Aber ein komplettes Gemeindezentrum zu einem Ort der Kunst ausbauen?
"Ich brauch schon die ständige Herausforderung und nächste Hürde, die ich mir sozusagen selber lege, aber man ist ja dabei, um irgendwie weiterzukommen und sich neuen Herausforderungen zu stellen und es muss ja auch spannend bleiben."