Künstler erbt Comic-Held
Europas jüngster Staat ist gerade mal drei Jahre alt: die Republik Kosovo. Die älteste Comicfigur des Landes hingegen wird bald 40. Sie trägt Knollennase und Käppi. Gezeichnet wird sie von Rron Qena, erfunden hat sie sein Vater.
Orientalische Trommelklänge und großer Bahnhof in der Galerie ardes in Berlin-Schöneberg: Der ausstellende Künstler, der so ausgelassen in Anwesenheit von Diplomaten und TV-Kamera musiziert, heißt Rron Qena. Er ist 32 Jahre alt und lebt in Pristina, der Hauptstadt des Kosovo. Dort kennt man ihn als Maler, Musiker und als politischen Karikaturisten. Seine wichtigste Comicfigur trägt Knollennase und Käppi und ist älter als ihr Zeichner. Erschaffen hat sie vor 40 Jahren der Vater des Künstlers, Agim Qena.
"Er ist ein 'Character', den mein Vater entwickelte, als er jung war. Er gab ihm die Eigenschaft, immer einen satirischen Kommentar über die Politik abzugeben. Und die Leute liebten das. Mein Vater zeichnete ihn dann 35 Jahre. Nachdem mein Vater gestorben war, sagten viele Leute, auch meine Familie, zu mir, ich sollte das übernehmen. Die Leute von der Zeitung wussten, dass ich eine sehr enge Beziehung zu meinem Vater hatte und auch sein Schüler war und sie hofften, dass ich es übernehmen würde. Sie machten mir ein Angebot und ich versuchte es. Und der Preis für diesen Versuch ist nun, dass ich wohl mein ganzes Leben mit Tafe verbunden sein werde."
Die Figur, die Rron Qena von seinem Vater geerbt hat, gibt dem jungen Maler die Möglichkeit, sich kritisch und satirisch in der Öffentlichkeit zu äußern. Zweimal in der Woche erscheint der Cartoon in der größten unabhängigen Tageszeitung des Kosovo. Rron Qena greift die Themen auf, die in der Luft liegen, hört den Leuten auf der Straße zu oder in den Cafés, wo sich das Leben in Pristina zum großen Teil abspielt.
"Das hier sind Tafe und Hallit. Hallit ist immer ein bisschen der Dumme und fragt seinen Freund darüber aus, was passiert ist. Und Tafe hat immer Erklärungen parat.'"
"Hier geht es um die NATO-Intervention in Libyen. Halit sagt zu Tafe: 'Ich denke, Gaddafi erwartet dasselbe Schicksal wie Milosevic.' Und Tafe antwortet: 'Aber er wird nicht das Glück haben, ohne Visum bis nach Den Haag reisen zu können.'"
Auch wenn die Figur des Tafe sehr populär ist, kann sich ihr Zeichner im Alltag ganz gut hinter ihr verbergen. Manchmal, so erzählt der sehr schlanke junge Mann mit grünen Augen, Dreitagebart und Sportjacke, erntet er ungläubiges Staunen, wenn er sich doch einmal outet. Ist die Figur des Tafe also so etwas wie ein Alter Ego für ihn?
"Ja, weil Du immer über ihn nachdenken musst, was er jetzt wohl sagen würde. Er ist immer in Deinen Gedanken. Alles, was ich oder jeder andere gern aussprechen würde in meinem Land, kann ich mit ihm offen sagen. Du kannst es riechen, dass etwas nicht stimmt, dass etwas faul ist, und die Politiker versuchen es schönzureden, vorbei an der Realität. Tafe ist dann dazu da, die Wahrheit zu sagen. Es ist wirklich ein guter Job."
Rron Qena, 1979 in Pristina in eine Künstlerfamilie hineingeboren, war schon in den neunziger Jahren als Rockmusiker aktiv, studierte an der Kunstakademie und war einer der ersten Streetart-Künstler in seiner Heimatstadt Pristina. Aber die Straße diente schon damals auch als visuelle Bühne für den zunehmenden Nationalismus. Als die ethnischen Konflikte dann zwischen Serben und Albanern eskalierten und Krieg und Vertreibung folgten, zog sich Rron Qena komplett in sein Atelier zurück. Dort flüchtete er sich ganz in die Malerei. Die kraftvollen Farben und die ornamentale Pracht der Bilder wurden seine Gegenwelt in dieser traumatischen Zeit.
"Die Kriegszeit war für mich eine produktive Zeit, weil ich nichts weiter hatte als meine Träume, meine Bilder und Leinwand. Ich arbeitete lange an einem Selbstporträt in dieser Zeit. Das fühlte sich an wie ein Zusammenschrumpfen, weil du so tief hineingehst. Zu denken, jemand könnte kommen und dich töten. Du fühlst dich wertlos und kommst tief in deine imaginäre Welt hinein. Ich versuchte immer, all diese Ängste in das Selbstportrait hineinzugeben und es half mir, stärker zu werden."
Nicht nur der Kosovo als Staat ist jung, auch seine Bevölkerung ist es. 70 Prozent der Kosovaren sind unter dreißig. Dementsprechend hoch ist auch der Anteil junger Künstler und Kreativer, die die Kunstszene des Landes zunehmend lebendig machen.
"Wir haben viele Künstlerpersönlichkeiten, einige sind sehr gut und haben auch Erfolg in Westeuropa und der Welt. Die Kunstszene in Pristina ist gespalten. Es gibt eine Art akademischen Clan rund um die Nationalgalerie und wir haben auch diejenigen, die man zeitgenössisch nennen könnte. Die bringen sehr viele Einflüsse aus dem Ausland mit wie zum Beispiel Installation oder Performance Art. Am meisten ist gerade Videokunst angesagt."
