Künstler sein in Zeiten von Hartz IV
Das Künstlerpaar hat Preise und Stipendien gewonnen. Ihre Werke verkauften sich gut. Sie konnten von ihrer Kunst leben, bis sie die Flaute auf dem Kunstmarkt erfasste. Um ihr Atelier halten zu können, beantragten sie Arbeitslosengeld II - und stellten das Jobcenter vor ein Dilemma.
Ihren wahren Namen mögen die beiden nicht nennen. Sie befürchten, es könnte ihrer Karriere schaden, wenn sie sich als bedürftig outen. Deswegen nennen wir sie Michael Westphal und Sarah Müther. Westphal und Müther sind ein erfolgreiches Berliner Künstlerpaar. In den vergangenen 22 Jahren haben sie Preise und Stipendien gewonnen, ihre Werke verkauften sich in aller Regel gut. Bis vor kurzem konnte das Paar von seiner Kunst leben. Doch dann erfasste sie die Flaute auf dem Kunstmarkt. Schließlich waren Michael Westphal und seine Lebensgefährtin gezwungen, im Jobcenter Arbeitslosengeld II zu beantragen.
Michael Westphal: " Wir haben dargestellt im Jobcenter, dass wir bestimmte Ausstellungsprojekte im nächsten Jahr vorhaben, die sehr Erfolg versprechend sind. Wir haben dargestellt, dass wir sehr erfolgreiche Projekte bereits realisiert haben. Und es ist eigentlich so, dass wir das für ein paar Monate haben wollten, um nicht unser Atelier zu verlieren, zwischendurch aus Zahlungsunfähigkeit, und dass wir eigentlich intensiv an unserer künstlerischen Arbeit weiterarbeiten wollten und wir uns im Grunde deswegen auch nicht arbeitslos gemeldet haben, sondern im Grunde nur hilfebedürftig, um die eigene Arbeit weiterführen zu können. "
Es sollte sich zeigen, dass Westphal und Müther ihre Situation nicht in Kategorien des Sozialgesetzbuches begreifen. Die beiden Künstler empfanden sich nicht als arbeitslos, sie hatten nur augenblicklich kein Geld. Sie wollten an ihrem gegenwärtigen Kunstprojekt weiterarbeiten und brauchten dafür ihr Atelier. Das kostete Miete, die sie nicht aufbringen konnten - weshalb sie einen Antrag auf Übernahme der Atelierkosten stellten.
Das heißt: Das Künstlerpaar sah sich eher wie ein kleines Unternehmen, das vorübergehende Wirtschaftsförderung beantragt, als in der Rolle eines Arbeitssuchenden. Doch Michael Westphal machte die Erfahrung, dass diese Art zu denken, dem Jobcenter genauso fremd war wie die Berufswirklichkeit freischaffender Künstler.
Michael Westphal: " Das Jobcenter hat uns nach kurzer Zeit hinbestellt und wollte erreichen, dass wir irgendwelche Jobs annehmen, und wir haben dann ausführlich dargestellt, dass wir eben an unserer Arbeit weiterarbeiten und dass wir die dies die größte Aussicht hat, dass wir in Zukunft wieder unabhängig von diesen Sozialleistungen, im Grunde gar keine Zeit haben, andere Jobs zu machen, sondern dass man uns doch unsere Arbeit weitermachen lassen sollte. Das haben wir dann nach einigen Monaten intensiver Auseinandersetzung dort auch durchgesetzt, nur die Frage der Ateliermiete, die ist weiter negativ beschieden worden. "
Die Künstler versuchten, die Übernahme der Atelierkosten gerichtlich zu erzwingen, aber sie verloren den Rechtsstreit. Und unmittelbar darauf auch das Arbeitslosengeld II. Denn das Gerichtsverfahren offenbarte, dass Westphal und Müther eine Reihe wertvoller Bilder besitzen - eigene, selbst geschaffene Bilder nämlich. Das zuständige Jobcenter Tempelhof Schöneberg sah darin Vermögenswerte, vertrat den Standpunkt, die seien erst mal zu verkaufen und strich den Künstlern die Grundsicherung. Bernhard Kotowski vom Berufsverband bildender Künstler Berlins war empört:
Bernhard Kotowski: " Es ist eine Kriegsführungsstrategie gewesen, eine Aushungerungstrategie! Denn sowohl die Bundesagentur für Arbeit selbst in Nürnberg als auch noch die Berliner Regionaldirektion haben ausdrücklich vorher gesagt, dass die eigenen Kunstwerke von Künstlerinnen und Künstlern, die noch verfügbar sind, eben kein verwertbares Vermögen darstellen. Und wenn sie Vermögen sind, dann sind sie Betriebsvermögen, können also nicht angerechnet werden! "
Mittlerweile lässt die Geschäftsführerin des Jobcenters dem Künstlerpaar wieder das Arbeitslosengeld überweisen. Ratlos ist Ingrid Wagener aber dennoch:
" Wir haben den ganz klaren Arbeitsauftrag, Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, Menschen auf eigene Füße zu stellen. Und wie sollen wir hochwertige Künstler auf eigene Füße stellen! Das können wir nicht! Wir wollen sie in den ersten Arbeitsmarkt bringen - das wollen sie aber gar nicht, weil sie sich gar nicht als arbeitslos empfinden, denn sie stehen in ihrem Atelier und arbeiten - vielleicht rund um die Uhr! Das passt nicht zusammen.
