Von der Faszination für das Feuer
Er beschriftet Bäume, baut abgerissene Gebäude als Miniatur wieder auf, lenkt Blitze ab. Julius von Bismarck findet immer neue Formen und Wege, um sich auszudrücken. Seit einigen Jahren filmt er brennende Wälder - mit beeindruckendem Effekt.
Blitze, Wirbelstürme und Feuer-Phänomene ziehen Julius von Bismarck an. Und das im Wortsinn. Ihnen auf der Spur, fuhr der Künstler nach Venezuela, in die USA, filmte in brennenden schwedischen Wäldern.
Besondere Orte erfordern besondere Vorbereitungen. Für seinen Einsatz in Schweden brauchte der Konzeptkünstler eine Feuerwehruniform. Die kaufte er in einem Fetischladen in Berlin, "wo es Uniformen aller Art gibt".
Das Verhältnis von Mensch und Natur ist eines seiner Hauptsujets. Immer wieder taucht das Thema in seinen Installationen, Skulpturen, Videos und Fotografien auf. Seine Ausstellung "Feuer mit Feuer" in der Bonner Bundeskunsthalle zeugte davon.
"Ein Brand ist etwas Schönes"
Von Bismarck hat Waldbrände mit einer Zeitlupenkamera gefilmt, 1500 Bilder in der Sekunde. "Für mich ist es ein Medium, das zwischen der Fotografie und dem Film angesiedelt ist. Es bewegt sich noch, aber es bewegt sich sehr viel langsamer. Dadurch nehme ich dem Feuer diese bedrohende Feuersbrunst. Was bleibt, ist das Lagerfeuerartige. Man kennt ja diesen Effekt am Lagerfeuer, dass man ins Feuer starrt und anfängt zu träumen."
Als Betrachter dieser Bilder ist man hin- und hergerissen, sie sind schrecklich und schön zugleich. Aber darf man Brände schön finden? "Auf jeden Fall", meint von Bismarck. "Das Gefühl, was man dabei hat, ist genau das, was mich interessiert. Ich finde es ja selber schön. Ein Brand ist einfach etwas Schönes. Und es ist auch etwas Natürliches. Viele Wälder müssen regelmäßig brennen, um in ihrem natürlichen Zustand zu sein."
Deshalb, so der Künstler, sei sein Blick auf Feuer zunächst ein "neutraler". Natürlich vergesse er auch bei aller Faszination nicht, dass es bei Feuersbrünsten in den meisten Fällen um Tragödien gehe, etwa im Amazonas. "Der Wald, der hier durch Brände gerodet wird: Das ist natürlich eine ganz große Katastrophe. Da wird tonnenweise CO2 freigesetzt."
Natur im Sondermodus
Von Bismarck hat sich auch mit Blitzeinschlägen beschäftigt, fuhr bewusst in einen Hurrikan hinein. "Ich war schon bekannt mit einer Natur, die in einem Sondermodus ist. Deswegen lag dann der Schluss ganz nahe, dass ich auch in Waldbrände fahren muss. Und ich habe mich dann langsam herangetastet, bin erst in kleinere Brände gefahren. Ich wollte langsam dieses Phänomen des Waldbrandes verstehen. Und dabei habe ich überlegt, wie ich mich künstlerisch damit beschäftigen kann."
Zudem sei es ihm wichtig gewesen, eigene Eindrücke zu sammeln: "Weil die Bilder, die von anderen Leuten gemacht wurden, vielleicht mit einem gewissen Interesse veröffentlicht wurden." So habe er dann letztlich schwedische Feuerwehrleute mit seiner "anderen Perspektive auf die Flammen" überzeugen können, sie bei ihrem Einsatz begleiten zu dürfen.
Seine Faszination für die Natur, so Julius von Bismarck, hänge auch mit ihrer veränderten Wahrnehmung zusammen, bedingt durch den Klimawandel. Galt die Natur früher als wild und unerschöpflich, stehe heute eher ihr Schutz und die Bewahrung im Vordergrund:
"Das ist genau das, was mich daran interessiert. Das Natur plötzlich agiert, wir reagieren, nicht andersherum. Umso mehr ich mich mit diesen Gewalten beschäftigt habe, desto interessanter wurde es für mich."
"Wir waren plötzlich Staatsfeinde"
Dass die Arbeiten von Julius von Bismarck mitunter irritieren, oft auch provozieren, ist von ihm gewollt. Provokation sei eines seiner Stilmittel, betont er. Etwa, wenn er in Island Naturobjekte wie Bäume, Steine und Dünen mit ihrem Namen beschriftet.
Deswegen habe es sehr viel Ärger mit der isländischen Polizei gegeben: "Wir waren plötzlich die Staatsfeinde Nummer eins in Island. Das hat zu sehr vielen Diskussionen geführt."
Am Anfang sei es einfach nur darum gegangen, "wie schlimm wir doch als Künstler sind. Aber irgendwann wurde die Diskussion auch sehr interessant. Die Leute haben gefragt: Wie denken wir eigentlich überhaupt über Natur nach? Geht es wirklich nur darum, dass es auf der Postkarte schön aussieht? Oder geht es auch darum, dass die Natur als Ökosystem weiter funktioniert?"
Mahnmal im Emscher Park
Ein anderes Projekt sind die Miniaturhäuser, die von Bismarck in diesem Sommer im Emscher Park in Duisburg aufgebaut hat. Darunter befinden sich Hochhäuser, Schulen, ein Freizeitbad. Gebäude, die einmal für die Zukunft des Ruhrgebiets standen. Doch sie wurden in den letzten Jahren abgerissen. Jetzt hat der Künstler die Bauwerke wieder auferstehen lassen, im Maßstab von 1:25.
"Das ist ein Mahnmal. Das ist aber auch ein Ort, an dem vielleicht Zukunft gedacht werden kann. Ich habe in Berlin miterlebt, wie falsch Baupolitik laufen kann. Sehr viele Häuser wurden abgerissen. Jetzt entstehen überall neue Gebäude, die minderwertig sind, die nicht lange leben werden, die schlecht aussehen, die eine minderwertige Wohnqualität haben."
Julius von Bismarck wurde 1983 geboren, wuchs in Saudi-Arabien auf. Der Vater war als Volkswirt und Geologe für die dortige Regierung als Berater tätig. Später studierte der Sohn an der Universität der Künste Berlin, wurde Meisterschüler bei Olafur Eliasson. Und ja: Sein Name hat etwas mit Otto von Bismarck zu tun. Er ist der Urururgroßneffe des ehemaligen deutschen Reichskanzlers.
Sein Name: kein leichtes Erbe
Kein leichtes Erbe, findet der Künstler: "Bismarck wurde von Hitler verklärt. In jeder Stadt gibt es eine Bismarckstraße, überall stehen Bismarck-Skulpturen. Das ist natürlich eine Geschichte, mit der man sich beschäftigen muss. Aber künstlerisch interessiere ich mich eher für andere Themen."
(ful)