Der Vernissage-Abend in Berlin endet eher traditionell auf Balkan-Art, mit inbrünstig vorgetragenen Liedern und spontanem Tanz in der Galerie. Denn genau wie in Pristina und anderswo gehört auch an diesem Abend in Berlin die Kunst und das Feiern zusammen.
"Er ist ein 'Character', den mein Vater entwickelte, als er jung war. Er gab ihm die Eigenschaft, immer einen satirischen Kommentar über die Politik abzugeben. Und die Leute liebten das. Mein Vater zeichnete ihn dann 35 Jahre. Nachdem mein Vater gestorben war, sagten viele Leute, auch meine Familie, zu mir, ich sollte das übernehmen. Die Leute von der Zeitung wussten, dass ich eine sehr enge Beziehung zu meinem Vater hatte und auch sein Schüler war und sie hofften, dass ich es übernehmen würde. Sie machten mir ein Angebot und ich versuchte es. Und der Preis für diesen Versuch ist nun, dass ich wohl mein ganzes Leben mit Tafe verbunden sein werde."
Die Figur, die Rron Qena von seinem Vater geerbt hat, gibt dem jungen Maler die Möglichkeit, sich kritisch und satirisch in der Öffentlichkeit zu äußern. Zweimal in der Woche erscheint der Cartoon in der größten unabhängigen Tageszeitung des Kosovo. Rron Qena greift die Themen auf, die in der Luft liegen, hört den Leuten auf der Straße zu oder in den Cafés, wo sich das Leben in Pristina zum großen Teil abspielt.
"Das hier sind Tafe und Hallit. Hallit ist immer ein bisschen der Dumme und fragt seinen Freund darüber aus, was passiert ist. Und Tafe hat immer Erklärungen parat.'"
"Hier geht es um die NATO-Intervention in Libyen. Halit sagt zu Tafe: 'Ich denke, Gaddafi erwartet dasselbe Schicksal wie Milosevic.' Und Tafe antwortet: 'Aber er wird nicht das Glück haben, ohne Visum bis nach Den Haag reisen zu können.'"
Auch wenn die Figur des Tafe sehr populär ist, kann sich ihr Zeichner im Alltag ganz gut hinter ihr verbergen. Manchmal, so erzählt der sehr schlanke junge Mann mit grünen Augen, Dreitagebart und Sportjacke, erntet er ungläubiges Staunen, wenn er sich doch einmal outet. Ist die Figur des Tafe also so etwas wie ein Alter Ego für ihn?
"Ja, weil Du immer über ihn nachdenken musst, was er jetzt wohl sagen würde. Er ist immer in Deinen Gedanken. Alles, was ich oder jeder andere gern aussprechen würde in meinem Land, kann ich mit ihm offen sagen. Du kannst es riechen, dass etwas nicht stimmt, dass etwas faul ist, und die Politiker versuchen es schönzureden, vorbei an der Realität. Tafe ist dann dazu da, die Wahrheit zu sagen. Es ist wirklich ein guter Job."
Rron Qena, 1979 in Pristina in eine Künstlerfamilie hineingeboren, war schon in den neunziger Jahren als Rockmusiker aktiv, studierte an der Kunstakademie und war einer der ersten Streetart-Künstler in seiner Heimatstadt Pristina. Aber die Straße diente schon damals auch als visuelle Bühne für den zunehmenden Nationalismus. Als die ethnischen Konflikte dann zwischen Serben und Albanern eskalierten und Krieg und Vertreibung folgten, zog sich Rron Qena komplett in sein Atelier zurück. Dort flüchtete er sich ganz in die Malerei. Die kraftvollen Farben und die ornamentale Pracht der Bilder wurden seine Gegenwelt in dieser traumatischen Zeit.
"Die Kriegszeit war für mich eine produktive Zeit, weil ich nichts weiter hatte als meine Träume, meine Bilder und Leinwand. Ich arbeitete lange an einem Selbstporträt in dieser Zeit. Das fühlte sich an wie ein Zusammenschrumpfen, weil du so tief hineingehst. Zu denken, jemand könnte kommen und dich töten. Du fühlst dich wertlos und kommst tief in deine imaginäre Welt hinein. Ich versuchte immer, all diese Ängste in das Selbstportrait hineinzugeben und es half mir, stärker zu werden."
Nicht nur der Kosovo als Staat ist jung, auch seine Bevölkerung ist es. 70 Prozent der Kosovaren sind unter dreißig. Dementsprechend hoch ist auch der Anteil junger Künstler und Kreativer, die die Kunstszene des Landes zunehmend lebendig machen.
"Wir haben viele Künstlerpersönlichkeiten, einige sind sehr gut und haben auch Erfolg in Westeuropa und der Welt. Die Kunstszene in Pristina ist gespalten. Es gibt eine Art akademischen Clan rund um die Nationalgalerie und wir haben auch diejenigen, die man zeitgenössisch nennen könnte. Die bringen sehr viele Einflüsse aus dem Ausland mit wie zum Beispiel Installation oder Performance Art. Am meisten ist gerade Videokunst angesagt."
Der Vernissage-Abend in Berlin endet eher traditionell auf Balkan-Art, mit inbrünstig vorgetragenen Liedern und spontanem Tanz in der Galerie. Denn genau wie in Pristina und anderswo gehört auch an diesem Abend in Berlin die Kunst und das Feiern zusammen.