Das sieht Bernhard Kotowski vom Berufsverband bildender Künstler Berlin anders. Seiner Meinung nach könnten die Fallmanager im Jobcenter auf der Basis bestehender Gesetze durchaus auch selbstständige freiberufliche Existenzen fördern.
Bernhard Kotowski: " Sie müssen sich also jeweils konkret im Einzelfall, konkret mit der beruflichen Situation eines Künstlers hineinversetzen und sind dazu verpflichtet, alles das zu tun, um, wenn sie erkennen, aus der künstlerischen Tätigkeit wird nach menschlichem Ermessen nie im Leben noch ein wirtschaftlicher Erfolg erwachsen, dann womöglich jemanden in eine andere Qualifikation zu bringen - ansonsten aber: Gibt es eine seriöse Aussicht darauf, mit der Kunst auch künftig sich wieder wirtschaftlich erhalten zu können, sind sie verpflichtet, dieses Bestreben auch zu unterstützen.
Die Künstler fordern eine Präzisierung der Hartz IV-Bestimmungen. Damit die Fallmanager in den Jobcentern genau wissen, unter welchen Bedingungen sie die Weiterführung selbstständiger freischaffender Künstler-Existenzen unterstützen können. Hilfreich wäre es nach Auffassung der Berufsverbände auch, wenn sich in den Arbeitsagenturen Fachleute um die bildenden Künstler kümmern. Experten, die sich mit der Berufswirklichkeit von Malern, Bildhauern und Zeichnern genauso gut auskennen wie mit den Paragrafen des Sozialgesetzes.
Das Gespräch zum Thema mit Dirk von Kügelgen, in der Gewerkschaft Verdi Fachgruppenleiter Bildende Kunst, können Sie in der rechten Spalte als Audio hören.
Michael Westphal: " Wir haben dargestellt im Jobcenter, dass wir bestimmte Ausstellungsprojekte im nächsten Jahr vorhaben, die sehr Erfolg versprechend sind. Wir haben dargestellt, dass wir sehr erfolgreiche Projekte bereits realisiert haben. Und es ist eigentlich so, dass wir das für ein paar Monate haben wollten, um nicht unser Atelier zu verlieren, zwischendurch aus Zahlungsunfähigkeit, und dass wir eigentlich intensiv an unserer künstlerischen Arbeit weiterarbeiten wollten und wir uns im Grunde deswegen auch nicht arbeitslos gemeldet haben, sondern im Grunde nur hilfebedürftig, um die eigene Arbeit weiterführen zu können. "
Es sollte sich zeigen, dass Westphal und Müther ihre Situation nicht in Kategorien des Sozialgesetzbuches begreifen. Die beiden Künstler empfanden sich nicht als arbeitslos, sie hatten nur augenblicklich kein Geld. Sie wollten an ihrem gegenwärtigen Kunstprojekt weiterarbeiten und brauchten dafür ihr Atelier. Das kostete Miete, die sie nicht aufbringen konnten - weshalb sie einen Antrag auf Übernahme der Atelierkosten stellten.
Das heißt: Das Künstlerpaar sah sich eher wie ein kleines Unternehmen, das vorübergehende Wirtschaftsförderung beantragt, als in der Rolle eines Arbeitssuchenden. Doch Michael Westphal machte die Erfahrung, dass diese Art zu denken, dem Jobcenter genauso fremd war wie die Berufswirklichkeit freischaffender Künstler.
