Künstler kritisiert Autobesitz in Deutschland

Pionierfahrt mit viel Stillstand

Norbert Krause: Er steht und steht und steht.
Künstler Norbert Krause: Er steht und steht und steht... © Deutschlandradio/Vesko Gösel
Von Stephan Beuting |
22 Stunden und 48 Minuten: So lange steht jedes Auto in Deutschland täglich herum, irgendwo geparkt, unbenutzt. Ganz schön viel, findet der Künstler Norbert Krause – und kritisiert das nun mit einem Kunstprojekt.
"Ich bin Norbert Krause und ich parke seit einigen Stunden in diesem Auto."
Freitagabend in Köln, die Venloer Straße läuft gerade zur Höchstform auf. Radfahrer, Fußgänger, Autos, alles in Bewegung, nur Norbert Krause steht still, bzw. sitzt und parkt. Er nennt es Pionierfahrt und weil das Auto nicht fährt, kommen ständig neue Leute dazu und wollen wissen, was hier los ist, wie zum Beispiel Judith:
"Das hat sich so ergeben, und jetzt sitze ich hier schon seit zwei Stunden, weil es so schön gemütlich ist."
22 Stunden und 48 Minuten. So lange parkt jeden Tag im Schnitt jedes Auto in Deutschland.
22 Stunden und 48 Minuten. So lange parkt jeden Tag im Schnitt jedes Auto in Deutschland.© Deutschlandradio/Vesko Gösel
Oder die zwei Mädels aus Heinsberg, bei Mönchengladbach:
Jessica: "Ich hab das auf Facebook gelesen."
Norbert: "Und dachtet ihr, da kann man ja mal ein Stückchen mitstehen."
Jessica: "Kommen wir mal vorbei."
Oder Louisa. Vor deren Haustür hat Norbert Krause zufällig die freie Parktasche entdeckt, das ist mittlerweile neun Stunden her.

"Eine Pionierfahrt, wo man sich gar nicht bewegt"

Louisa: "Ich bin Louisa, wer seid ihr? Ich bin Volker"
Katharina: "Katharina."
Stephan: "Stephan."
Norbert: "Norbert."
Norbert: "Ja, und jetzt stehen wir hier."
Norbert: "Bei Pionierfahrt denkt man immer an, einmal um die Welt oder zum Mond und auf jeden Fall, schneller, höher, weiter und was ist eigentlich das Gegenteil: das Gegenteil wäre eine Pionierfahrt, wo man sich gar nicht bewegt. So bin ich halt aufs Parken gekommen."
Der öffentliche Raum, wie der aussieht und wie die Menschen darin vorkommen. Das in Frage zu stellen, dafür ein Bewusstsein schaffen: das zieht sich als roter Faden durch Norbert Krauses Arbeit. Mal baut er einen Ideensauger für ein Nachbarschaftsfest, dann ein Rad, dass Textilien bemalen kann: er nennt es Radldruckmaschine.
Vor seinem Atelier in Mönchengladbach/Eicken ist ein Kreidequadrat aufgemalt. Ein Quadratmeter groß. Das Sendegebiet von Radio-Eicken. Wer hören will, muss sein eigenes Radio mit ins Sendegebiet mitbringen. Seine Arbeiten: stets spektakulär unspektakulär.

Wieviel Platz wird Autos geschenkt?

"Hallo."
"Hallo."
"Oh-mein-Gott! Hilfe, was passiert denn hier?!"
"Wir parken."
"Oh nein."
"Wir parken." (Lachen) "Weil im Schnitt parken Autos 22 Stunden und 48 min pro Tag."
"Echt?"
"Ja."
"Das heißt, davon fahren die nur eine Stunde und zehn Minuten."
"Ja."
"Krass, wenn man sich das mal verallgegenwärtigt."
Verallgegenwärtigt trifft das Ganze ziemlich gut. Es geht immer wieder um die Frage, wieviel Platz in einer engen und teuren Stadt wie Köln automatisch den Autos geschenkt wird, wie Zeitmangel und Stress mit unserem Mobilitätsverhalten zusammenhängen, ob auch Millionenstädten wirklich jeder sein eigenes Auto vor der Tür haben muss.
Die ganze Parkerei macht ganz schön müde: Norbert Krause trinkt einen Kaffee.
Die ganze Parkerei macht ganz schön müde: Norbert Krause trinkt einen Kaffee.© Deutschlandradio/Vesko Gösel
Norbert: "Ich finde das total spannend. Wir hatten heute einige Leute, die sich privates Car-Sharing überlegt haben. Dann war es irgendwie der Bruder oder die Schwester oder ein Freund oder…"
Irgendwann ist Judith weg, auf ihrem Platz sitzt Luisa, Volker und Katharina bleiben noch, wir reden über Gemeinschaftsgärten und Postwachstumsökonomie. Gegen halb eins machen die beiden Platz für die nächsten Mitparker.
"Wollt ihr einsteigen, dann steige ich aus."
"Wir steigen auch aus."
"Tschüss."
"Viel Erfolg noch beim Gärtnern."

"Ich finde Unverständnis total toll"

Zu Beginn der Aktion unterstellt ihm eine Frau, das sei doch bestimmt Wahlkampf für ne Partei, eine andere sagt, er solle sich lieber um Wichtigeres kümmern, um Altersarmut. Norbert Krause schaut dann ganz interessiert, wartet ab, lächelt und überzeugt:
"Ich finde Unverständnis total toll, es ist viel besser wenn Leute sagen, das ist der größte Unsinn, lass das, gib mir Deinen Parkplatz, hör auf hier so einen Schabernack zu treiben."
Diejenigen die Abstand halten und zweifeln, die überzeugt er. Die Überzeugten Nachhaltigkeitskenner, die von selbst einsteigen, die erzählen und wollen gar nicht mehr gehen. Und dann ist da noch Fati.
Fati: "Ich bin der Fati."
"Ok, ich parke."
"Ah, Sie parken hier."
"Ich parke hier für 22 Stunden 48 Minuten."
"Was hat das zu bedeuten?"
"Das ist genau die Zeit, die ein Auto im Schnitt pro Tag parkt."
"Das ist relativ viel und die Frage ist, kann man nicht auch andere schönere Sachen mit den Flächen machen.."
"Ja, da haben Sie auch Recht."
Fati, 20 Jahre alt, Azubi bei Aldi-Süd, hatte sich noch nicht mit dem Thema beschäftigt. Bis jetzt. Kurzes Nachdenken, und dann: Initiative.
Fati: "Und wie könnten wir so etwas bewegen, alle zusammen, dass nicht so viele Autos parken? Wie könnten wir dieses Problem jetzt lösen?"
Norbert Krause hört zu, versteht, erklärt und freut sich sichtlich, wie Leute jenseits der ökologischen Nachhaltigkeitsblase ins Grübeln kommen. Am Ende hat Fati vier Anrufe seiner Freunde weggedrückt und Norbert angeboten, einen Brief an die Stadt Köln zu schreiben und das Problem mit dem zugeparkten Stadtraum anzusprechen. Ein Anfang, spektakulär unspektakulär.
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