Michael Westphal: " Das Jobcenter hat uns nach kurzer Zeit hinbestellt und wollte erreichen, dass wir irgendwelche Jobs annehmen, und wir haben dann ausführlich dargestellt, dass wir eben an unserer Arbeit weiterarbeiten und dass wir die dies die größte Aussicht hat, dass wir in Zukunft wieder unabhängig von diesen Sozialleistungen, im Grunde gar keine Zeit haben, andere Jobs zu machen, sondern dass man uns doch unsere Arbeit weitermachen lassen sollte. Das haben wir dann nach einigen Monaten intensiver Auseinandersetzung dort auch durchgesetzt, nur die Frage der Ateliermiete, die ist weiter negativ beschieden worden. "
Die Künstler versuchten, die Übernahme der Atelierkosten gerichtlich zu erzwingen, aber sie verloren den Rechtsstreit. Und unmittelbar darauf auch das Arbeitslosengeld II. Denn das Gerichtsverfahren offenbarte, dass Westphal und Müther eine Reihe wertvoller Bilder besitzen - eigene, selbst geschaffene Bilder nämlich. Das zuständige Jobcenter Tempelhof Schöneberg sah darin Vermögenswerte, vertrat den Standpunkt, die seien erst mal zu verkaufen und strich den Künstlern die Grundsicherung. Bernhard Kotowski vom Berufsverband bildender Künstler Berlins war empört:
Bernhard Kotowski: " Es ist eine Kriegsführungsstrategie gewesen, eine Aushungerungstrategie! Denn sowohl die Bundesagentur für Arbeit selbst in Nürnberg als auch noch die Berliner Regionaldirektion haben ausdrücklich vorher gesagt, dass die eigenen Kunstwerke von Künstlerinnen und Künstlern, die noch verfügbar sind, eben kein verwertbares Vermögen darstellen. Und wenn sie Vermögen sind, dann sind sie Betriebsvermögen, können also nicht angerechnet werden! "
Mittlerweile lässt die Geschäftsführerin des Jobcenters dem Künstlerpaar wieder das Arbeitslosengeld überweisen. Ratlos ist Ingrid Wagener aber dennoch:
" Wir haben den ganz klaren Arbeitsauftrag, Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, Menschen auf eigene Füße zu stellen. Und wie sollen wir hochwertige Künstler auf eigene Füße stellen! Das können wir nicht! Wir wollen sie in den ersten Arbeitsmarkt bringen - das wollen sie aber gar nicht, weil sie sich gar nicht als arbeitslos empfinden, denn sie stehen in ihrem Atelier und arbeiten - vielleicht rund um die Uhr! Das passt nicht zusammen.
Das sieht Bernhard Kotowski vom Berufsverband bildender Künstler Berlin anders. Seiner Meinung nach könnten die Fallmanager im Jobcenter auf der Basis bestehender Gesetze durchaus auch selbstständige freiberufliche Existenzen fördern.
Bernhard Kotowski: " Sie müssen sich also jeweils konkret im Einzelfall, konkret mit der beruflichen Situation eines Künstlers hineinversetzen und sind dazu verpflichtet, alles das zu tun, um, wenn sie erkennen, aus der künstlerischen Tätigkeit wird nach menschlichem Ermessen nie im Leben noch ein wirtschaftlicher Erfolg erwachsen, dann womöglich jemanden in eine andere Qualifikation zu bringen - ansonsten aber: Gibt es eine seriöse Aussicht darauf, mit der Kunst auch künftig sich wieder wirtschaftlich erhalten zu können, sind sie verpflichtet, dieses Bestreben auch zu unterstützen.
Die Künstler fordern eine Präzisierung der Hartz IV-Bestimmungen. Damit die Fallmanager in den Jobcentern genau wissen, unter welchen Bedingungen sie die Weiterführung selbstständiger freischaffender Künstler-Existenzen unterstützen können. Hilfreich wäre es nach Auffassung der Berufsverbände auch, wenn sich in den Arbeitsagenturen Fachleute um die bildenden Künstler kümmern. Experten, die sich mit der Berufswirklichkeit von Malern, Bildhauern und Zeichnern genauso gut auskennen wie mit den Paragrafen des Sozialgesetzes.
Das Gespräch zum Thema mit Dirk von Kügelgen, in der Gewerkschaft Verdi Fachgruppenleiter Bildende Kunst, können Sie in der rechten Spalte als Audio hören.